trabajo – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Am fliehenden Rand der Flucht http://superdemokraticos.com/themen/neue-welt-im-netz/am-fliehenden-rand-der-flucht/ Mon, 21 Nov 2011 07:34:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5838 Das Netz lauert. Es registriert jede Bewegung. So wie im Frost jede Bewegung durch Kontakt mit der kalten Luft schmerzt, macht auch das Internet jede Bewegung kristallin, sichtbar, vereinzelt, erstarrt. Bögen, die mich früher trugen, muss ich gegen das Internet durchhalten, als trüge ich mich selbst als wasserempfindliches Hologramm über meinem Kopf, während ich durch einen reißenden Strom wate. Ich lebe jedoch immer noch nach dem Prinzip, man muss sich in den Strom stürzen, nicht zögern.

Ich hätte nie gedacht, dass technisch zu machen wäre, dass überall Strom ist.[1]

Mein freies Leben setzt sich aus Zerstreutheit zusammen. Bei jeder Blockade in einer Aufgabe gibt es andere, die leichter gelöst werden können. So postmodern wie meine eigenen Zellen funktioniere ich. Kein fixes Fließband ist meine Arbeit, sondern ein Raum mit osmotisch fließenden Grenzen, in denen die RNA, Proteine etc. (Arbeitsanweisungen und Kopien) herumschweben und ich das Nächstbeste greife, was mich aufgrund seiner Natur und meiner Bereitschaft anzieht. Mein Gehirn funktioniert so, meine Nahrungsaufnahme, meine Freundschaften.

Es zieht mich hin zu Leuten, die im Internet Genuss finden und Lebensart haben. In der Stadt, auf Feldwegen, auf Gartenparties, in Diskos, immer bin ich auf der Flucht. Da entsteht keine Lebensart. Immer bin ich auf Besuch. Dankbar, wenn man mich mag. Dankbar auch für Struktur, Zwänge – denen ich ja allzuleicht entkomme – Rhythmen. Wenn es kein Internet gibt, kann ich einen Haufen Arbeiten jetzt nicht erledigen, das macht die Orientierung leichter. Wenn es draußen sehr unwirtlich ist, stärkt es meinen Entschluss, bei einer Sache zu bleiben.

Das Internet kann man kennen, man kann es bauen, es entspricht Strukturen des Denkens. Es kann ein Lächeln sein, wenn man seine Musik versteht. Es ist doch wie das Werk eines Komponisten. Man muss es lesen können, etwas heraushören. Die Partitur an sich ist unsinnlich. Was für eine riesige Wolke an Kompetenz es doch jetzt gibt! Und die Systeme sind immer noch komplexer, das Internet ist uns in allen Richtungen immer voraus, wie dem Grottenolm der Boden, dem Wal das Meer. Wir sind darin kompetent, aber an ein Ende kommen wir nie.

Freedom is wasted on the free, singt Neil Hannon (Divine Comedy).

Ich gehöre nicht ins Internet. Auch nicht in eine Familie. Auch nicht an eine Uni. Doch zieht es mich dort hin. Ich will nicht mehr Resultate produzieren! Ich wuerde gerne in einen Arbeitsprozess integriert werden. Einen, den nicht ich selber alleine ausgedacht habe. Heißt das nicht schlicht, ich kann mit der Freiheit meiner freien Arbeit nicht umgehen? Ich meine, es hat auch eine andere Komponente. Es braucht die Fiktion von Resultaten, von Achievement, einen naiven Glauben ans Fertig-Werden und eine ungeheuer robuste Perfektionstheorie, um als freier Dienstleister nicht verrückt zu werden. Oder man schafft sich den Arbeitsplatz selber, indem man sich mit Kollegen, die auch so frei umherschwirren, befreundet. Dass sie auch Konkurrenten sind, wäre im Buero genauso der Fall, das ist nicht das Problem. Zweideutige Beziehungen sind der Normalfall. Und dann baue man sich nach und nach eine gemeinsame Orientierung, erarbeite sich, ohne isolationsbedingt verrückt zu werden, eine vernünftige Einstellung zur eigenen Arbeit und deren Beziehung zu den so unterschiedlichen Kontaktpersonen. Hierin könnte die Freiheit wirklich der Boden für das werden, was man an Paradies mit Menschenmitteln bauen kann. Die Isolation ist in der Freiheit eigentlich leicht zu lindern.

