Es ist ja nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Welt dreht sich, und nun dreht sie sich fortan fort von einem wunderbar geruhsamen Sommer zwischen Studium und Beruf, in den sich die Arbeit an diesem Blog biographisch hervorragend einpasste. Schon ist man Arbeitnehmer und Gewerkschafter, schon blickt man sorgenvoll auf das Konto und unsicher in die Zukunft, und schon findet man sich nicht mehr bereit, das reine Denken über das reine Denken zu betreiben, sondern fragt sich nur noch, welche der bestehenden Freundschaften, zu denen keine einzige interkulturelle zählt, trotz deutlich vermindertem Freizeitaufkommen fortgesetzt werden soll.
Man verblödet also und irgendwann wird man, wenn die eigenen Kinder einen als rückständigen, chauvinistischen Kleinstadt-Spießer mit null Sozialkontakten und der Weltgewandtheit eines Bielefelder Senioren enttarnen, auf diese goldene Zeit (weniger auf einzelne Texte) verweisen können und sagen: „Seht her, es gab Zeiten, da stand euer Papa mit der ganzen Welt im Austausch. Kluge Menschen aus Mexiko, Argentinien und Bolivien diskutierten mit ihm über nationale Historiographie und Fragen der Identität in einer beweglich gewordenen Welt.“
Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein sensibler Dolmetscher …
Wenn die Kinder halbwegs Hirn haben, fragen sie dann, was dabei rumgekommen ist – und bringen ihren Erzeuger damit in schwere Verlegenheit: Hat er sich denn etwa jemals für die anderen internationalen Blogger oder die Leser dieses internationalen Blogs interessiert? Nicht wirklich, auch wenn manches interessant und manches bedenkenswert erschien – letztendlich war die Kommunikation zu mühsam. Denn, so würde man in der Rückschau zugeben müssen: Zwar wurden die spanischprachigen Texte im Deutschen lesbar gemacht (und umgekehrt), doch für einen wirklichen mediengemäßen Dialog fehlten Geld und Technik.
Und wer weiß, vielleicht werden die Kinder, die ihren Vater für ein Fossil halten, den schon ganz selbstverständlich finden, wird er doch genau in dem Moment möglich, in dem Echtzeitübersetzungsmaschinen Chat-Beiträge derart gut in andere Sprachen übertragen, wie es jetzige Übersetzungs-Algorhythmen nicht einmal mit fixiertem Textmaterial ansatzweise vermögen. Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein Simultandolmetscher (ein guter, sensibler, einsichtsvoller mit einem Händchen für die stimmige Übertragung kultureller Codes), dann wird überhaupt so etwas Ähnliches möglich sein wie ein interkultureller Dialog. Dann irgendwann werden auch über Sprachräume hinweg Horizonte im Dialog verschmelzen können.
Manchmal möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen.
Bis dahin plagt man sich mit Substituten wie Weltsprachen: Wenn fünf Nicht-Muttersprachler um einen Tisch sitzen und Englisch parlieren, möchte man sehr laut gähnen, und wenn 20 Blogger und ihre Leser um ein Blog sitzen und trotz allen guten Willens nicht wirklich zueinander finden können, dann möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen. Was mache ich aus den spanischen Reaktionen zu meinen (in jeder Hinsicht sehr deutschen) Beiträgen über Schuldkultur, Auschwitz und deutsche Identität? Die Übersetzungsmaschinen können einem zwar eine Ahnung davon geben, was das verhinderte Gegenüber bewegt. Trotzdem bedeuten sie zugleich eine unsachgemäße Surrealisierung: Wenn da steht „leider, und mit allem Respekt, es gab nur einen Holocaust, der Grenze ein verdammt Jukebox, die nie aufhört, warum so blau sind unsere Ziele können wir nur beten, nach San Antonio, wenn Neal Cassady kam, hier zu sterben, um zu immigrieren“, dann mutet das zwar in höchstem Maße lyrisch an, trotzdem bleibt darüber hinaus eben nur eine Ahnung vom semantischen Inhalt und der Grenze zwischen den USA und Mexiko und das kann’s ja wohl nicht sein.
Freuen wir uns also auf eine Zeit, in der es keine Sprachen mehr gibt; in der Landessprachen nur noch gewohnheits- und neigungsmäßige Dialekte sein werden, die für alte Provinz-Spießer, wie ich dann einer sein werde, eine ansonsten gänzlich virtuell gewordene Grenze zwischen Virtualität und Realität markieren. Dass wir dann sentimental werden, steht außer Frage. Immerhin wird dann das, was hier versucht wurde, nichts Besonderes mehr sein. Die ungewohnte Zuneigung, die es speziell für einen jungen Autor deutscher Zunge bedeutet, von nichtdeutsch sozialisierten Lesern gelesen werden zu können, der faszinierte und befremdete Blick auf die Übersetzung der eigenen Texte, den wird es nicht mehr geben. Alles wird Alltag sein, die Superdemokraten waren ein Fest. Danke dafür!
Ich träume auch von dem Tag, wenn alle Menschen eine Sprache sprechen können, so wird es bestimmt leichter. Toller Artikel! Grüße!
Hola pensé que la idea de los superdemocráticos era poner los posts en 2 idiomas, pero si existe una manerma me gustaría saber cuál es….?Pues llegué a la página por un artículo de Lena, que estaba en español y traducido al alemán…(Formulario), entonces quería leer más artículos de ella, y de otros autores, pero están solo en alemán….y arriba solo aparece la opciónde inglés….
hola maluigi, todos los posts son en aleman y espanol. por favor cliquear el ¿ y todo la pagina es en espanol. besos, nikola
gracias….