Übersetzung – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Spanisch verstehen http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/spanisch-verstehen/ Wed, 21 Mar 2012 10:57:00 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=6316 Unsere Übersetzerinnen der Agentur In-Kult ziehen ein Fazit: Übersetzungsschwierigkeiten, Herausforderungen, Ansprüche und Fehlerteufel beim Hin und Her zwischen den Sprachen Spanisch und Deutsch.

In einem fremden Land lernt man mit vielerlei Dingen zurechtzukommen, ohne sie nachvollziehen zu können. Man weiß wie das System funktioniert, oder wie es gerne funktionieren würde. Man lernt nette Gesten und nicht ganz so nette Gesten voneinander zu unterscheiden. Man lernt Ironie zu verstehen und Witze zu kapieren. Aber es werden immer genug Dinge übrigbleiben, die einfach komplett unbegreifbar sind. Wenn man als Übersetzerin arbeitet, setzt man sich damit auseinander, mit den verschiedensten Ausdrücken, Sätzen oder Wortspielen, die ungefähr zwei Seiten Erläuterung benötigen würden, um sie in all ihren Bedeutungen übersetzen zu können.

Natürlich, das ist die Essenz einer Sprache, und genau darum geht es: zu übersetzen, aber es gibt immer wieder Sätze, die wesentlich weiter vom Original entfernt sind als andere. Hier sind ein paar Beispiele, die wir bei der Übersetzung der LSD-Texte durchlebt haben:

„La felicidad“, man hört es in fast jedem spanischen Lied. Bekannt, aber unübersetzbar bleibt dieses Wort für uns, weil wir uns jedes Mal für ein Teil seiner Bedeutung entscheiden müssen. Glück, Glücksgefühl, Glücklich-Sein, aber als eigenständiges Substantiv. „La felicidad“ ist ein Lebenseinstellung, ein Lebensziel… das oberste Ziel des Lebens sogar, und Glück scheint im Deutschen eher zufällig und vorübergehend.

So wie wir es in Deutschland ganz oft vermeiden müssen, einige hier rassistisch konnotierte Ausdrücke zu benutzen, wegen der Vergangenheit, der Geschichte, werden in einigen Länder in Lateinamerika solche Wörter so leichtfertig benutzt, dass man Bauchschmerzen kriegt, und das ebenfalls wegen der jeweiligen Geschichte. Nach der Kolonialisierung und allen Unabhängigkeitskriegen werden einige Wörter wie „Schwarz“ oder „Rasse“ sogar in einem positiven Sinn benutzt. „Negrito“, „Schwärzchen“, kann ein liebevoller Kosename sein und ein „escritor de raza“ ist weniger „Rassen-Schriftsteller“ als ein Schriftsteller aus Berufung.

Soziale Zusammenhänge, die einige Witze, Ironie oder einfache Beschreibungen ausmachen, müssen für den Leser bekannt sein, um alles verstehen zu können. Die Frage, die sich uns immer stellte, war: Inwieweit kann man einen interessierten, gebildeten Leser voraussetzen, ohne einen zu elitären Anspruch an die Leserschaft zu haben? Vielleicht kennen die meiste deutsche Leser des Blogs Borges, aber kennen sie auch Cortázar oder Facundo Cabral? Wissen sie von der Herkunft Evo Morales‘ oder warum er immer diese Ponchos trägt? Wie weit müssen wir ausholen, um einen Piropo verständlich zu machen? Haben die argentinischen Leser von dem Guttenberg-Skandal gehört? Oder die kolumbianischen Leser schon etwas über Hartz VI gelesen? In einem Blog ist es ja möglich immer ein Link zu setzen, aber müssen wir dann die Leser so behandeln, als ob sie nicht selber recherchieren können?

