Wir sagen: Die fünfte Internationale kann nur im Netz entstehen.
Dort, wo Facebook der drittgrößte Staat der Welt ist, wo es keine Netiquette gibt, aber Nutzungsverträge, die niemand liest, wo Liebe wirklich immer ein Wort ist, wo Zustimmung nur einen Mausklick bedeutet, wo wir uns mit Unbekannten anfreunden und Bekannte entfreunden und wo das Dark Web von selbsterwählten Nerds und Hackern regiert wird, wo Nationalität, Hautfarbe und Geschlecht sich in HTML auflösen, sind wir Hyperlinks in einer hyperlinken Zeit.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann nur im Netz entstehen.
Innerhalb der Mauern der hyperlinken Zeit entwickelt sich die Utopie eines vormarxistischen Ursozialismus. Das hegelianische Fortschrittsdenken hat sich aufgelöst, die lineare Hoheitsbetrachtung der Geschichte hat abgedankt. Sich über die technische Revolution neu zu erfinden, bedeutet, flüssige Zeit- und Raumverständnisse zu vertreten. Zum Beispiel: am Berliner Schreibtisch bolivianisches Radio hören. Also muss heute jeder ein Anarchist sein. Denn das Internet bedeutet Freiheit, Unordnung, unkontrolliertes Sprechen und Schreiben, zumindest in seinem Idealzustand. Das freie Web lässt uns in kurzer Zeit einfach und schnell neue Ideen entdecken, Ideen, gegenüber denen es eventuell Vorurteile gibt. Gegebene Machtstrukturen werden durch diese Entwicklungen ernsthaft in Frage gestellt – die Reaktion darauf ist, dass im Namen von Sicherheit und Gerechtigkeit, Einschränkungen vorgenommen werden. Die Bullen sind schon da, aber wir fordern Wlan weltweit. Das Netz darf nicht kolonialisiert werden, es gehört allen.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann nur im freien Netz entstehen.
Vor allem sind wir im Netz sprachlich verfasste Wesen. Unsere Subjektivität stellt sich durch Worte und Bilder dar, in ästhetischen Entscheidungen, die sich auf kollektives Unterbewusstes beziehen. Die geheimen Sehnsüchte der Menschen treffen sich online.
Das Netz gibt uns die Möglichkeit, unsere eigene Minderheit weltweit maßzuschneidern, ständig vernetzt, oft allein, als Aktivisten für die Verbreitung von Inhalten. In der Anonymität unserer Avatare brauchen wir uns nicht an dominante Meinungen anzupassen – vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran, hoch, runter, lady bum. So können Stereotype eher gebrochen werden.
Daher ist das konsequenteste befreite Schreibverhalten das Schreiben von Blogs. Blogger sind bewusste Internet-Nihilisten. Ihre „zero comments“-Haltung ist eine positive Strategie für das Vorbeischreiben am Mainstream und am Verlagswesen der Bertelsmänner und Pinguine. Bertelsmannprodukte sollte man kennzeichnen wie Zigarettenschachteln. „Achtung: Die Pseudokultur, die wir verkaufen, kann ideologischen Schaden zufügen.“
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann nur in freien Räumen im Netz entstehen.
Wir sind umgeben von einer Ästhetik der Oberfläche. Das ist auch das Problem von linken Parteien und Institutionen, die sich auf eine oberflächlich-linke Ikonographie beziehen, die mehr der Nostalgie gewidmet ist als einem neuen Umgang miteinander. Hauptsache, Rot, Rot, Rot. Und mit Bart. Gerne auch ein Che-Guevara-Jutebeutel. Hammer und Sichel. Dabei ist das Arbeiterproletariat durch das Proletariat der Tastatur-Dienstleister ersetzt worden, die eher einem Chat auf Global English als einer Gewerkschaft beitreten würden. Doch wo ist die übernationale Lobby für die neuen Netzarbeiter? Wer kämpft für das globale Grundeinkommen von Freidenkern, die demokratische Strukturen aufrechterhalten wollen?
Das Internet muss als politischer und kultureller Ort aufgewertet werden. Es gräbt Klassiker aus und rettet sie vor dem Vergessen. Die Bibliothekare des Internets sind Kopisten, die ihre Lieblingstexte abschreiben, mit URLs versehen und der globalen Leserschaft schenken. Hyperlinke Autoren müssen sich stärker mit ihrem linken Stammbaum beschäftigen, auch mit dem Teil des Stammbaumes, der gezwungen war, Europa zu verlassen. Lateinamerika ist überfüllt von Anarchisten und Trotzkisten, zwei linken Minderheiten, die sich mit Kunst und ihrer Rolle in der Gesellschaft beschäftigt haben und die es nie groß in die Medien geschafft haben.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann nur durch Wissenskommunen entstehen.
