Kooperativa – Wilde Leser der lateinamerikanischen Literatur von Marvin Kleinemeier

Erst mit siebzehn habe ich zum ersten Mal ein Buch bis zur letzten Seite gelesen. Meine Begeisterung für die Literatur kam spät, auch wenn ich schon seit meinem sechsten Lebensjahr Journalist werden wollte. In der Frühphase dieses Wunsches bedeutete das für mich jedoch nur den kleinsten gemeinsamen Nenner mit “Superman” zu erreichen, den ein Mensch erreichen kann. In der Jugendredaktion einer westfälischen Tageszeitung entdeckte ich dann die wahre Lust am Schreiben, die von einigen Lehrern gefördert wurde. Zehn Jahre später blicke ich als freier Journalist auf 1000 Bücher in meinen Ikea-Regalen und meine eigene kleine “Geschichte des Schreibens und Lesens” zurück.

Die lateinamerikanische Literatur entdeckte ich durch “Das besetzte Haus” von Cortázar. Kurze Zeit später kam ich zu einem meiner liebsten Autoren, Reinaldo Arenas, den ich auch heute noch monatlich auf dem Schreibtisch habe. Es folgten die üblichen Verdächtigen: Borges, Casares, GGM, Onetti, danach streute es sich in alle Richtungen dieser vielschichtigen Literatur.

Im vergangenen Jahr rief ich die Webseite zwei666.de ins Leben, auf der wir in 2666 Stunden Roberto Bolaños Großwerk “2666” gelesen und besprochen haben. Schnell haben wir gemerkt, dass Bolaño ein Autor ist, der mehr zu bieten hat und auch einen sechsten oder siebten Blick auf die Texte noch belohnt. In den kommenden Jahren wollen wir nun helfen, den Autor Bolaño im deutschsprachigen Raum im Bewusstsein der Leser und Literaturschaffenden zu verankern. Dazu besprechen wir die Werke einzeln in Form des Blogs Wilde-Leser.de, informieren über aktuelle Veröffentlichungen und Veranstaltungen und vermitteln zwischen Verlagen, Journalisten und Lesern.

Auf Wilde-Leser.de hat sich dazu eine bunt gemischte Gruppe von Aficionados der Werke des chilenischen Autors Roberto Bolaño zusammengeschlossen. Der engere Kreis der Gruppe besteht aus knapp zehn Literaturbegeisterten unterschiedlichsten Alters. Darunter befinden sich Bibliothekare, Lehrer, Journalisten, Schriftsteller, Übersetzer und Buchhändler. Auch immer mehr Verlage unterstützen unser Projekt, das sich längst nicht mehr auf den Autor Bolaño beschränkt, sondern sich auch auf den ganzen Kontinent ausweitet. So konnten wir im Juli ein buntes Programm aus Interviews, Buchvorstellungen, Autorenportraits und Essays zum Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse zusammenstellen. Dieser “Argentinische Monat” war bisher unser größter Erfolg und hat uns viele neue Freunde und Leser beschafft. Im September wird es jedoch wieder mit Bolaño weitergehen. Sein Lumpenroman wartet darauf, von uns auseinandergenommen zu werden. Und dass sich das lohnt, daran zweifelt von uns mittlerweile keiner mehr bei den Werken des Chilenen. Auch bei diesem Projekt gilt wieder: Neue “Wilde” sind auf unseren Seiten immer herzlich willkommen!

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