Es ist immer schwierig, zwei Welten zusammenzubringen, zwei Sprachen, mit all ihren Dialekten, Soziolekten und Feinheiten, aber dass ist die Aufgabe, der wir uns als Übersetzerinnen gestellt haben. Die Dynamik eines Blogs, technische Schwierigkeiten, internetfreie Zone, der Zeitdruck einer Live-Berichterstattung wie von den beiden Buchmessen – Frankfurt und Guadalajara – und der Stil einiger Autoren waren die besten Freunde der niedlichen, kleinen Fehlerteufel. Dennoch haben wir uns über Ozeane hinweggesetzt, Diskurse über-setzt und mit „Los Superdemokraticos“ und dank dem Internet zeitgenössische Autoren aus Lateinamerika und Deutschland so zeitnah und interaktiv zusammengebracht, wie es vorher noch nie der Fall war.

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in falsches Deutsch… http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/in-falsches-deutsch/ http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/in-falsches-deutsch/#comments Tue, 09 Nov 2010 13:44:44 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3189 Gestern der Froschkönig war von dichter überfühlt, die Stimmung war sehr schön, das Publikum war zufrieden. Es war die schönste Abend von Los Superdemokraticos.es war genau die Stimmung von los superdemokraticos, nur ein Beispiel davon was Nikola und ich veranstalten wollten als unsere Partei gegründet worden. Wir sind nah gekommen und wir wollen uns an alle Dichter und Dichterinen bedanken, die gestern gelesen haben. Indirekt sind viele Projekte anwesend gewesen, ohne die hätten wir die Übersetzungen nicht gehabt. Also vielen Dank an die Literaturwerkstatt, an Lettrétage, an lauter niemand, an Metropolis, an Latinale, an alle. Auch ein besonderes danke schön an unsere Übersetzerinnen Anne Becker und Barbara Bauxbaum für die Moderation.

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Wenn ein Gedicht reist, ist es nun hier dank dieser immateriellen Fabrik, und unsere Partei steht da für gleichberechtige Arbeitsverhältnisse… Heute im Iberoamerikanische Institut um 19 Uhr, sprechen wir über kulturelle „soziale Bewegungen“ im Netz, bloggen, schreiben und leben mit René Hamann, Lina Meruane, Alan Mills und Ezequiel Zaidenwerg. Wir wurden uns an euch wieder zu sehen sehr freuen…

Saludos Superdemokraticos!

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Und schlussendlich wird man von einem Schwanzlurch-Besitzer als Domina gedacht! http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/und-schlussendlich-wird-man-von-einem-schwanzlurch-besitzer-als-domina-gedacht/ http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/und-schlussendlich-wird-man-von-einem-schwanzlurch-besitzer-als-domina-gedacht/#comments Thu, 04 Nov 2010 13:05:33 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3146 Es war hart und atemstockend, aufregend und heiß.

Fünf Monate fremde, unbekannte Texte übersetzen, bearbeiten, ermahnen, „bloggen“ – die für mich neue Technik. Ich kann sagen, ich habe gelernt. Sehr viel sogar.

Wireless, unter tunesischer Sonne, am Pool, fand ich es cool, zwischen bodenständiger Bespaßung behinderter Menschen komplexe kubanische Beiträge für Los Superdemokraticos zu übersetzen. Als ich dann in der Mitte des inexistenten Sommers an der Ostsee immer wieder die Frage hörte: „Wie, du willst jetzt noch arbeiten – nachdem du von acht Uhr morgens bis elf Uhr Nachts Gruppen von 14 Leuten koordinierst, und wir den ganzen Tag Achterbahnfahren waren?“, da wurde es härter. Allabendlich über dem Laptop einzuschlafen, ist eigentlich nicht mein Style.

