Titanic – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Der Eisberg vor der Titanic http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-eisberg-vor-der-titanic/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-eisberg-vor-der-titanic/#comments Fri, 16 Jul 2010 18:12:58 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=462 Geschichte ist ein Synonym für den Respekt vor den Verdiensten anderer, wie auch der Appell, an ihre Unverdienste doch bitte nicht weiter anzuknüpfen und die an ihr weitgehend Unbeteiligten doch bitte nicht weiter aufzuknüpfen.

Geschichte ist ein Spekulationsobjekt, man gelangt nur hinein durch Besetzung.

Geschichte, das ist sowohl der Schnee von Gestern als auch Das Erdbeben in Chili. Petrefakt und Inklusie. Ruine und Reiterstandbild.

Geschichte ist ein Donnerwort für Blitzgneißer. Listen. Zahlen. Zeitleisten. Geschichte, das hieß, sich permanent versegeln und alles nach Orten und Menschen benennen, die es schon gibt. Eigentlich eine sehr einfallslose Disziplin.

Geschichte, das ist Steins Kulturfahrplan, mittlerweile so sehr Geschichte wie in Zeiten von Suchmaschinen Kulturfahrpläne.

Geschichte macht sich meist bemerkbar wie der Eisberg bei der Titanic. Aber schön ist es dann doch, zumindest der Ursache seines nunmehr nicht mehr zu verhindernden Kenterns noch für ein paar Minuten gewahr zu werden.

Geschichte fand eigentlich schon immer ohne mich statt, und warum sollte ich mich für etwas interessieren, was mich zwar garantiert umbringt, aber sich einen Dreck um meine Existenz geschert haben wird.

Geschichte ist leider nicht zukunftsfähig und das Futur II halte ich nicht erst seit Christa Wolf für ein fehlgeleitetes Zeitempfinden der sonst eher lebensfrohen Gattung Mensch. Vielleicht mag ich darum Städte, die sich so rasend schnell verändern. In ihnen ist alles schon, bevor es Geschichte werden kann, Geschichte. So schnell vorbei wie eine Kurzgeschichte und so zerstörerisch wie sieben Achtel all dessen, was Geschichtsbücher nie verzeichnen werden, zum Beispiel den Tod eines Räubers am 1. Juli 2010 in Sampas Gartenstadt Jardims. Bewaffnet mit einer Spielzeugpistole, erschossen von einem bedrohten Autofahrer, in der Straße, in der man eine Shooting Szene für die Telenovela Uma Rosa com Amor – Eine Rose mit Liebe – drehte. Verblutet unter dem Verdacht der Fiktion. Ironie der Geschichte, Geschichte der Ironie: Liebesgrüße aus São Paulo, oder man stirbt nur zweimal.

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