Lasst uns über Trotzki reden. Er war einer der weniger Revoluzzer, die sich mit Kunst und Literatur beschäftigt haben. Ein Mann mit Bart. Und ein Exilant in Lateinamerika. Wir haben sein Haus im bürgerlichen Stadtteil Coyoacan in Megalo-Mexiko-City besucht. Seinen Bunker. Den Innenhof, in dem er Kaninchen und Hennen in Ställen züchtete, weil er glaubte, dass der revolutionäre Schreiber sowohl intellektuelle Arbeit als auch Handarbeit leisten müsse.
Die erste Bedingung für den Künstler ist die thematische Freiheit, um zu einer eigenen Ästhetik zu gelangen, schrieben Trotzki und Breton in einem gemeinsamen Manifest, das sie 1938 in Mexiko verfasst haben. Daher wird ein Roman, der den Untertitel „linker Roman“ trägt, als linker Roman scheitern. Das Andocken an eine linke Systemästhetik nimmt dem Kunstwerk seine ästhetische Eigenständigkeit. Wir müssen unterscheiden zwischen links als Label, als Aufkleber auf dem Fahrrad oder Auto, und zwischen hyperlinks als utopischem Aktionismus. Ein hyperlinker Autor ist der, der frei schreibt und als Mensch gerecht handelt. Freie Kunst wird von den orthodoxen Linken, die es in die Geschichtsbücher geschafft haben, nicht allzu sehr geschätzt.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann nur durch freie Geister im Netz entstehen.
Als freie Geister werfen wir uns tiefe Blicke zu, in denen sich die Gegenwart zur Unendlichkeit ausdehnt. Wir dürfen auch mal was Romantisches sagen. Die Zukunft, in der wir uns treffen, verläuft als kodierte Doppel-Helix, sie besteht aus unendlichen Kombinationen von Nullen und Einsen, Xen und Ypsilons. Die fünfte Sonne der Mayas fängt in diesem Jahr im Dezember an, ein neuer historischer Abschnitt beginnt. Es ist die Zeit gekommen, dass der hyperlinke Autor einen ganz neuen Menschen und neue Leserschaften erfindet, die sich über Grenzen hinweg organisieren. Sie alle brauchen Übersetzer, um plural und demokratisch zu bleiben, etwa wie Yoani Sanchez, die kubanische Bloggerin, deren Blog von Freiwilligen in etwa 20 Sprachen übersetzt wird. Trotzky sprach Spanisch mit russischem Akzent. Die neuen literarischen Netzaktivisten lesen und schreiben auch mit Akzent, sie sind fehlerhafte Mestizen mit vielen Augen und Sichtweisen.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale fordert: Benutzt „FREE GOOGLE TRANSLATE“.
Es müssen neue Tätigkeiten anerkannt werden: Statt Toto Lotto zu spielen, sollte jede Woche der beste Tweet mit 30.000 Euro ausgezeichnet werden. Aphorismen zu schreiben, ist hartes Brot. Wenn schon Facebook alle unsere Inhalte speichert und auswertet, sollte der Konzern auch ab und zu das beste Foto kaufen. Wer seine Lieblingsbücher einscannt oder abtippt und für die Netzbibliothek digitalisiert, verdient einen fairen Lohn. Genau wie Programmierer und Entwickler von freier Software. Wenn Trotzki heute im Exil wäre, würde er von Mexiko aus nonstop über alle Kanäle kommunizieren. Trotzki wäre ein durch crowdsourcing finanzierter Troll. Aber Trolling gegen eine Regierung ist schwieriger als man es sich vorstellt. Derzeit setzen viele Länder Facebook-Polizisten ein, die einzelnen Personen auf ihren Internetprofilen Drohungen hinterlassen, das ist für Bolivien, Venezuela, Iran so, in Spanien, Griechenland, Italien wird zur Zeit über ähnliche Maßnahmen diskutiert.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale wird von hyperlinken Trollen aufgebaut.
Hyperlinke Trolle handeln stets im Sinne der Gruppe, für die sie kämpfen und leisten Lobbyarbeit für hyperlinkes Gedankengut. Sie schreiben obsessiv über ein Thema, überall, wo sie können, auch wenn sie nicht dafür bezahlt werden. Sie sind provokant. Worte sind ihre Waffen. Sie verstecken ihr Gesicht nicht in einer Sockenpuppe, sondern stehen öffentlich zu ihrer Meinung. Sie reagieren impulsiv, sind kommerziell-unbewusst, nicht am Markt, sondern an Menschen orientiert. Daher ist eines der Grundgebote der hyperlinken Trolle das Teilen: Das ist die bessere Nächstenliebe! So bauen sich diese Einzeltäter textuelle Kooperativen auf, welche unabhängig und selbstständig Inhalte weitertrollen. Solidarität unter Trolls ist ein Muss, Gruppen-Trolling ist die revolutionäre Taktik.
Daher sagen wir: Die fünfte Internationale kann sich nur durch Gruppen-Trolling im Netz verbreiten. Deutschland, vergiss deinen Impfpass. Relajate y disfruta.