Die wahre Herausforderung, mein persönliches reto, durfte ich in Ungarn erleben. Plattensee, Nebensaison, Deadzone: estaba jodida. Ich habe gelernt, wie lange man an einem Wort hängenbleiben kann, dessen Bedeutung man eigentlich zu kennen glaubte. Wie schwer das Alphabet doch ist, wenn man wieder old-school mit Wörterbuch arbeiten muss. Während die maximal fünf Menschen, die in diesem Ferien-Ort aus widrigen Umständen, wie den unsrigen, noch bleiben mussten, schliefen, und ich mich nachts, heimlich, aus dem Haus schlich, die Horror-Szenario-Kulisse einer Allee passierte, über vom Sturm entweihte Äste fuhr und versuchte, den hoffentlich katzenartigen Gestalten, deren Augen aus dem Dunkeln hervorglühen, auszuweichen.

Das alles nahm ich nur deshalb auf mich, um zu einem Hotel oder der ungarische Version von Paules Metal-Eck zu gelangen, in dem es Internet – Trommelwirbel: Wireless – gab. Dort versuchte ich, innerhalb der 18 Minuten, die mir mein Akku aus dem letzten Jahrhundert schenkte, einen Text im Sinne der Herausgeber_innen hochzuladen. Si, ya aprendí, dass diese Art der Arbeit doch schwerer ist, als ich sie mir vorstellte. Obwohl die Globalisierung, so der Axolotl, doch fortgeschritten sein müsste, und Europa, der alte Kontinent keinen Dschungel hat, in dem man Funklöcher erwarten könnte; obwohl die Virtualität den Alltag dominiert, gibt es sie, die Freiheit vom Internet – gut oder schlecht sei dahin gestellt. „Arme“, webunbelastete Landschaften existieren und da gibt es auch Menschen! Und sie wissen nichts von der Sucht, der Abhängigkeit, dem vermeintlichen Wohlstand und Luxus, alles googlen zu müssen und ständig mit allen auf Skype kommunizieren zu können. Dort, mitten im „Herzen“ Europas, in Ungarn, Mallorca, Friedrichshain, kommt manchmal die Surrealität der virtuellen Realität nicht an.

Gleichermaßen wird mir die Abhängigkeit bewusst, die Sinnfrage ist impliziert und verschwindet mit dem nächsten Schuss, nein, Klick!

Und dennoch wiegen mich die schönen Momente, die Freude, die mich erfüllt, wenn es doch – fast zufällig, schicksalshaft passt, das Wort, der Satz, der Sinn. Der Klick auf „Speichern“ und die Gewissheit: Wieder einmal konnte ich, ja ich, helfen, dass sich Menschen, die sich sonst nicht verstehen würden, die sich nie gesehen haben, nie sehen werden, nie interagiert hätten, vereint fühlen, in Lyrik und Prosa. In Tiergeschichten, Fragebögen und Marionettenspielen. Und ich erinnere mich an die Menschen, die mich begleitet haben, meine In-Kultas, denen ich nicht genug danken kann. An die Schwere der deutschen Sprache, die plump auf alles Sinnliche reagiert, unwissend in questiones de entregarse havariert, die Armut beweist, bei soziolektischen Lebensweisheiten wie pinche, son oder guey, und die einfach kein glückliches Wort für felicidad hat, vielleicht ist sie schon glücklich, wenn sie denn glücklich ist – was braucht man da schon ein Substantiv?

Wörter sind Kunstwerke, die richtige Wortauswahl ist eine Kunst, ganze Sätze sind ein Wunder! Egal in welcher Sprache, immer, wenn der Inhalt transportiert werden kann.

Eine wundervolle, Realitäten übersetzende Poetin sagte einmal: Ich hätte gerne einen Bildschirm auf meiner Stirn, damit ihr seht, was ich denke, was ich fühle und damit ihr es genauso sehen und fühlen könnt. Dem kann ich mich nur anschließen und hoffen, dass dieser Bildschirm irgendwann erfunden wird, kultur-, grenz- und sprachübergreifend!

