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Leo Felipe Campos wurde in San Félix geboren, einem entlegenen, heißen Dorf im Süden Venezuelas, und das war ihm nie peinlich. Trotz aller Vorhersagen überlebte er. Gewappnet mit einem Titel als Publizist arbeitete er als Sportjournalist und gründete einige kulturelle Zeitschriften, darunter auch die bekannte plátanoverde (grüne Banane). In seiner Freizeit posiert er als Model für Fernsehwerbung und gibt Geschichten, Chroniken und erotische Kurzgeschichten heraus. Außerdem leitet er auch das Blog mijaragual, das Tausende von Besuchern im Monat hat. Und er versichert, immer noch Jungfrau zu sein.
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Ich habe mich dreimal verändert: nach meiner ersten Trennung, nach dem Tod meiner Mutter und als meine Tochter aus dem Schoß einer tapferen Frau geboren wurde. Veränderung ist für mich ein Synonym für Wiedergeburt. Ich habe an 27 verschiedenen Orten in zwei Städten gelebt: Puerto Ordaz und Caracas, Orte die mir halfen, mich zu einem sensiblen, aber auch entschiedenen, manchmal sogar aggressiven Mann zu entwickeln. Mein Werk, gering aber vielversprechend, lässt sich in zwei Thematiken einteilen: die Liebe und den Sex. Die beiden gehören – in den meisten Fällen – zusammen; aber es gibt ein paar Kritiker und Leser, die meinen, es sei etwas kitschig über die kleinen Hände meiner Tochter zu schreiben und es würde an Pornographie grenzen, über die Größe eines Penis zu schreiben, wie er sich in einer feuchten Vagina rein und raus bewegt – als ob die Angst, eines Nachts sein Leben durch die Lust zweier nackter, fleischloser Seelen zu verlieren, nicht Raum für neues Leben böte. Ich glaube an das Wort und unterstütze jegliche Initiative, die mich dazu ermuntert, über mich selbst zu sprechen. Journalismus gefällt mir, aber ich mag Autobiographien lieber – vor allem meine eigenen.
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Schon mit drei Jahren war ich ein hervorragender Fußballspieler und mit fünf war ich der einzig hellhäutige Junge, der jede Mulattin in meinem Dorf zum Calipso auffordern konnte. Ich war nicht der König des Rhythmus, aber ich machte es auch gar nicht schlecht. In meiner Jugend wurde ich einmal von dem Freund einer dieser Mulattinen bedroht, der Junge wurde –aus Gründen, die ich nicht wissen wollte – El cuervo, der Rabe, genannt. Er hatte viele Brüder und man sagte, er habe auch eine Pistole. Und ich, ich hatte ein schmutziges Gewissen. Also nahm ich aus lauter Verzweiflung den Bus und fuhr nach Caracas, die einzige Stadt der Welt, die stolz damit prahlt, bei der Berechnung der Einwohnerzahl eine Fehlerquote von 100 Prozent zu haben: niemand weiß, ob dort 4 Millionen oder 8 Millionen Menschen leben. Gestützt auf so eine Gewissheit, entschied ich mich für den leichtesten Studiengang: Publizistik. Ich las einige Gedichte und arbeitete als Schauspieler am Theater, am Kino als Regieassistent und beim Fernsehen als Sportjournalist. Ich gründete aus Erbarmen mit meinen Freunden auch zwei Kulturmagazine: plátanoverde (grüne Banane) und 2021 Pura Ficción (2021 Reine Fiktion). Damit gelangte ich zu ein bisschen Ruhm, aber wenig Ansehen, und seitdem mache ich nicht mehr viel. Ich widme mich der Erziehung meiner Tochter und dem Modeln fürs Fernsehen. In meiner Freizeit reise ich, veröffentliche Bücher und schreibe Zeitungsreportagen.
Übersetzung: Barbara Buxbaum