Das Problem an der Freiheit ist der Wunsch. Der Wunsch ist ja an sich nie frei. Er kennt die verzwicktesten Winkel der Seele, wo er seine Wurzeln einschlägt, wenn alles schon die reinste Skaterhalle der Wollust geworden ist. Um den Wunsch zu erkennen, muss man die eigenen Unfreiheiten erkennen. Fehlt äußerliche Unfreiheit, gegen die sich der Wunsch sonst sammelt, ist er schwer aufzufinden und funkt ungreifbar herum. Die Möglichkeit, im Internet immer woanders hinzugehen, wirkt wie ein Aufheben des Leidens. Man leidet höchstens, weil man ungeschickt ist oder Schnupfen hat oder Empathie. Wer seine Wünsche kennt und ihnen vertraut, handelt in der Welt wie im Internet meist geschickt, wie auch der, der ein kräftiges Programm hat, dem er folgt. Nur wer das Leiden meidet, kommt in die merkwürdige Situation des Leidensentzuges, das auch ein Freudenentzug ist. Auf ein ewiges Kind wie mich, das will, was es sieht, und vergisst, was es nicht sieht, wirkt das Internet so fatal schützend wie ein Laufkäfig: Man kann fast überall hin, ist aber nicht richtig dort. Und das, was einen wirklich interessiert, ist – das weiß ich genau – woanders.


[1] Ist auch nicht.

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Ego http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ego/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ego/#comments Thu, 30 Sep 2010 14:47:18 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2402

Wie immer kritzelte ich viele Dinge in meinem Kopf, in mein Handy und in meinen PC bevor ich anfing, diesen Abschied zu schreiben. Ich wusste nicht, ob es die bessere Strategie sei, von dem zu sprechen, was ich während des gesamten Arbeitsprozesses mit euch fühlte, oder ob ich eine Bilanz der Zeit ziehen sollte, wie ein kahlköpfiger Chronist, der von den Schreien erzählt, die von der Straße, von meinem Häuserblock zu ihm dringen. Die Gewissheit geben, dass sich die Dinge hier im Süden so stark wie noch nie in alle Richtungen bewegen. Anmerken, dass „die Kultur Buenos Aires’ dank der neuen Generationen blüht und explodiert, welche nicht mehr von den Ängsten verfolgt werden, die die Superdemokraten quälten, die wir uns noch immer verpflichtet fühlen, die Demokratie, den Feminismus, den Reformismus, die individuelle, sexuelle, geistige Freiheit, die Freiheit der Prosa, die Freiheit von Soldaten, die uns bei nächtlichen Spaziergängen blutig schlagen wie sie es mit unseren Eltern taten, zu unterstreichen, aber die wir doch das Gewicht der Finger spüren müssen, die auf uns zeigen, Finger von Freunden, von Nachbarn, Finger, die uns befingern.“ Wie dem auch sei, ich bin nicht wie dieser verkleidete Magier, der am Ende seiner Show seine Tricks preisgibt, sodass ich nicht dazu verpflichtet bin, solche Argumentationspfade zu wählen, ich bevorzuge das Spontane.

