Immer ging es ums Sparen. Mit dem Eintritt in die Grundschule bekam ich ein Sparkonto, ein rotes Buch, in das ein Schalterangestellter per Hand den Kontostand eintrug, auch schob er mir das komische Knax-Heft zu. In diesem unlustigen Comicmagazin luden mich die strubbeligen Freunde Didi und Dodo ein, total viel Spaß zu haben – und zu sparen. Zu jedem Schuljahr und Geburtstag zahlten meine Großeltern eine runde Summe ein, und so wuchs die Zahl mit den Jahren. Wofür ich sparte, wusste ich eigentlich nicht. Ich hatte alles: eine Schaukel im Garten, eine japanische Kirsche zum Draufklettern, eine Schwester, irgendwann auch die Maus Mickey als Haustier. Für sie mussten wir Futter kaufen und Streu, aber dafür reichte das Taschengeld, das wir pro Woche bekamen. Dafür hatte ich („Sparen, Sparen, Sparen…“) einen Plastik-Tresor bekommen, mit Zahlenschloss, einen Hochsicherheitstrakt gegen die Diebe, die Einbrecher, die Kriminellen, die in unserem Haushalt ihr Unwesen trieben.
Wir sparten aber nicht nur Geld für Mäusefutter, sondern vor allem auch die ominöse unsichtbare Macht namens Energie. Nachdem in Tschernobyl ein Reaktor explodiert war, nachdem eine unsichtbare Wolke unsere von der Ukraine weit entfernten Pilze und Milch verstrahlt hatte, ging es so richtig los mit dem Sparen: Kurz-Klospülung, Wasser nicht beim Zähneputzen laufen lassen, Klopapier aus Altpapier, Reste-Essen, Plastik-, Glas-, Biomüll trennen, Licht aus beim Verlassen der Wohnung, Geräte nicht auf Standby stehen lassen. Deutschland wollte zu den Guten gehören. Seit neuestem, seit 2011, gibt es in Deutschland an einigen Orten eine so genannte Wertstofftonne, hier können ganze Elektrogeräte untergebracht und damit „gespart“ werden: Toaster, Handys, Elektroschrott. Bis 2020 will man 65 Prozent aller Abfälle aus Privathaushalten und 70 Prozent aller Bau- und Abbruchabfälle verwerten. Das nennt sich „urban mining“. Die Abfallhändler kommen wieder, die ihren mit städtischen Rohstoffen beladenen Karren durch die Straßen ziehen. Derzeit tun das in Berlin nur die Flaschensammler, die den Bier-Pfandflaschen der Party People auflauern, in Parks, auf Bänken, am Kanalufer. Nachts höre ich sie ihre vollen Einkaufswagen unter den Laternen parken und ihre Beute zählen. Es klirrt. „Die Grenze zwischen den Menschen verläuft zwischen denen, die Flaschen sammeln, und denen, die sie wegwerfen.“ (Zitat Flaschensammler). Letztes Jahr berichtete der Journalist Uwe Ebbinghaus in der Tagesszeitung FAZ vom Flaschensammler Friedhelm W., der sich vom Sammelgut eine Bahncard 100 finanziert. Damit gehört dieser Zug-Nomade zu einer Elite von landesweit 35.000 Menschen, die sich dieses Dauer-Zugticket für 350 Euro monatlich leisten können. Ein Traum: fahren, wohin man will, wann man will, ohne ein Ticket lösen zu müssen. Durch das Sammeln von Leergut erschafft sich Friedhelm eine unbegrenzte Mobilität. Unabhängigkeit. Einen Status zwischen Obdachlosigkeit und Wohnung. Eine eigene Natur.
Statt also den Verlust der Natur zu beklagen und auf die Suche nach aussterbenden Rotkehlchen zu gehen, wie der Schrifsteller Andreas Maier, könnte es produktiver sein, über die eigene zivilisierte Natur nachzudenken. Ist Deutschland, mit Anti-Atomkraft-Demos und erstem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann ein moralisches Land geworden, wie Georg Diez fragt? Ich glaube nicht. Aber das schlechte Gewissen, das uns Sparern über Jahre hinweg eingetrichtert wurde, hat uns eingeholt. Daher plädiere ich dafür, vom Sparen zum Sammeln zu wechseln. Weg vom beklemmenden Diskurs des Nichthergebenwollens zum befreienden des Schaumalwasichhab. Dieses gilt es zu beschützen. Die europäischen Gewässer etwa sind in den vergangenen 20 Jahren sauberer geworden, man kann wieder in vielen schwimmen.
Ressource kommt vom Lateinischen „resurgere“, hervorquellen. Ungenutzte Energien gibt es genug. Kühlen ist schwieriger als heizen. Das haben wir gerade in Fukushima gesehen.