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Auf die eigene Stimme verzichten http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/auf-die-eigene-stimme-verzichten/ http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/auf-die-eigene-stimme-verzichten/#comments Wed, 03 Nov 2010 15:15:57 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3110 Vier Monate lang war ich ein Architekt der Wörter. Ich war mir dessen natürlich nicht von Anfang an bewusst: eine Besprechung Ende Mai in einem Berliner Café, ein Projekt, das noch in den Kinderschuhen steckte, die Gründungsversammlung von den Superdemokraten, während der Arbeit und Autoren an Menschen verteilt wurden, die mir bis dahin unbekannt waren, Weizenbier und gelegentlich eine Zigarette. Chronogramme, Nachnamen, die Monatsthemen, Postadressen, Protokolle, Abgabefristen.

Und ein immenses Brachland, das bebaut werden konnte.

(Es sollte nicht das einzige in diesem Sommer sein. Aber das erfuhr ich erst später.)

Von diesem Tag an begann ich – ohne es zu wissen – meinen Beruf umzustrukturieren. Seit 10 Jahren bin ich Söldner der Wörter. Redakteur nennen sie das. Fernsehredakteur, Redakteur von Werbung – weil man die Wahrheit verschleiert, wird es kreativ genannt –, Online-Marketing-Redakteur, Redakteur von Inhalten. Wie alle Redakteure verkleiden wir unseren Stand mit dem Wunsch, Schriftsteller zu sein. Dem Wunsch, diesen Roman, der voller Ekel in einer Schublade neben unzähligen Ablehnungen von Verlagen schläft, zu veröffentlichen. Ablehnungen von Verlagen, die sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, ihn aufzuschlagen. Briefe voll leerer Worte. Immer wieder die Worte.

Von Juni an verwandelte ich mich in einen Architekten. Unbeabsichtigt. Zuvor hatte ich Nichtigkeiten und formlose Romane, Artikel und Sätze übersetzt: jener Teil vom Universum, der mir entsprach; und über meinem Kopf hingen die Worte eines toten Mannes. Stefan Zweig, der neben seiner eigenen fünf weitere Sprachen lernte, verteidigte die Übersetzung als einen notwendigen Schritt für den Schriftsteller. Einem Werk dienen, sagte er:Wenn ich heute einen jungen, noch unsicheren Schriftsteller über den Weg beraten müsste, den er einschlagen soll, würde ich versuchen, ihn davon zu überzeugen, zunächst als Schauspieler oder Übersetzer eines größeren Werks zu dienen.

Und ich, da ich nicht die Gewohnheit habe, den Toten zu widersprechen, machte mich zum Architekten, weil es meine Arbeit wurde, Brücken zwischen Sprachen zu bauen.

Ich lernte viele Dinge. Von den Autoren, die ich übersetzte. Von ihren Überlegungen. Von den immensen Unterschieden, die Welt wahrzunehmen, je nachdem, in welcher Sprache sich ihr Denken formte. Aber vor allen Dingen lernte ich von mir selber. Von der Demut, auf die eigene Stimme zu verzichten. Davon, im Akt der Übertragung von Worten anderer Menschen zu verschwimmen. Einen großen Teil meiner Arbeit machte ich diesen Sommer, während ich durch Spanien reiste. Viele tausende von Kilometern in wenigen Wochen. Aus dem Zugfenster sah ich Worte, Telegrafenpfähle und Waldbrände vorüberziehen. Ich verschwand von den Orten. Die Worte anderer trug ich immer mit mir herum. So sehr, dass ich mit den Worten von Claudia Rusch oder Nacho Vegas sprach, wenn ich mich mit meinen Freunden traf. Versteh, dass an diesen Ort ich nicht zu gelangen strebte, sagte ich, statt um ein Glas Wein oder das nächste Ticket für eine andere Stadt zu bitten.

