Zum ersten Mal seit überhaupt haben mich Freunde in Argentinien in letzter Zeit darauf angesprochen, was in Deutschland los sei und dabei gelächelt: „Na, werdet ihr jetzt Bananenrepublik?“
In den letzten Jahren hatte sich hier niemand so richtig für innerdeutsche Probleme interessiert, warum auch. Wenn etwa Berichte über die Wirtschaftskrise in Deutschland kamen, wurden sie A) nicht ernst genommen oder B) belächelt („na, seht ihr, so fühlt sich das an!“). Auch ich selbst nehme mich da nicht aus. Zu oft musste ich mir arrogante Bemerkungen anhören, wenn ich aus Südamerika berichtete: „Tststs, was da nicht alles los ist, in diesen Ländern, da unten im Süden.“ Immer mit dem Unterton: „UNS könnte so was ja nicht passieren.“
Jetzt sammeln meine Freunde plötzlich Zeitungssausschnitte und bringen sie mir mit: Ein Präsident tritt beleidigt zurück. Ein Tintenfisch als Zukunftsorakel. Der Euro in Gefahr. Korruptionsskandale um Ferrostaal und Siemens. Man kann Demonstranten mieten und Führerscheine kaufen. Das Unglück in Duisburg bei der Loveparade – Veranstalter verkalkulieren sich um ein paar Hunderttausend Gäste, Menschen werden tot getrampelt. Deutschland klaute einst die Nofretete und will sie behalten. Über 30 Jahre alte Atom-Reaktoren dürfen weiter laufen (obwohl sich vermutlich 98% der Deutschen weigern würden, ein 30 Jahre altes Auto zu fahren, weil es keinen Airbag hat).
„Na, was ist das los in Deutschland?“ fragen meine Freunde amüsiert. Ich muss sie enttäuschen. Deutschland wird niemals eine Bananenrepublik. Eine Bananenrepublik liegt im Süden, ist voll von exotischer Schönheit, ein bisschen korrupt und wenig ernsthaft. Deutschland wird nie im Süden liegen und das mit der Exotik, das kriegen wir nicht hin.
Welcher Aspekt dominiert mein Leben? Mir fallen viele Antworten ein, doch ein Aspekt ist allen gemein: Die Abwesenheit. Wie ein Pop-up, das man dann wieder wegklickt, tauche ich im Leben meiner Freunde in Deutschland und auch in Argentinien auf. Wann bin ich schonmal länger als drei Wochen am gleichen Ort? Wenn ich nach Buenos Aires zurückkehre von einer Recherche, bin ich oft da und nicht da. Ich sperre mich dort ein, zum Arbeiten, gehe nicht ans Telefon. Ich bin so frei wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Und doch gefangen von der ständigen Abwesenheit die das unmöglich macht, was das Leben ausmacht: Momente mit anderen zu teilen. Gute und schlechte. Die Abwesenheit hat Freundschaften zerstört, eine Liebe. Es ist eine Klage, die viele nicht verstehen, denn ich führe ein Leben, das sie gerne hätten (ich wollte es auch und manchmal kann ich gar nicht glauben, dass dieses Leben meins ist). Aber sie vergessen, dass es ein Lebensentwurf ist, der nur ein unzertrennliches Paar zulässt: einen Mensch und seinen Laptop.
Die Abwesenheit hat mich fest im Griff, das Hub des fehlenden Alltags sind Nicht-Orte wie Flughäfen. Dort schalte ich auf Stand-by und lasse beide Gefühle zu, die ein unstetes Leben auslöst: Hochgefühl und Melancholie.
¿Será entonces Alemania una república manzanera? ¿o duraznera? Por el pulpo se comienza! 🙂
Un abrazo para tu ausencia!
Los no-lugares son espacios donde una puede sentir qué ha quedado de la experiencia de los lugares-lugares, esos que están ya codificados con sensaciones nuestras afectivas. El país es un lugar-lugar, sobre codificado en realidad, sobre-codificado en serio, pero vale la pena vivenciarlo de vez en vez como un no-lugar, como un sitio de tránsito entre lugares… Y ahí dejar entrar „la melancolía y la euforia“… Y la incertidumbre.