Seit über einem Jahrhundert ist die Schönheit, diese große Tyrannei, nicht mehr das Leitprinzip der Kunst: Bewertungen wie „schön“ oder „hässlich“ erweisen sich im Moment der Beurteilung eines Werkes als wirkungslos. Trotzdem hat sich im Gegensatz dazu die Schönheit (oder besser gesagt ein sehr eigenartiges und eingeschränktes Konzept der Schönheit) zu einer sozialen Norm herausgebildet. Unsere Körper unterliegen dem Joch einer ästhetischen Diktatur.
Natürlich gab es immer schon Personen, die nach den jeweils aktuellen kulturellen Mustern schöner als andere galten. Und natürlich beeinflussen jene kulturellen Muster das, was eine Person an einer anderen attraktiv findet. Aber damals wie heute „finden auch Hormone, die von der Vernunft nicht verstanden werden, ihre Wege“ (aus einem Lied von Liliana Felipe und Jesusa Rodriguez). Wie auch immer. Ich will sagen, dass, unabhängig davon, dass jede Epoche ihre eigenen Gesetze der Schönheit hatte, diese heute möglicherweise so brutal wie nie sind. Schön zu sein, ist zu einer moralischen Verpflichtung geworden. Kann es sein, dass die Schönheit die restlichen Bürger in die Verantwortung genommen hat, als die Künstler genug von ihr hatten?
Jeder Mensch, so scheint es, steht heute vor der Aufgabe, schön wie eine Skulptur zu sein, aber nicht wie eine der modernen, sondern wie eine der klassisch griechischen Skulpturen. Und die Gesellschaft hat Zwangsmechanismen dafür geschaffen. Ein Beispiel: die Größen und Kleidermodelle, die man in Geschäften kaufen kann. Größen und Modelle (jedes Mal enger geschnitten), die als Regeln dienen, der sich der eigene Körper „anzupassen“ hat. Das ist das genaue Gegenteil von der alten Idee zum Schneider oder zur Näherin zu gehen: Dort gab der Körper seine eigenen Maße vor. Was für eine Epoche der Freiheit! Heutzutage befolgt der Körper, so sehr er kann, fremde Maße.
Die letzten Jahre zeichnen sich auch durch die Eroberung der individuellen Freiheiten aus. Doch die Moral versteckt sich hinter der Maske der Schönheit. Sie tut so, als ob es nur eine Frage der Ästhetik wäre, die eigenen Rechte auszuüben. Als ob nur die Schönen das Recht hätten, ihre Sexualität auszuleben: Genau das ist die Idee, die das kommerzielle Kino und die konventionelle Pornographie bestätigen.Wenn ein Mann beispielsweise eine Vorliebe für dicke Frauen hat, Typ paläolithische Venusfiguren, oder für in die Jahre gekommene Frauen, soll heißen, Frauen, die außerhalb des aktuellen Schönheitskanons stehen, der die Schlankheit und die Jugend verherrlicht, trifft ihn das Schicksal eines „Vom-Weg-Abgekommenen“, und wenn er ein Pornovideo finden will, dass ihn befriedigt, wird er das im Hinterzimmer der Philien suchen müssen. Ja, denn er weicht von der Norm ab, die aussagt, dass nur bestimmte Körper, die bestimmte ästhetische Qualitäten vereinen, als begehrenswert verstanden werden können. Obwohl in Wirklichkeit jeder Körper eine faszinierende Abweichung von der Norm darstellt.
Aber anstatt unsere Körper zu befreien, wie in der zeitgenössischen Kunst, wollen wir lieber klassisch sein. Und wenn wir die ästhetischen Normen nicht erfüllen können, bleiben wir, als Zeichen des guten Geschmacks, lieber alleine zu Hause und schauen uns im Fernsehen diese Infomercials für Bauchmuskel-Trainingsapparate an, mit denen wir die von der Norm abgekommenen Körper quälen und beharrlich versuchen, diese Vorgaben irgendwie zu erreichen. Um damit nur jenes zu bestätigen, was ein lieber Freund, Juan Carlos Bautista, geschrieben hat: „Der einzige Körper, den wir voller Abneigung hassen können, ist der eigene Körper“.