Und dennoch, die Autoren begleiteten mich, und es war keine schlechte Gesellschaft. Nun verabschieden wir uns voneinander, und erneut bleibe ich mit meiner Stille und meinen Worten zurück. Es wird ein wenig dauern, bis ich mich wieder an meine Stimme gewöhnen werde. Aber letzten Endes geschieht im Leben alles oder fast alles auf eine andere Art und Weise.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Titel (Deutsch) – Titel (Español) http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/titel/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/titel/#comments Tue, 19 Oct 2010 11:55:55 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2969 Es ist ja nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Welt dreht sich, und nun dreht sie sich fortan fort von einem wunderbar geruhsamen Sommer zwischen Studium und Beruf, in den sich die Arbeit an diesem Blog biographisch hervorragend einpasste. Schon ist man Arbeitnehmer und Gewerkschafter, schon blickt man sorgenvoll auf das Konto und unsicher in die Zukunft, und schon findet man sich nicht mehr bereit, das reine Denken über das reine Denken zu betreiben, sondern fragt sich nur noch, welche der bestehenden Freundschaften, zu denen keine einzige interkulturelle zählt, trotz deutlich vermindertem Freizeitaufkommen fortgesetzt werden soll.

Man verblödet also und irgendwann wird man, wenn die eigenen Kinder einen als rückständigen, chauvinistischen Kleinstadt-Spießer mit null Sozialkontakten und der Weltgewandtheit eines Bielefelder Senioren enttarnen, auf diese goldene Zeit (weniger auf einzelne Texte) verweisen können und sagen: „Seht her, es gab Zeiten, da stand euer Papa mit der ganzen Welt im Austausch. Kluge Menschen aus Mexiko, Argentinien und Bolivien diskutierten mit ihm über nationale Historiographie und Fragen der Identität in einer beweglich gewordenen Welt.“

Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein sensibler Dolmetscher …

Wenn die Kinder halbwegs Hirn haben, fragen sie dann, was dabei rumgekommen ist – und bringen ihren Erzeuger damit in schwere Verlegenheit: Hat er sich denn etwa jemals für die anderen internationalen Blogger oder die Leser dieses internationalen Blogs interessiert? Nicht wirklich, auch wenn manches interessant und manches bedenkenswert erschien – letztendlich war die Kommunikation zu mühsam. Denn, so würde man in der Rückschau zugeben müssen: Zwar wurden die spanischprachigen Texte im Deutschen lesbar gemacht (und umgekehrt), doch für einen wirklichen mediengemäßen Dialog fehlten Geld und Technik.

Und wer weiß, vielleicht werden die Kinder, die ihren Vater für ein Fossil halten, den schon ganz selbstverständlich finden, wird er doch genau in dem Moment möglich, in dem Echtzeitübersetzungsmaschinen Chat-Beiträge derart gut in andere Sprachen übertragen, wie es jetzige Übersetzungs-Algorhythmen nicht einmal mit fixiertem Textmaterial ansatzweise vermögen. Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein Simultandolmetscher (ein guter, sensibler, einsichtsvoller mit einem Händchen für die stimmige Übertragung kultureller Codes), dann wird überhaupt so etwas Ähnliches möglich sein wie ein interkultureller Dialog. Dann irgendwann werden auch über Sprachräume hinweg Horizonte im Dialog verschmelzen können.

Manchmal möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen.

Bis dahin plagt man sich mit Substituten wie Weltsprachen: Wenn fünf Nicht-Muttersprachler um einen Tisch sitzen und Englisch parlieren, möchte man sehr laut gähnen, und wenn 20 Blogger und ihre Leser um ein Blog sitzen und trotz allen guten Willens nicht wirklich zueinander finden können, dann möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen. Was mache ich aus den spanischen Reaktionen zu meinen (in jeder Hinsicht sehr deutschen) Beiträgen über Schuldkultur, Auschwitz und deutsche Identität? Die Übersetzungsmaschinen können einem zwar eine Ahnung davon geben, was das verhinderte Gegenüber bewegt. Trotzdem bedeuten sie zugleich eine unsachgemäße Surrealisierung: Wenn da steht „leider, und mit allem Respekt, es gab nur einen Holocaust, der Grenze ein verdammt Jukebox, die nie aufhört, warum so blau sind unsere Ziele können wir nur beten, nach San Antonio, wenn Neal Cassady kam, hier zu sterben, um zu immigrieren“, dann mutet das zwar in höchstem Maße lyrisch an, trotzdem bleibt darüber hinaus eben nur eine Ahnung vom semantischen Inhalt und der Grenze zwischen den USA und Mexiko und das kann’s ja wohl nicht sein.

