Sicherheit – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Bist du dir sicher? http://superdemokraticos.com/laender/venezuela/bist-du-dir-sicher/ Sat, 05 Nov 2011 16:28:24 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5663 Wir sind gelandet, in Caracas. Der Flughafen, direkt am Wasser, ist erfüllt von der schwül-heißen Luft des karibischen Meers. Die 6-Millionen-Stadt selbst liegt weiter im Landesinneren, vor einer Gebirgskette, die wir auch von unserer Hotelterasse sehen. Dort bilden die Wolken luftige Kronen an den Gipfeln, während um uns herum Palmen im Wind schwingen und der Verkehr lärmt. Naturidylle versus Urbanität. Morgens um 5 Uhr höre ich einmal in meinem Jetlagdämmerzustand einen Vogel trillern, ein seltsam fremdes Geräusch zwischen Hochhäusern. Wie überleben Tiere zwischen Beton und Abgasen?

Ich sollte von ihnen lernen, denn ich habe am ersten Tag einen kleinen Kulturschock und bin etwas verunsichert, vor allem wegen all der Sicherheitsbestimmungen, die uns für diese angeblich viertgefährlichste Stadt der Welt mitgeteilt werden. Die Reichen riegeln sich ab, die Armen werden immer ärmer, so dass der öffentliche Raum dir keine Freiheit gibt, sondern eher Regeln auferlegt, wie du dich zu verhalten hast: nur bestimmte Viertel besuchen, nicht mehr nach 22 Uhr auf die Straße, am besten viel Taxi fahren, die fast alle abgedunkelte Scheiben haben, keine Papierstücke, etwa Tickets, von Fremden annehmen, die sind vielleicht getränkt mit der Droge Burundanga, die dich willenlos macht, die Tasche nicht festklemmen, sondern locker tragen, Schmuck und teure Uhren lieber zu Hause lassen. So entsteht eine Atmosphäre des Misstrauens, in der jeder Bürger dem anderen Feind sein kann. Das Goethe-Institut, derzeit im ruhigeren, aber auch eher unsicheren (wie man uns sagt) Stadtteil San Bernardino gelegen, wird bald in das sicherere Altamira umziehen, weil (aus Angst?) abends niemand mehr zu den Veranstaltungen kommt.

Als wir dann durch die Fußgängerzone Sabana Grande flanieren, ist die Atmosphäre dort erstaunlich entspannt, aus jedem Laden tönt ein anderer Reggaeton, die Eisverkäufer klingeln, ein Einkaufszentrum sendet Werbebotschaften per Mikrofon. Ab und zu ein Soldat mit Gewehr auf der Straße. Ein paar operierte Nasen. Geeiste Kokosmilch. Plastikschuhläden. Hier ein kleiner Eindruck des Dolby Surround von Caracas:

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Nicht abfilmen kann ich den Smog. Zwischen 17 und 19 Uhr ist Rushhour, rien ne va plus. Blechkolonnen auf Hochstraßen, die mich an L.A. erinnern, vierspurig, Abgase und Rücklichter. Zu unserer Lesung kommen wir „pünktlichen Deutschen“ dann eine Stunde zu spät. Danke an unseren Gastgeber Ulises Milla, die mitlesenden Autoren Leo Felipe Campos, Héctor Torres, Rodrigo Blanco Calderón und die spontane Lala, Gäste, sowie das Publikum, so lange in der Libreria Alejandria I gewartet zu haben!!

Eines ist sicher: Caracas braucht eine andere Verkehrspolitik, z.B. autofreie Wochenenden, Taxi- und Bustrassen, Katalysatoren, und andere Benzinpreise (derzeit kostet eine 60-Liter-Tankfüllung 50 Cent). Für freien Verkehr!

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Natürlich ist das Faltencreme! http://superdemokraticos.com/themen/koerper/naturlich-ist-das-faltencreme/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/naturlich-ist-das-faltencreme/#comments Thu, 22 Jul 2010 10:00:52 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=496 Ich erinnere mich genau, wann ich das erste Mal das Gefühl hatte, zu altern. Ich meine nicht, an Jahren zu reifen, sondern tatsächlich körperlich zu altern. Zu spüren, dass es bergab geht, dass ich mich meinem eigenen Verfallsdatum nähere.

