Digitale Körper I: 26 Minuten Cybersex (+18)

Beatniks, Hippies, Punks oder Raver hatten alle auf ihre Weise den Wunsch, die Idee, dass Sex eine Ware sei, aufzuheben. Auch wenn dieser Wunsch nicht über kurze Momente, einige Ghettos oder bestimmte Städte auf der Welt hinausreichte, so hat der Frühling bis heute nicht aufgehört zu blühen. Im Süden, im katholischen Süden, voll erdrückender, mit Blut und Sperma befleckter Soutanen, sind unsere Genitalien weiterhin Waffen, wenn auch nicht mehr so tödlich wie früher… vielleicht, weil wir nicht mehr so alleine sind.

In Zeiten des Internets ist alles transparent und die Idee der Intimität erhält eine neue Bedeutung, während die der Fremdbestimmtheit ins Wanken gerät. Wir können Menschen auf der ganzen Welt live dabei zuschauen, wie sie masturbieren, ihre Fotos und Videos hochladen, sich in Paar-, Schwulen-, Single-, Swinger-, Transforen treffen… wahre oder ausgedachte Geschichten austauschen… symbolische Preise für einen Fick, einen Arsch oder ein paar fleischige Lippen vergeben… wie ungesund aussehende, grauhaarige Männer, die müde und betäubt sind vom importierten Whisky in der Lobby eines Hotels der Stadt der „Ja der Jungen“ sitzen und bereit sind, bestimmte Barrieren zu überwinden, kulturelle wie die Sprache oder materielle wie die Distanz und das Geld… wie sie kommunizieren, schauen, sagen, zeigen, bitten… wie sie jemand anderes sind oder sich selber spielen… Alles mit einem Bildschirm… einem Bildschirm. Etwas, das definitiv eine Sache ist, wie ein Stein oder ein Schatten. Etwas komplett verachtenswert in der Natur, das uns hier in ständigem Kontakt hält. Ein Stein, der uns das Gesicht mit melodramatischer, parodierter, grotesker, verliebter oder minimalistischer Amateurpornographie beleuchtet und von diesem Typen produziert wurde, der Whisky am Strand trinkt oder möglicherweise von einem anonymen Mädchen, das genauso gelangweilt oder bedürftig ist, und die mir in einer einsamen Nacht ihr Foto zuschickt, auf dem sie bekleidet mit einem Slip der Größe eines Muttermals und einem Tank Top, das zarte und winterlich-bleiche Schultern erahnen lässt, auf dem Bett liegt…
X sagt:
[22:11:00] du sprichst gar nicht mit mir!
Y sagt:
[22:11:05] ich schaue mir dein foto an
[22:11:09] ich weiß nicht, was ich dir erzählen kann
X sagt:
[22:11:14] und… sag mir schmutzige dinge
Y sagt:
[22:12:33] ich war abgelenkt… entschuldige
[22:12:48] ich schaue mir das amulett an, das du am hals trägst
[22:13:04] oder deinen blick
[22:13:14] u versuche mir vorzustellen, wer du bist
[22:13:29] ich schaue dir auf deinen mund
[22:13:57] u frage mich, was deine augen tun würden, wenn du merkst, dass ich dich küssen werde
X sagt:
[22:14:06] ☻
Y sagt:
[22:14:26] die bewegung deines blicks… zurückweisung oder nur hysterie?
[22:15:07] ist auch egal, ich kann dich schon
[22:15:23] riechen
X sagt:
[22:15:43] ♥
Y sagt:
[22:15:46] u dein ganzes gesicht bereitet sich schon auf den kuss vor
[22:16:07] wir berauschen uns sanft
[22:16:34] die bewegungen unserer köpfe beruhigen sich
[22:16:57] die körper helfen mit u beginnen, sich aneinander zu pressen
[22:17:21] ich achte auf deine atmung
[22:17:27] u auf meine hände
X sagt:
[22:17:36] ♥
Y sagt:
[22:18:03] ich versuche, deine bewegungen an meine anzupassen
[22:18:17] ich lege den schwanz zwischen deine beine
X sagt:
[22:18:24] oh ja!
Y sagt:
[22:19:09] ich würde dich gerne ausziehen, aber ich sehe nur kleidung…
X sagt:
[22:19:21] ☻
[22:19:35] das ist gefährliches zeug
[22:19:45] ich werde mich nicht nackt mit meinem gesicht im ganzen web zeigen
Y sagt:
[22:20:37] wie böse du bist
[22:21:06] in der nahen zukunft werden wir hausgemachte pornografische videos austauschen, um uns der gesellschaft vorzustellen… als visitenkarten