Freuen wir uns also auf eine Zeit, in der es keine Sprachen mehr gibt; in der Landessprachen nur noch gewohnheits- und neigungsmäßige Dialekte sein werden, die für alte Provinz-Spießer, wie ich dann einer sein werde, eine ansonsten gänzlich virtuell gewordene Grenze zwischen Virtualität und Realität markieren. Dass wir dann sentimental werden, steht außer Frage. Immerhin wird dann das, was hier versucht wurde, nichts Besonderes mehr sein. Die ungewohnte Zuneigung, die es speziell für einen jungen Autor deutscher Zunge bedeutet, von nichtdeutsch sozialisierten Lesern gelesen werden zu können, der faszinierte und befremdete Blick auf die Übersetzung der eigenen Texte, den wird es nicht mehr geben. Alles wird Alltag sein, die Superdemokraten waren ein Fest. Danke dafür!

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Meine deutschen Worte in einem Café in Berlin http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/meine-deutschen-worte-in-einem-cafe-in-berlin/ Thu, 07 Oct 2010 06:00:37 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2339 Ich stelle mir vor, dass jemand in einem Café in Berlin eine Zeitung (oder ist es eine Zeitschrift, verzeiht, aber ich bin zerstreut) auf einem Tisch liegen lässt. Bevor die Kellnerin sie in den Müll schmeißt, wirft sie einen mürrischen Blick auf die Zeitung. Sie ist müde: So viel Tassen sind abzuräumen, so viele Aschenbecher zu leeren. Doch auch so erweckt der Titel, in dem von schwarzen Puppen und Angosturabitter die Rede ist, ihre Aufmerksamkeit. Sie sieht meinen Namen dort stehen, sie findet, dass er komisch klingt. Ist Lara nicht ein russischer Name? – überlegt sie, bevor sie meinen Artikel liest. Sie liest schnell, eine flüchtige Lektüre, damit niemand bemerkt, dass sie liest, anstatt Tische abzuwischen. Sie lacht kurz. Am Ende wirft sie die Zeitschrift (oder ist es eine Zeitung?) weg und so enden meine in die Sprache Goethes übersetzten Worte in einem großen Mülleimer, angereichert mit Zigarettenstummeln, Brotresten, Kaffeetropfen. Naja, wahrscheinlich wird der Müll getrennt, und so finden sich meine Zeilen zwischen benutzten Servietten, Altpapier und zerrissenen Postkarten wieder. Zur selben Zeit bin ich, auf der anderen Seite des Globus, unglaublich froh, dass ich das Glück gehabt habe, an einem multikulturellen, globalen, transnationalen, Internetprojekt  teilnehmen zu dürfen, durch welches meine Worte in einer anderen als meiner Sprache gelesen werden konnten. Als ich 15, vielleicht 16 Jahre alt war, habe ich „Gruppenbild mit Dame“ von Heinrich Böll gelesen und beschlossen, dass er mein Lieblingsschriftsteller sein würde, auch wenn ich nur dieses eine Buch gelesen hatte (mit 15 Jahren sind alle Entscheidungen kategorischer Natur und so brauchte ich sie nicht lange hin und her zu wälzen). Seit diesem Moment haben sich deutsche Straßen, bestimmte deutsche Namen und ein paar Blumen wie auch eine übersetzte deutsche Syntax in meiner Vorstellungswelt eingenistet. Es war eine unglaubliche Erfahrung, mich in der Sprache von Böll zu lesen oder dies zu glauben.