Das bestürzende Signal kam selbstverständlich von einer Kosmetikerin und bestand darin, dass sie mir nach der Behandlung eine ungewohnte, kühle Paste neben die Augen tupfte.
„Bitte sagen Sie, dass das keine Faltencreme ist!“ flehte ich alarmiert.
„Natürlich ist das Faltencreme“, antwortete sie ungerührt.

Das war kurz vor meinem 30. Geburtstag und ist jetzt knapp neun Jahre her. Seitdem mehren sich die Hinweise.

Die deutsche Schriftstellerin Elke Heidenreich hat in einem Interview mal gesagt, dass sie sich selbst in ihrer Eigenwahrnehmung immer viel niedlicher findet, als sie in Wirklichkeit aussieht. Als ich das las, war ich Studentin und verstand überhaupt nicht, wovon sie sprach. Heute weiß ich es genau. Ich wohne seit 30 Jahren im selben Teil Berlins und kenne viele Leute aus meinem Viertel. Namenlose, vertraute Statisten meines Lebens: Sie begleiten mich stumm durch die Zeit wie ich sie. Aus der Distanz beobachte ich an ihnen den schleichenden Verwitterungsprozess. Ich registriere, wie sie abnehmen, zunehmen, die Partner wechseln, Kinder bekommen, vom Alkohol aufschwemmen, krumm werden. Ich sehe ihr Haar schütter werden oder grau oder beides.

Jedes Mal, wenn wir uns über den Weg laufen, scheinen meine Nachbarn ein kleines bisschen mehr verwelkt. Nur ich selbst sehe im Spiegel unbeirrt die gleiche junge Frau, die mir mit ihren glatten Wangen schon daraus entgegenblickte, als ich 20 war. Ich weiß, dass ich inzwischen die Hälfte des Lebens überschritten habe (gerechnet klassisch literarisch nach der Bibel [Psalm 90, Vers 10], Dante Alighieri [Die Göttliche Komödie, 1. Gesang, 1. Vers] etc.), das heißt aber nicht, dass ich es mir auch selbst ansehe…

Egal wie, im Grunde ist der Unterschied zwischen Illusion und Wirklichkeit nicht wichtig. Zu seinem Alter sollte man so oder so stehen. Denn selbst, wer über ausreichend Geld verfügt, um sich erschlaffte Gesichtspartien hinter den Ohren wie eine Zwangsjacke straff ziehen zu lassen – es ändert ja nichts. So richtig alt wird man sowieso innerlich.

Glücklicherweise! Wenn man nämlich das zugegebenermaßen lästige Problem mit dem Bindegewebe mal außer acht lässt, halte ich Altern, ehrlich gesagt, nach wie vor für einen Anlass großer Freude. Mal ganz abgesehen von dem Umstand, dass man keineswegs so alt ist, wie man sich fühlt (worüber ich vor allem nach durchzechten Nächten auch sehr froh bin), hat mir jedes einzelne Jahr meines Lebens ein Stück mehr Sicherheit beschert. Von Krisen war meine Existenz eigentlich meistens bestimmt – von einer Midlifecrisis (rechnerisch durchaus berechtigt, siehe oben) kann dagegen keine Rede sein.

Im Gegenteil: Für mich werden die Dinge, seit ich die Dreißig langsam hinter mir lasse, eigentlich immer nur einfacher. Nicht unbedingt finanziell, erst recht nicht gesundheitlich, aber mit mir selbst. Die Orientierung im Labyrinth des Daseins fällt mir wesentlich leichter, mein Innenleben wird verständlicher und die Verzweiflung damit kleiner. Denn auch, wenn ich noch längst nicht immer auf alle Fragen eine Antwort finde, habe ich zumindest schon die Gewissheit, dass das kein Weltuntergang ist… Dafür nehme ich die paar Falten gern in Kauf.

Ich möchte nicht nochmal 17 sein. Wozu?

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