—- Sie haben ein neues Foto erhalten. Dieses Mal handelt es sich um eine Nahaufnahme ihres Gesichts. Ein rosiger Mund mit infantilem Ausdruck. Gläserne und halbgeschlossene Augen. Offensichtlich handelt es sich um eine von tausenden von Bildern, die sie in einem besonderen Ordner mit dem Namen „degenerierte Alte“ gespeichert hat. —-

[22:22:13] du machst mich krank!… ich werde anormal geil… dein gehirn macht mich so an, dass ich lust bekomme, mit einem paraglider in deinem wohnzimmer zu landen, um uns zu verprügeln u zu lieben.
X sagt:
[22:22:16] danke, aber ich stehe nicht so auf schläge!
[22:23:20] ich möchte mich anfassen… aber das ist dir total schnuppe
[22:23:30] na los! sag mir schmutzige dinge!!!
Y sagt:
[22:24:13] ok, inspirier mich!
[22:24:30] wie fasst du dich an?
[22:24:38] wie gefällt’s dir?
X sagt:
[22:25:47] ich reibe mir leicht mit der haut des daumens u zeigefingers
[22:25:48] ganz sanft
[22:25:52] die klitoris
[22:26:24] danach massiere ich sie zwischen den fingerspitzen des daumens u zeigefingers
[22:26:40] währenddessen streichelt mich der mittelfinger weiter drinnen u es entsteht eine art schleim, der nach hinten läuft
Y sagt:
[22:27:29] u gefällt es dir, wenn eine eichel leicht über deine klitoris streicht?
X sagt:
[22:27:37] ich werde wahnsinnig, wenn eine saftige eichel meine klitoris berührt
[22:28:17] das bringt mich sofort an den rand des orgasmus
Y sagt:
[22:28:28] mmmmh
X sagt:
[22:28:57] u ich mag es auch, wenn man mir die eichel reinsteckt
[22:29:00] eine lange zeit
[22:29:07] nicht der ganze schwanz
[22:29:13] damit ich ihn begehre
[22:29:16] viele minuten lang
Y sagt:
[22:29:50] was passiert, wenn du spürst, dass du dich ganz öffnest, weil er ganz in dich eindringt?
X sagt:
[22:30:13] ich spüre eine unbeschreibliche wärme in mir drin
[22:30:15] so geil
[22:30:23] das ist das vorspiel der wahren lust
[22:30:32] wenn ich spüre, dass er mir reingesteckt wird
[22:30:39] überkommt mich ein schüttelfrost
[22:30:51] ich zittere
[22:30:53] wortwörtlich
Y sagt:
[22:31:20] was passiert, wenn er plötzlich rausgezogen wird?
X sagt:
[22:32:14] es fühlt sich an wie ein saugen
[22:32:16] eine leere, die mich schwindelig macht
[22:32:19] u mich stöhnen lässt
Y sagt:
[22:32:28] du schließt die augen…
X sagt:
[22:32:40] ja
[22:32:48] auf dem höhepunkt verliere ich die beherrschung über alles
[22:32:56] ich möchte nur noch gevögelt
[22:32:58] u gevögelt werden
Y sagt:
[22:33:03] ahffff
X sagt:
[22:33:16] mich bedeckt das gewicht des mannes
[22:33:20] erstickt meine titten mit seinem gewicht
[22:33:28] das macht mich totaaaaaaaaaaaaaaaaaaaal geil
X sagt:
[22:36:57] fertig!… ich geh duschen, um den geruch nach frau loszuwerden… küsschen
Y sagt:
[22:37:00] hehe. du bist göttlich, kleine! danke für deine heiße geilheit! küsschen

—- Sie haben ein gif mit einem pulsierenden Hirn erhalten —-

Übersetzung: Marcela Knapp

4 Kommentare zu 'Digitale Körper I: 26 Minuten Cybersex (+18)'

  1. Natalia sagt:

    leyendo el post, y dejando moralismos mediante, en abstracto me preguntaba… si acaso lo virtual dramatiza la distancia siempre así de lo real, si lo virtual es sólo presa de aquello que en lo real preexiste más allá de cualquier pantalla: los límites propios de todo contacto humano siempre suelto, incluso con dos piernas, entre pueblos y ciudades varias; o si aquello, (¿por el contrario… al mismo tiempo?) como un guiño, una palabra, un cerebro o un indicio de contacto, de un otro estar en algún lado ahí, que también, y por qué no, a veces también salva. O no, pero ahí, dondequiera que sea, está. O no (?)