Dieses globale und plurale Internetprojekt hat es möglich gemacht, dass meine Texte, auch in meiner eigenen Sprache, jenseits meiner unmittelbaren Umgebung von einem räumlich entfernten und in sich sehr unterschiedlichem Publikum gelesen werden konnten. So wie es auch ermöglicht hat, dass ich hervorragende, mir unbekannte lateinamerikanische Autoren lesen konnte. Die heitere Tilsa, die ultrapoetische Lena, die intellektuelle Lizabel, die leidenschaftliche María. Von den Jungs ganz zu schweigen! Mein Landsmann Leo Felipe Campos ist eine kleine „Perle“, ich bin sein erklärter Fan. Viele Intellektuelle, die über Migrationen, Exil, Bewegungen, Irrungen, Identitäten und sonstige Kleinigkeiten nachdenken, sagen immer wieder, dass die Heimat die Sprache ist. Und dieser Raum hat gezeigt, wie 15 so unterschiedliche Personen keinerlei Übersetzung unter einander benötigten, weil sie einer Sprache entsprangen, die sich zwar verästelt und verschiedene Farben annimmt, aber dennoch ein und dieselbe bleibt. Ich mochte es nie, über Lateinamerika als einer Einheit zu sprechen, aber es gibt gewisse Dinge, die wir, wenn wir weit von einander entfernt sind, als Einheit stiftend empfinden. Ich lese diese lateinamerikanischen Autoren und ich verstehe sie auf eine Art und Weise, die weit über das Verstehen der Wörter hinausgeht. Denn diese kosmische Sprache, die uns verbindet, reicht weiter, als es ihre eigenen Vokabeln tun. Ich, die ich Tag für Tag im sprachlichen Exil lebe, hege daran keinen Zweifel.

Ein andere wunderbare Erfahrung, die dieser Raum darbot, war die Möglichkeit deutsche Autoren meiner Generation zu lesen. Böll ist sehr gut, aber es war ein großes Vergnügen die wunderschön entrückte Sprache von René Hamann oder die Eleganz von Emma Braslavsky zu lesen. Euch alle zu lesen war, als ginge ich in diesem Moment die (gepflasterten?) Straßen einer deutschen Stadt entlang. Die Texte der fünf beteiligten deutschen Autoren zu lesen, bedeutete zeitgenössische deutsche Literatur zu lesen – eine für mich, die ich die Sprache nicht spreche und nicht über die Mittel verfüge, an Übersetzungen (sofern sie existieren) heranzukommen, so schwierige Angelegenheit. Ich spürte den Puls der Texte dieser unterschiedlichen Autoren und vermochte auch hier ein zart gestricktes Muster zu vernehmen, das es mir irgendwie ermöglichte, Zugang zu einer Generation von Deutschen zu bekommen, von der ich nichts wusste. Die Fäden dieses Strickmusters weisen Ähnlichkeiten mit meinem eigenen Strickmuster auf. Wir sind mit unsichtbaren Fäden mit einander verstrickt und nur dieser Raum hat sie spürbar werden lassen. Wir sind durch das Netz „verstrickt“, durch die Globalisierung, die Generation oder wie auch immer man das nennen mag, was mich dazu befähigt, euch zu verstehen, Übersetzer wenn man will, aber weit über den unmittelbaren Wortsinn des Übersetzers von Worten hinaus.

Ich danke Rery Maldonado und Nikola Richter für diese aus dem Wollknäuel ihrer Träume entwickelte Idee, uns alle zusammen zu bringen. Dank ihnen sind meine Worte in einem Café in Berlin. Und meine Stimme in einem Ort im Äther des Cyberspace. An einem Ort dieser Raumzeit Null – dieses Chronotopos cero – haben wir uns getroffen.

Übersetzung: Anne Becker

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