wikipedia – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Broken floor tiles http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/broken-floor-tiles/ Wed, 11 Aug 2010 09:11:24 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=772 I live in the middle of History, and even though South Israel’s fields shine with that very same gleam that fresh sprouted crops have, the Earth still keeps ancient secrets. Some weeks ago, we went for a walk with the kids, we wanted to see ducks in a wild lagoon just in between farming fields, and we found broken floor tiles. They were old, but not that old. I thought they could be an archaeological find, but my husband took me back to the truth: they couldn’t be very old, they were just lying on the ground as cracked layers, as granite pieces. A broken history on a thick lake’s bank. Years ago, 60 or even more, there was a small Arab village in this area. The oldest man from our Kibbutz tells us that the neighbours of that village got scared and run away afterwards Israel was founded as a country. However, the broken floor tiles seem willing to yell, that the exodus was not really peaceful.

Nobody hears here anymore the voices of Burayr, that devastated village. Some elderly just repeat the official version, convinced by the power of being able to back it up with bibliographic quotations. A few just talk, ashamed, about a vague trip of 5 men, with rifles, in fact young boys scared to death. The new Israeli historians state that the inhabitants of that village were undoubtedly expelled with violence. The broken floor tiles that we found in our country walk seem to corroborate that. But the story of the young men scared to death is there, too.

I read in Wikipedia that the village was Israeli and its name, then, was Beror Hayil. Afterwards, changed its name and owners: Burayr, Buriron and once again, Beror Hayil. Each one of those changes meant a conflict, with their own broken floor tiles. I believe in Wikipedia as much as I believe in History: knowing that facts are shifting, built up, altered. History is just a play dough that everyone shapes into their own wishes. A millennial Wikipedia, always re-written from the winners. The same winners that were before defeated. The same defeated that will be victorious.

If something can be learned from hackneyed history, is: everything that is today a certainty tomorrow will become a deep lake, doubtful and surrounded by a trail of violence. I ask myself shivering, if this kibbutz will keep changing its name. May a family in their weekend walk ever find these houses’ floor tiles?

Translation: Ralph del Valle

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Geschichte? Nein danke, wir haben schon eine. http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/geschichte-nein-danke-wir-haben-schon-eine/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/geschichte-nein-danke-wir-haben-schon-eine/#comments Tue, 13 Jul 2010 16:07:22 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=415 Die Frage der Blogmacherinnen diese Woche: Ob Geschichte wichtig für uns ist.

Die Geschichte lag seit zwei Wochen im Regal für Sonderangebote. Zuerst stand neben ihr das Duschgel, für 99 Cent, doch das war bald aus. Dann kamen die Erdnüsse, fein gesalzen, ohne Schale, für 50 Cent. Als das letzte Päckchen gekauft wurde, rief es der Geschichte noch zu: „Ver-sa-ger!“ Die Geschichte war traurig und beschloss zu gehen. Wenn niemand für sie bezahlen würde, würde sie sich eben verschenken. Sie klopfte bei Müller, Angermeyer, Huber und bei Fried. „Nein danke, wir haben schon“, sagten die Menschen ohne zuzuhören. Und was sie nicht wüssten, könnten sie ja bei Wikipedia nachsehen, sagte der Sohn von Fried. Woher er denn wüsste, dass da die Wahrheit stünde? Der Junge schaute verwirrt, dann sagte er: „Ich google einfach alles und was mehr Treffer hat, ist richtig.“

Mit Herodot war die Geschichte noch klar gekommen. Aber jetzt wollten einfach zu viele mitschreiben. Die Wikipedia-Administratoren, Guido Knopp in Deutschland und Felipe Pigna in Argentinien, Tausende von Bloggern und Twitterern. Gegen die CIA hatte sie schon lange verloren, das wusste sie, und seit „Inglorious Basterds“ auch noch gegen Tarantino. Aldo The Apache, der Nazijäger, würde schon bald in den Schulbüchern zu finden sein.

Alles stand im Internet, aber niemand wusste irgendwas. Die Geschichte war erbost. Sollten sie doch. Sollten sie doch untergehen mit ihrem Finanzsystem, erinnerten sie sich denn nicht an die Tequila- und die Argentinien-Krise? Sollten sie doch sinken mit ihren Öltankern, erinnern sie sich nicht an die Titanic? Diktaturen, Menschenrechte, Kriege. Das war jetzt nicht mehr ihr Problem. Sollten die Menschen doch alle Dummheiten wiederholen, wenn sie es unbedingt wollten.

„Die Geschichte ist der beste Lehrer mit den unaufmerksamsten Schülern“, hatte Indira Ghandi einmal über sie gesagt. Darauf war sie heute noch stolz. Sie brauchte die Menschen nicht, die Menschen brauchten sie.