    Spandeutsch (Marcela):

    „während ich deinen post las, habe ich mich auf abstrakter ebene gefragt… ob das virtuelle möglicherweise die immer so reale distanz dramatisiert, ob das virtuelle nur von jenem gefangen gehalten wird, das im reellen und außerhalb des bildschirms preexistiert: die grenzen jeglichen menschlichen kontakts, der immer locker sind, auch mit zwei beinen, zwischen verschiedenen dörfern und städten; oder ob jenes (im gegenteil… zur selben zeit?) wie ein augenzwinkern, ein wort, ein gehirn oder ein anzeichen für kontakt, oder ein anderes sein irgendwo dort, auch – und warum nicht – manchmal rettet. Oder auch nicht, aber dort, wo auch immer er sei, da ist. Oder nicht (?)“

  2. Natalia. Si lo virtual amplifica y reproduce o tal vez son nuevas modalidades…no sé. Habría que pensar el pasado de la sexualidad. Foucaultianamente, tal vez, lo que ocurra es que los dispositivos de dominación y control del cuerpo simplemente se suspenden a partir de las dinámicas de comunicación horizontal donde el poder pareciera no llegar?
    Igual, veo tanto por éste como por los otros posts relacionados con el tema, que todavía son temáticas vergonzantes y que a pesar de que proliferen prácticas sexuales de todo tipo en apariencia abiertamente, a las personas les resulta difícil quedar expuestas haciendo comentarios.
    Salud y sexo para los lectores! jejeje

    Spandeutsch (Marcela)

    „Natalia, ob das Virtuelle verstärkt und reproduziert, oder ob es möglicherweise neue Modalitäten sind… ich weiß es nicht. Man müsste die Geschichte der Sexualität betrachten. Nach dem Foucaultianismus ist es möglicherweise so, dass die Dispositive der Herrschaft und Kontrolle des Körpers aufgehoben werden, ausgehend von den Dynamiken der horizontalen Kommunikation, auf die die Macht keinen Zugriff hat?
    Gleichermaßen sehe ich in diesem wie in anderen mit dem Thema befassten Posts, dass es immer beschämende Thematiken sind und auch wenn sich sexuelle Praktiken aller Art, die sich den Anschein von Offenheit geben, ausbreiten, fällt es den Menschen schwer sie öffentlich zu kommentieren.
    Gesundheit und Sex für alle Leser! hehehe“

  3. Me entrometo para decirle a Natalia que me parece que sí, que sí está…, que es un contacto „humano“, a pesar de todo lo que pudiera argumentarse en contra de lo virtual.

    Cierto es que el artículo (en verdad prefiero decir relato, excelente relato) de Calcagno, está muy bien escrito, y constituye en muchos de sus fragmentos la reproducción de un encuentro a través del lenguaje que en Internet es tan azaroso como en la realidad. Escribí azaroso, no poco común. Sólo quiero decir que reproduce un „buen momento“, no algo que suele estar por ahí en cada rincón de chat de la Red. Por otro lado, no creo que los dispositivos de dominación y control se suspendan en una „comunicación horizontal“, puesto que tales dispositivos son „reticulares“, como dijo -escribió- el buen Foucault. Esto es, que andan a la buena de dios y escurridizamente reproduciéndose por doquier y especialmente a través del lenguaje, donde por cierto ensayar la horizontalidad es una tarea mayúscula…

    Otra vez. Excelente, qué digo, maravilloso texto, cuyo final digno de la mejor tradición del cuento corto.

    Lo recomiendo al instante a todos mis contactos y reproduzco link en mi blog.

    ¿Dónde puedo encontrar más cosas tuyas?

