Augenscheinlich sind mir Geschichten wichtiger als Geschichte, sonst wäre ich ja Historikerin und nicht Schriftstellerin geworden – doch Geschichte spielt immer eine entscheidende Rolle. Ob man es möchte oder nicht. Auch beim Schreiben.
Literatur würde ohne althergebrachte Sprache und Alphabet, die beide schon allein Beweis dafür sind, wie wir aus und mit der Vergangenheit leben, gar nicht existieren. Auch das Geschichtenerzählen selbst ist dem Betrachten historischer Zusammenhänge nicht unähnlich, schließlich muss der Autor herausfinden, was der Kern des Geschehens ist, was die Figuren getrieben hat, warum sie so handeln wie sie handeln, um am Ende aus diesen Einzelfäden das Handlungsnetz zu weben.
Doch das einfachste und offensichtlichste ist natürlich der Umstand, dass Geschichte die Menschen formt. Lange bevor wir geboren werden. Ich bin nur deshalb die Person, also die Autorin, die ich bin, weil die Geschichte meines Landes einen so massiven Einfluss auf das Geschick meiner Familie genommen hat – und damit auf mein Leben. Meine Großmutter verlor als junge Frau durch den II. Weltkrieg alles, was ihr bis dahin selbstverständlich erschien: ihre Heimat, ihr Elternhaus, fast alle Verwandten, die Freunde, die Orte ihrer Kindheit, ihren Dialekt. Mein Großvater, der in seinem vom Krieg völlig unberührt gebliebenen Heimatdorf einen kleinen Skandal verursachte, als er ein Flüchtlingsmädchen und keine Einheimische heiratete, starb 1967 im Alter von 42 Jahren unter bis heute ungeklärten Umständen in einem Stasi-Knast. Weder meine Mutter, die damals noch ein Kind war, noch meine Großmutter haben diesen Verlust jemals verarbeitet. Meine eigene Kindheit war vor diesem Hintergrund im Wesentlichen geprägt von Bewachung und dem Wunsch nach Freiheit. Dass ich eine höhere Schule besuchen durfte, verdanke ich ausschließlich dem Engagement einer mutigen Frau.
Selbstverständlich haben diese Dinge mich geprägt. Und mit mir prägen sie auch meine Geschichten. Niemand von uns fällt einfach so aus der Welt. Oder in sie hinein. Die unauflösliche Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit bildet den einen Raum unseres Daseins, in dessen Inneren wir uns ein Leben lang bewegen – und dem wir nicht entweichen können. Man versteht das Heute nur, wenn man es zusammen mit dem Gestern betrachtet. Das ist keine Frage von Interesse.
Estimada Claudia:
has hecho una valiosísima observación: „el autor deberá descifrar la Historia“. Por supollo, todos estamos obligados a revelar la Historia. Entonces ¿quién posee más autoridad sobre otro? Si al final todos nos vamos a disolver en la Historia, qué sobrevivirá como valor. ¿Acaso las viejas Historias del salvaje oeste? Tal vez sí, quizá somos una civilización que a pesar del interné jamás consiga ver el horizonte. Un saludos. Charles.