Noch immer kochte die Geschichte vor Wut. Aber sie war besonnen genug, um zu erkennen, dass sie über die Jahrtausende hinweg den gleichen Fehler begangen hatte. Sie war zu spät gekommen. Jedes Mal. Wie oft schon waren Menschen gestorben, wenn sie ankam. Dabei war sie auf ihre alten Tage sogar schneller geworden. Die US-Truppen waren gerade erst im Irak gelandet, als schon bekannt wurde, dass es die Massenvernichtungswaffen dort nie gegeben hatte.

Die Geschichte beschloss, in Ruhe nachzudenken, wie sie weiter vorgehen sollte. Sie machte das I-Phone aus, setzte sich in den Schaukelstuhl und wärmte sich die Hände an einer Tasse Lindenblütentee. Gemütlich, aber mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Wieder würde sie ankommen, wenn alles schon vorbei war. So war sie eben.

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Zerbrochene Fliesen http://superdemokraticos.com/laender/israel/zerbrochene-fliesen/ http://superdemokraticos.com/laender/israel/zerbrochene-fliesen/#comments Thu, 08 Jul 2010 07:21:32 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=336 Ich lebe im Zentrum der Geschichte, und obwohl auf den Feldern frisch ausgetriebene Saat glänzt, bewahrt die Erde sehr alte Geheimnisse. Vor ein paar Wochen machten wir mit den Kindern einen Ausflug, wir wollten Enten angucken gehen an einem wilden Weiher mitten in den Obst- und Gemüsefeldern, und wir fanden zerbrochene Fliesen. Sie waren alt, aber nicht so alt. Ich dachte, es handelte sich um einen archäologischen Fund, aber mein Mann holte mich in die Realität zurück: Sie konnten nicht so alt sein, sie befanden sich schließlich auf der Erde wie ein kaputter Boden oder Stücke Granit. Eine zerbrochene Geschichte am Ufer eines dickflüssigen Sees. Vor über 60 Jahren gab es in dieser Gegend ein arabisches Dorf. Der älteste Mann aus dem Kibbutz, in dem wir wohnen, berichtet, dass die Bewohner des Dorfes sich erschraken und ganz von alleine die Gegend verließen nach der Staatsgründung Israels. Die zerbrochenen Fliesen, jedoch, scheinen einem entgegen zu schreien, dass der Exodus nicht so sanft gewesen ist.

Hier hört niemand mehr die Stimmen von Burayr, dem verwüsteten Dorf. Ein paar Alte wiederholen die offizielle Geschichte mit der Überzeugung derjenigen, die sich auf bibliographische Angaben stützen können. Ein oder zwei erzählen mit Scham von einer nebulösen Exkursion von fünf Männern mit Gewehren, oder eher Jungs in Todesangst. Die neuen israelischen Historiker behaupten felsenfest, dass die Bewohner dieses Dorfes gewalttätig vertrieben wurden. Es könnte so aussehen, als würden die zerbrochenen Mosaike, die wir auf unserem Ausflug aufs Land finden, dies bekräftigen. Aber dann gibt es da noch die Geschichte von den zu Tode verängstigten Jungen.

Ich lese auf Wikipedia, dass jenes Dorf einmal jüdisch gewesen ist und Beror Hayil hieß. Später wechselte es seinen Namen und seine Hände: Buraryr, Buriron und noch einmal erneut Beror Hayil. Jedem dieser Wechsel ging ein Konflikt voraus, mit seinen jeweiligen zerbrochenen Fliesen. Ich glaube Wikipedia in der selben Art und Weise, wie ich der Geschichte glaube: wohlwissend, dass die Tatsachen beweglich, konstruiert, verformt sind. Die Geschichte ist eine Knetmasse, die jeder nach seinem Belieben zurecht formt. Ein uraltes Wikipedia, das immer wieder von den Siegern neu geschrieben wird. Die Sieger, die vormals die Besiegten gewesen waren. Die Besiegten, die später die Sieger sein werden.

Wenn man irgendetwas von der viel betatschten Geschichte lernen kann, dann, dass all das, was heute eine Gewissheit darstellt, morgen ein tiefer Weiher voller Zweifel sein wird, umgeben von den Spuren der Gewalt. Ich frage mich und mich überkommt Schüttelfrost, ob dieser Kibbutz weiter seinen Namen wechseln wird. Werden womöglich die Fliesen von diesen Häusern in vielen Jahren von einer Familie auf einem Sonntagsausflug gefunden werden?

Übersetzung: Anne Becker

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