    Spandeutsch
    (Marcela):

    „Ich antworte Natalia, weil ich denke, dass ja, dass es das ist…, dass es ein ‚menschlicher‘ Kontakt ist, trotz all der Argumente, die man gegen das Virtuelle hervorbringen könnte.
    Wahr ist, dass dieser Artikel (in Wahrheit würde ich lieber von Erzählung, einer ausgezeichneten Erzählung) von Calcagno sehr gut geschrieben ist und in vielen seiner Fragmente die Reproduktion einer Begegnung durch das Medium der Sprache darstellt, die im Internet so gefährlich ist wie in der Realität. Ich habe den Begriff gefährlich benutzt, was nicht sehr alltäglich ist. Ich möchte hiermit nur sagen, dass er einen ‚guten Moment‘ reproduziert, nicht etwas, das in jeder Ecke eines Chats im Netz gefunden werden kann. Andererseits denke ich nicht, dass die Dispositive der Herrschaft und Kontrolle in einer „horizontalen Kommunikation“ aufgehoben werden, da solche Dispositive ‚netzartig‘ sind, wie der gute Foucault sagte – schrieb. Das heißt, dass sie sich auf gut Glück und schwer fassbar wo auch immer es ihnen gefällt und vor allem durch die Sprache reproduzieren, wobei es vor allem für die Sprache eine riesige Aufgabe ist, die Horizontalität einzuüben…
    Noch einmal: ausgezeichnete Erzählung, was sage ich, wunderbarer Text, dessen Ende der besten Tradition der Kurzgeschichte würdig ist.
    Ich empfehle ihn sofort allen meinen Kontakten empfehlen und stelle den Link auf meinen Blog.
    Wo kann ich mehr von deinen Texten finden?“

  4. Lizabel. Evidentemente no has caído en mi provocación foucaultiana. Bueno sería que se pudiese „suspenderse“ la dominación por el sólo hecho de liberar la palabra! Debo reconocerte que hay días en los cuales soy tan ingenuo que creo que éste espacio puede estar más allá de todo, como una nueva realidad humana, como si el único sostén de las condiciones materiales y simbólicas de dominación fuese la „prohibición“, el recorte de la realidad que la moral nos impone.
    Respecto al resto de mi material, llevo hace varios años algunos blogs en los cuales vierto casi compulsivamente mis desparejas y muchas veces malogradas poesías, y otro en el cuál transito por el terreno de la reflexión política y que está cambiando constantemente de registro, casi como su autor. Mis trabajos más ficcionales, los reservo todavía en archivos de word y no sé qué haré con ellos aún. Acá te paso mis blogs:

    http://calkuta.blogspot.com/ puemas

    http://www.calcagnocomolasagna.blogspot.com/ ensayo

    Realmente me siento sumamente halagado por tus palabras y desde ya que las agradezco con el pecho hinchado de alegría.

    Cariños

    Spandeutsch (Marcela):

    „Lizabel. Offensichtlich bist du nicht meiner foucault’schen Provokation erlegen. Es wäre schön, könnten wir die Herrschaft alleine durch die Tatsache aufheben, dass wir die Sprache befreien! Ich muss gestehen, dass es Tage gibt, an denen ich so naiv bin, dass ich daran glaube, dass dieser Raum vor uns liegt, wie eine neue menschliche Realität, als ob die einzige Stütze der materiellen und symbolischen Zustände der Herrschaft das ‚Verbot‘ sei, eine gekürzte Realität, die uns die Moral auferlegt.
    Bezüglich meines weiteren Materials habe ich seit mehreren Jahren einige Blogs, auf denen ich fast zwanghaft meine ungleichen und meist missglückten Gedichte ablade und ein anderes, auf dem ich das Terrain der politischen Reflexion durchlaufe und das dauernd das Register wechselt, fast wie sein Autor. Meine fiktionaleren Arbeiten bewahre ich noch in Word-Archiven auf und ich weiß nicht, was ich mit ihnen machen werde. Hier schicke ich dir die Links zu meinen Blogs:

    http://calkuta.blogspot.com/ Gedichte
    http://www.calcagnocomolasagna.blogspot.com/ Essays

    Ich fühle mich von deinen Worten äußerst geschmeichelt und danke dir mit einer vor Freude geschwellten Brust.
    Alles Liebe“