Übersetzung: Barbara Buxbaum
Brillante, as usual. Imagino que la tarea seguirá siendo crear bellezas nuevas, recuperar bellezas perdidas, capturar bellezas furtivas…
ABrazo,
Alain
SpanDeusch (Barbara):
Brillant, as usual. Ich denke es wird die Aufgabe sein neue Schönheiten zu schaffen, verlorene Schönheiten wiederzuholen, heimliche Schönheiten einzufangen…
si, crecemos y aprendemos aplicadamente a odiar nuestros cuerpos. el cuerpo se ha convertido ahora en el perfecto mecanismo de control
SpanDeutsch (Barbara):
Ja, wir wachsen auf und lernen fleißig unseren Körper zu hassen. Der Körper ist heutzutage zu einem perfekten Kontrollmechanismus geworden.
Muchas gracias Alan y Valia. Coincido con sus comentarios. ¡Habría tanto que decir y hacer al respecto! Sin ir más lejos, hoy, al abrir la página de prodigy /msn (la del servidor de internet al que estoy inscrito) la nota principal es: „MANDAMIENTOS DE BELLEZA: Sálvate del infierno de la fealdad. 10 reglas para estar a la altura de las exigencias actuales“. De plano es ya de risa, pero lo lamentable es que lo dicen en serio.
Abrazos,
Luis Felipe
SpanDeutsch (Barbara):
Vielen Dank Alan und Valida für eure Kommentare. Es gäbe so viel zu diesem Thema zu sagen und zu tun! Aber ohne noch weiter zugehen: als ich heute die Site von prodigy/msn (der Internetserver bei dem ich bin) öffnete, kam als Schlagzeile: „GEBOTE DER SCHÖNHEIT: Hüte dich vor der Hölle der Hässlichkeit. 10 Regeln um den aktuellen Ansprüchen genügen zu können“ Als Idee ist es lustig, aber bedauerlicherweise meinen sie es ernst.
„salvate del infierno de la fealdad“ una no sabe si reir o llorar.
Una de las primeras peliculas de ALex de la Iglesia trata sobre la venganza de los feos en un mundo dominado por los bellos http://www.clubcultura.com/clubcine/clubcineastas/delaiglesia/obra_accion.htm
SpanDeutsch (Barbara):
„hüte dich vor der Hölle der Hässlichkeit“ man weiß nicht ob man lachen oder weinen soll.
Einer der ersten Filme von Alex de la Iglesia handelt von der Rache der Hässlichen in einer Welt, die von Schönen regiert wird:
http://www.clubcultura.com/clubcine/clubcineastas/delaiglesia/obra_accion.htm
Clap, clap, clap.
Si, el cuerpo es un mecanismo de control: es tan grave el asunto que el médico norteamericano Steve Bratman creó el término „ortorexia“, que proviene de la palabra griega para “apetito correcto”… (ver libro publicado “Health Food Junkies”, del 2000). El libro fue un éxito editorial porque hay muchas personas que padecen de trastornos de salud debido a la adicción a comidas bajas en grasas y calorías…
SpanDeutsch (Barbara):
Ja, der Körper ist ein Kontrollmechanismus: und das ist so ein schwerwiegendes Thema, dass der nordamerikanische Arzt Steve Bratman den Ausdruck „Ortoexia“ geprägt hat, der vom griechischen Wort für „korrekten Hunger“ kommt … (zu finden in „Health Food Junkies“, von 2000). Das Buch war ein Kassenschlager, weil es so viele Menschen gibt, die unter gesundheitlichen Problemen leiden, die aus der Abhängigkeit von fett- und kalorienarmer Nahrung herführen.