EINS Meister des Tropfens, Kazike des Blackberry, DJ des kühlen Blonden, Bürger der Queen Size Matratze: Carlos Velazquez (San Pedro Amaro de la Purificación, Coahuila, 1978) fragt sich: Sollte es in der Tat dasselbe sein, atole (populäres Maisgetränk) Umzurühren wie Hotels Umzupusten? Währenddessen teilt er seine Zeit ein in a) sein Dasein als Grillhähnchen-Liferant, sein viertes Buch mit Kurzgeschichten, die furchtbarschöne Sage über eine Gruppe von Warenhausangstellten; b) der Feinschliff von „La marrana negra de la literatura rosa“ (Die schwarze Sau der rosa Kitschliteratur), sein neues Buch, unter der pornographischen Vormundschaft der Eigenbrötler aus dem Sechsten Stock; c) der Text „El moquero del bardo“ (Das Rotztuch des Barden), sein erster Roman, eine vermeintliche Biografie von Stephen Dedalus (obwohl es, wie Julián Herbert sagte, eher den Anschein des Biopics von Buck Mulligan macht); d) der erbitterte Kampf mit „Las muñecas pagan mal“ (Die Puppen zahlen schlecht), ein Roman über Baseball, ein Billy the kid aus dem Barrio und die Liebe für Puppe, eine wiederaufgewärmte Molly Bloom; und e) die Komposition von „Los nietos del viejo Paulino“(Die Enkel des alten Paulino), das Werk, das dem Narcoroman seinen endgültigen Todesstoß verpassen wird.
ZWEI Lieblingsschüler von James Joyce, Autor des Buches „La Biblia Vaquera“ (Die Cowboy-Bibel), der B-Seite von „Dubliners“. Er ist auch für das Konzept „Condición posnorteña“ (Das postnorteñische Wissen) verantwortlich. Lyotards kritischen Weisungen folgend ist er zu dem Schluss gelangt, dass es nach dem Tod der Postmoderne nur noch die Posnorteñität (verleihen Sie diesem Terminus globalen Charakter, denn es handelt sich hier nicht um einen Regionalismus, es steht außer Frage, dass sich die Welt nordamerikanisiert hat) möglich ist, und zwar in Kapsel-, Plastiktüten- oder Papierform. Als Theoretiker des Tapir-Lunchpakets aus genetisch verändertem französischen Brot leidet er am unförmigen Schwimmringsyndrom: Poet der Chlamydien an einem Tag, Poet der Blasenentzündung am nächsten. Er gehört der Fifí-Generation an, die aus coahuilensischen Säugetieren besteht, deren Klassifikationssystem den hohen Temperaturen Rechnung trägt, die in Nordmexiko herrschen.
DREI Sein Stil ist voll und ganz von der coahuilensischen Schmuddelglamour-Ästhetik geprägt, eine von Julián Herbert, einem der scharfsinnigsten Verschwörer des Nordens, verschlüsselte Strömung. Darüber hinaus zweifelt er gleichermaßen ernsthaft an der historischen Rolle der Weizentortilla in den Ortschaften von Nordmexiko. In seiner Freizeit kollaboriert er spontan mit der Heerschar von Coronel Spangler (Jairo Calixto Albarrán) von der Tageszeitung Milenio. Dieser letzten verdankt er sein Rating als neuer shooting star des Gonzojournalismus. Und falls auch das noch nach leichter Muse klingen sollte, streitet er sich jeden Tag mit seiner Frau darüber, ob er das Tischset kaufen soll oder nicht, um vor dem Fernseher zu essen.
VIER Er ist gewieft. Er hat die schärfste Zunge der Grenze.
Übersetzung: Anne Becker
Carlos! Vor dem Fernseher mit der schärfsten Zunge Nordmexikos zu essen, um danach Poesie der Chlamydien zu erzeugen, ist des Beweises Joyceschen Apostolikums genug und wirklich tripverdächtig. Wie schön die Herausforderung ist, bei einem Text über sich selbst nicht an vierdimensionaler Antimaterie zu sparen und dabei dem Leser kein einddeutiges Bild von sich zu liefern, hat dein kleines Essay mir bewiesen. Glückwunsch! Auf bald, Emma
Spandeutsch (Anne):
„Carlos! Comer delante de la tele con la lengua más violenta del norte de México, para luego hacer poesía de la clamidia, es prueba suficiente del apostólicum joyciano y definitivamente sospechoso de tratarse de un trip. Me da gusto el reto de no escasear en antimateria cuatrodimensional en un texto sobre uno mismo y así no ofrecerle al lector una imagen unívoca de uno mismo. Tu texto me lo comprobó. Felicidades. Hasta pronto, Emma“
Emma: Me alegro que te haya latido el texto. La neta escribir una autobiografía mínima sin recurrir a los lugares comunes no es leve. Espero haber escapado al aburrido nací en… o en el fusil Once upon a time. Un saludoa desde los llanos del norte. Carlangas.
Spandeutsch (Anne):
„Emma, es freut mich, dass der Text dir gefallen hat. Es ist echt nicht leicht, eine Miniatur-Autobiographie zu schreiben, ohne auf Gemeinplätze zurückzugreifen. Ich hoffe, ich bin dem langweilen „Geboren bin ich in…“ oder in dem Dauerbrenner „Once upon a time“ entkommen. Grüße aus dem Tiefland des Nordens. Carlangas.“