In den letzten Jahren wurde mein Ego durch eine Reihe von Misserfolgen, Fehlgriffen und Verlusten brutal verletzt. Teilweise ursächlich, teilweise zufällig brachten sie mich in eine Art dauerhaften Notstand, durch den ich Gebiete zweifelhafter Konsistenz durchfahren musste. Sodass ich mich, als die Superdemokraten mich dazu einluden für sie zu arbeiten, zum ersten Mal in langer Zeit glücklich, erfüllt, verstanden und vor allen Dingen anerkannt fühlte. Sie zahlten nicht nur einen kleinen Lohn, der es mir ermöglichte, einige unentbehrliche, weltliche Unkosten zu begleichen, sondern schenkten mir zugleich die Freiheit, zu schreiben, was meine Eier krähten. Das Angebot war so attraktiv, dass es unmöglich schien: „Agustín, du darfst schreiben was du möchtest über Dinge, die das zeitgenössische Leben betreffen“ …der Traum eines Autors, der wahr geworden ist… ich erinnerte mich unweigerlich an Bukowski, während er die Fenster der LA Times putzte und über die Ungerechtigkeit nachdachte, dass seine politischen Überzeugungen zu einem Scheuerschwamm mit Essig und Waschlauge reduziert worden waren. Meine winzigen Zeichen sollten von so vielen so weit entfernt gelesen werden… ich war wirklich glücklich… Aber die Vergänglichkeit scheint das gemeinsame Element des Glücks und der Träume zu sein: Ich spaziere mit meiner Liebe durch die Straße, die mich in einem beständigen und strahlenden Sepia an der Hand nimmt, die Augen, der Tastsinn, der Geruch der frühlingshaften Brise, die uns mit prächtigem Kitsch bedecken, um sofort – die Lampe, die Matratze, die von Baires (Buenos Aires) zersetzte Decke, Radio Risa (Lachen), Gelächter-TV, die Lieblosigkeit – in die feuchte Wirklichkeit der Straßen zurückzukehren, um einen ehrbaren Beruf zu suchen, der mich ins Schwitzen bringt und meine Taschen füllt, um sie später wieder leeren zu können.

Diese Erfahrung war äußerst neuartig und bereichernd für mich. Ich fühle mich wie ein Typ, der sich unter eine Hochzeitsgesellschaft geschmuggelt hat ohne irgendjemanden zu kennen: Kommen Sie von der Seite des Bräutigams oder der Braut?…. mmm… von der Seite der Braut, ich bin der Cousin aus dem Süden… schauen Sie, jetzt grüßen sie und sicherlich möchten sie Sie sehen… machen Sie sich keine Sorgen, ich gehe gleich… Der Traum, ich betone, endet immer. Aber niemand kann mir mehr die Erinnerung an den Walzer, die mit Schinken und Käse belegten Sandwiches, die elaborierten warmen und kalten Gerichte, mit versengtem Fleisch bei Tagesanbruch vom launigen Popöchen einer bereits in die Jahre gekommenen Tante nehmen. Einige Menschen mögen uns schweigend entdeckt haben, andere werden in uns, und ganz besonders in mir, diesen Cousin aus dem Süden gesehen haben und einige, ganz wenige, sicherlich jene, die sich selber hinein geschmuggelt haben, werden gelacht oder sich gewundert haben über die Metaphern, die Witze, die Exzesse, die tränenreichen Momente:

Dies ist der letzte Absatz, den ich schreibe. Ich weiß es während ich es tippe, ich klopfe auf die Buchstaben und möchte nicht aufwachen… es gibt keinen Text mehr in meinem Kopf noch in den Spitzen meiner Finger… es verschwindet… es verschwindet… ciao!… ich mag euch sehr… auf dass es nicht abbricht!!!… lieben Dank Rery, Marcela, Nikola, wirklich, tausend Dank!!!!!

Du musst die Besitz ergreifenden Beziehungen beenden! Töte sie! Betrachte sie, als ob es sie nicht gäbe!
Aber muss ich auch meine Eltern töten? fragte der Novize.
Wer sind sie, dass ihnen verziehen wird? antwortete der Meister.
Und Sie, Meister, sagte der Novize, muss ich Sie auch töten?
Der Meister lächelte und sagte: „Mach dir keine Sorgen, von mir bleibt nicht genug übrig, um an mir die Hand anzulegen.“

Die Lehren des Xu yun

Folgende waren meine Beiträge für die Superdemokraten:
1-Ich bin immer ein Beobachter gewesen, der Gefühle ernst nimmt
2-Die Straßen, erneut…
3-17. Oktober 1945
4-Digitale Körper I: 26 Minuten Cybersex (+18)
5-Digitale Körper II: Swinger Club (+18)
6-Erleuchtende Spannungen
7-Teleskope und Mikroskope
8-Globalisierung ist Internet

