Die wunderbare, kurze Hepatitis von Litoscar Vzz

Die wahre Bedeutung der Intimität entdeckte ich eines Nachts, auf meinem Bett liegend, während ich an das Mädchen dachte, in das ich verliebt war, eine kleine Schickse aus Monterrey, die einen weinroten Fiat fuhr. Jahr: 2004. Musik: A ghost is born. Wilco waren zum Soundtrack meiner Momente der Einsamkeit geworden. Diagnose: Hepatitis B. Ich musste das Bett hüten: Wie eine Schwangere, der eine Fehlgeburt droht. Ich versuchte Glamourama von Bret Easton Ellis zu lesen, aber es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren. Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich mir diese verdammte Krankheit eingefangen hatte. Fährten? Drei.

Die erste: Jene caguama (1-Liter-Bierflasche in Mexiko), die wir auf der Brache von einem zum nächsten durchreichten. Jemand fragte nach einem Glas. Die Crew, markig, verspottete ihn als frisch gepelltes Weichei. Und wenn wir uns mit irgendeinem Scheiß gegenseitig anstecken?, insistierte er. Der dickste Typ von allen stieß hervor: Wer eine Abwehr hat, packt’s, wer nicht, ist jetzt schon am Arsch. Ich war sehr kränklich unterwegs. In Sachen Gesundheit war ich schon immer schwach auf der Brust, so wie „Laurence Harvey wurde schwach auf der Brust / in Servidumbre Humana / […] im Anblick von Kim Novaks Schönheit“ (Saúl Rosales dixit). Ich misstraue der caguama, weil einer der Drugos – so lautet unser Spitzname – blasser aussah als das Cover der Gelben Seiten.

Die zweite: Die Tacos mit suadero-Fleisch in La Joya. Eine Zeit lang ging die Paranoia um, dass jede Zwiebel in meiner Stadt mit Hepatitis verseucht war. Die Nachricht von San Agustín: Das Feuer purifiziert alles: stellte sich als falsch heraus. In meiner Freizeit, wenn ich gerade nicht, recht erfolglos, versuchte, an der Tastatur meines Computers zu glänzen, litt ich an Tacosucht. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich alle Taquerías meiner Stadt kenne. In manchen kann ich sogar anschreiben. Ich verdächtige die Tacos, weil die Portion, die ich mit extra viel Zwiebeln und Chili-Soße verschlang, den Beginn meines Debakels markierte.

Und drittens (und letztens): Die sexuelle Anziehung, die die kleine D verströmte. Ich lernte sie über das Internet kennen. Bis zu D hatte ich nie an diesen Schwindel der einsamen Menschen geglaubt. Ich zog zwei Wochen zu ihr. So sah unsere Routine aus: Sie stand um 9 Uhr morgens auf und zog ab zur Arbeit. Ich wachte gegen 5 Uhr nachmittags auf, wenn sie von der Arbeit zurückkam. Wir wälzten uns auf dem Teppich und fingen um 7 Uhr mit dem Biertrinken an. Sie leerte nur ein miserables Gläschen; was sie am meisten mochte, war Gras. Sie bewahrte eine Tüte mit zwei Kilo Gras in ihrem Kühlschrank auf. Ich stand da nie drauf, weshalb ich mich einfach neben sie setzte und ihr dabei zuguckte, wie sie ihren Joint baute. Wir wälzten uns noch einmal, und dann ging sie schlafen, da sie am nächsten Morgen zur Arbeit musste. Ich blieb die ganze Nacht lang wach, bis ich die 12 Liter Bier ausgetrunken hatte. D muss mich ein bisschen für einen Alkoholiker gehalten haben, aber nein. Ich habe Bier nie als Alkohol eingestuft. Jeden Tag versorgte mich D mit Bier. Kein einziges Mal hat sie mir etwas zu essen mitgebracht. Auch wenn ich Bier für ein Lebensmittel halte, ist doch manchmal eine Kartoffel nicht schlecht.

Während wir yorch zulegten, erzählte mir D von den Orgien, an denen sie teilgenommen hatte. Sie würden sich vor Lachen in die Hose machen, wenn Sie sie sehen würden. Sie war das unerheblichste kleine Ding der Welt, ohne Brüste und ohne Hintern und ein bisschen hässlich. Aber im Bett, kein mami blue, sie bewegte sich wie eine Cyborg-Sirene. Ich flüchtete aus Ds Wohnung, weil ich sehr viel Gewicht verlor. Ich habe immer ein Kondom benutzt, aber ich verdächtige D wegen ihrer promisken Rauscheskapaden, die sie mitbrachte. Und weil ich in jenem Lebensabschnitt am meisten kränkelte.

Da stand ich nun, ein Teil der Crew, am Boden, dabei, abzuleiten, wer verdammt mich so nieder gestreckt hatte. Du kannst die caguama mit deinen Blutsbrothers teilen, du kannst dem infektiösesten Tacoverkäufer der Stadt vertrauen, und du kannst nach dem Sex die pitoreskesten Geständnisse deiner Liebhaberinnen hören „Als ich klein war, hat mich mein Stiefvater betatscht, aber ich mochte das“, aber nicht die Leibspeise, nicht das Essen, nicht die fleischliche Lust verkörpern die Intimität wirklich. Es ist egal, wie viele Male du siehst, wie diese Frau sich vor dir auszieht, wie viele Male du mit ihr ins Bett gehst: Sie gibt dir gar nichts von sich. Die einzige, wahrhaftige Intimität liegt in der Beschädigung, die unabsichtlich zugefügt wird. Von Herzen gerne hätte ich in jener Nacht den Verantwortlichen meiner Bettlägrigkeit geküsst.

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Übersetzung: Anne Becker

3 Kommentare zu 'Die wunderbare, kurze Hepatitis von Litoscar Vzz'

  1. La Coronel sagt:

    pinky litoscar, cómo eres baboso…jaja

  2. Me interesa mucho el término „raza“… Sostiene una manera despectiva y al mismo tiempo solidaria o para decirlo mejor, un „entre nos“ de la jerga. Me fascina este fenómeno que acontece en el habla popular y donde no hay víctimas ni vitimarios, sino una especie de frontera movediza, deslizada, donde conviven ambos. Es la estrategia empírica del subalterno. Montar el performances del vocablo discriminatorio, subvirtiéndolo.

    Saludos desde La Habana

    Spandeutsch (Anne):
    Den Terminus „raza“ (Rasse; Slangausdruck für Crew, Clique, Anm. d.Ü.) finde ich sehr interessant…Er beinhaltet eine abschätzige und zugleich solidarische Form des Sprechens oder besser gesagt ein „unter uns“ des Jargons. Mich fasziniert dieses Phänomen in der Umgangssprache, wenn es keine Täter und Opfer gibt, sondern eine bewegliche, gleitende Grenze, wo beide zusammen leben. Es ist die gelebte Strategie des Subalternen. Sich der Performance des diskriminierenden Vokabulars zu bemächtigen und es dabei zu subvertieren.

    Grüße aus Havanna