Übersetzung: Marcela Knapp

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http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ego/feed/ 1
http://superdemokraticos.com/themen/burger/pointpointpoint/ Thu, 19 Aug 2010 18:27:18 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=936 Das aktuelle Thema des Blogs ist die Frage, welcher dieser Aspekte das eigene Leben bestimmt: „Arbeit, Familie, Aktivismus, Mitbestimmung, Musik, Literatur, Bildung…“ Es wäre nicht sehr schwer, die Vorschläge aufzugreifen, sie in Beziehung zu mir setzen und den Text mit Fakten aus meiner Biographie zu füllen. Ich könnte schreiben, dass ich meine politische Aufgabe darin sehe, ein bisschen mitzuhelfen, den Mantel des Schweigens, der in den vergangenen Jahren immer sorgsamer über die jüngste deutsche Diktatur gelegt wird, nicht noch glattzustreichen, sondern ihn hier und da wieder zu lupfen. Ich könnte darauf verweisen, dass ich in meinen Texten und bei öffentlichen Auftritten stets bemüht bin, klare Worte zu finden für das rigide kommunistische Regime, dem wir ausgeliefert waren, und niemals so tue, als sei, was nach 1945 in Osteuropa geschah nur ein missglückter, aber letztlich harmloser Weltverbesserungsversuch, über den man mittlerweile doch einfach hinwegsehen sollte.

Ich könnte schreiben, dass meine Familie und Freunde das Wichtigste in meinem Leben sind, weil nichts auch nur ansatzweise solche Bedeutung hat, wie andere Menschen zu lieben und von ihnen geliebt zu werden (in allen Facetten, die das menschliche Herz hierfür bereit hält).

Ich könnte von dem Schulstipendium erzählen, das ich einem vietnamesischen Mädchen finanziere oder davon, warum es mir wichtig war, einen Stolperstein zu spenden, obwohl ich keine Ahnung habe, wovon ich im nächsten Jahr eigentlich meine Miete zahlen soll.

Ich könnte erklären, dass ich Bildung für ein kostbares Privileg halte, das man würdigen und nie achtlos hinschmeißen sollte, weil es (wie meine Großmutter immer gesagt hat) der einzige Besitz des Menschen ist, denn dir niemand je wieder wird nehmen können.

Ich könnte über die Kraft der Literatur reden und davon, wie viel Hoffnung in Geschichten steckt.

All diese Antworten würden mich gut aussehen lassen und wären vermutlich genau das, was von einer halbwegs etablierten Autorin erwartet wird. Aber die Wahrheit ist, dass diese Dinge zwar Teil meines Lebens sind, bei der Auswahl „Arbeit, Familie, Aktivismus, Mitbestimmung, Musik, Literatur, Bildung…“ es jedoch die Auslassungspunkte am Ende der Aufzählung sind, die mein Leben am meisten bestimmen.

Seit ich vom Schreiben lebe, vermeide ich, Fremden zu erzählen, was ich beruflich tue. Ich bin durchaus eitel, was mein Schaffen betrifft und kann sehr gekränkt sein, wenn jemand meine Bücher nicht schätzt, aber darum geht es hier nicht. Es geht um das verträumt-romantische Lächeln, das sich auf das Gesicht der meisten Leute legt, wenn sie hören, dass ich Schriftstellerin bin. Manche stützen sogar ihr Kinn in die Handfläche und seufzen begeistert. – Ich bin es leid, anderen zu erklären, wie bleischwer Schreiben in Wirklichkeit ist. Dass es einsam, erschöpfend und quälend ist. Dass man den allergrößten Teil seiner Zeit nicht inspiriert und gut gelaunt in die Tastatur haut, sondern verzweifelt mit sich ringt: um Disziplin, um Struktur, um Sinn. Aber vor allem um Mut. Den Mut, die eigenen Gedanken nicht für dumm zu halten und sich selbst nicht für vermessen. Vertrauen zu finden in das, was man tut, sich jeden Tag gegen die Selbstzerfleischung zu wehren, sich nicht hilflos der Prokrastination zu ergeben, hat mit Lust oder Spaß wenig zu tun. Es ist harte Arbeit. Vielleicht die eigentliche Arbeit eines Schriftstellers.

Dieser Kampf mit Zweifeln, Schwäche und Angst ist es, was mein Leben wirklich bestimmt. Manchmal ist es kaum auszuhalten. Etwas anderes zu behaupten, wäre unehrlich.

Aber das kann man ja keinem erzählen…

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