Privat – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Experiment im kollaborativen Schnellschreiben http://superdemokraticos.com/themen/koerper/experiment-im-kollaborativen-schnellschreiben/ Tue, 26 Apr 2011 17:05:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3605 Wir sitzen, jede an einem Netzanschluss. Diesmal sind wir nicht einmal in der gleichen Stadt und versuchen uns an einem Online-Gespräch, in dem wir über das Gelernte und das Erlebte des vergangenen Jahres nachdenken und auf das neue LSD-Jahr schauen. Dies ist das Ergebnis unseres Chats:

Eine Sache, die wir im letzten Jahr oft gesagt haben, war: „Allah ist mit uns!“ Wir haben gelernt, dass Ideen keine Grenzen haben, auch wenn wir oft an unsere Grenzen gestoßen sind. Wir danken allen, die uns immer wieder Vertrauen geschenkt haben, sonst würde uns die Bundeszentrale für politische Bildung nicht weiter vertrauen, die unsein weiteres Jahr fördert.

2010 haben wir aus einem Blog mit mehr als 200 Kurzessays von vielen sehr unterschiedlichen Autorinnen und Autoren ein Buch gemacht. Was wir jetzt wissen: Ideen wachsen mit Glauben, Glauben ist wie Dünger. Und Bloggen ist wie Beten, bloß nicht im Liegen, sondern im Sitzen. Blogs richten sich auch an eine imaginäre Person, aus einem konkreten Anlass heraus. Sie wollen etwas loswerden, etwas mitteilen. Wenn wir uns etwas wünschen könnten, würden wir gerne noch mehr wie in einer Großküche arbeiten, Hand in Hand was Leckeres zubereiten und mit anderen teilen. Und zusammen probieren. Auf die digitale Gastfreundschaft!

Wir gehören einer Generation an, die vielleicht nicht anders denkt, aber auf jeden Fall anders kommuniziert als die Generationen zuvor, vor allem viel direkter, weil über das Netz Nettigkeiten meist überflüssig sind. Man erreicht die Menschen, die man sucht, indem man ehrlicher spricht. In einem Gesprächsregister. Man spricht mit „anonymen Freunden“, macht Angebote für Gespräche. Un diese werden sogar mitgeschnitten.

Das ist das Prinzip der Mauer auf Facebook, der so genannten Wand. Auch der Mails, die gespeichert bleiben. Man kann sich auf das berufen, was gesagt wurde. Soziale Netzwerke, Chats, Hin- und Her-Mails, Blogs haben gemeinsam, dass sie Gedanken enthalten, die schnell verfasst wurden. Und dass sie zu Zeugnissen werden können, wie ein offenes Tagebuch. Was die Menschen posten und kommentieren, erzählt, wer sie sind. Allerdings können wir nur bestimmte Dinge ablesen, eher Auffälliges wie Standpunkte und Interessen, Zeitungslektüre, Musikgeschmack, Freundeskreis. Was machen wir mit dem blinden Fleck?

Mit dem Blog möchten wir ab Mai 2011 weiterhin das Blinde entdecken, die Terra Incognita zwischen dir und mir. In den nächsten Monaten entwickeln wir uns mit euch weiter zu Pionieren der Nanotechnologie. Zu monatlich wechselnden Themen, die stärker an aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten angedockt sind, postet LSD Texte, Cartoons von Chicks on Comics, Bilder befreundeter Künstler, Videos, Musik. Wir lauschen auch darauf, was unsere Facebook-Gruppe beschäftigt.

Wenn du auch dieser ipod-, iphone-, ipad-, I/ich/yo, )-Gesellschaft angehörst, die nur, indem sie absolut ICH ist, Teil der Gemeinschaft sein kann, dann befreie dich und werde Teil der YOU-Topie. Hier verschwinden die Ichs hinter ihren Ideen. Das funktioniert asosiativ, weil Privates und Öffentliches sich ständig vermischen: „Ich kann über Libyen sprechen und gleich danach ein Lied hochladen, das meinen Liebeskummer oder mein Glück ausdrückt, weil ich gerade was Gutes erlebt habe.“ Deine Teil-Öffentlichkeiten schalten sich da ein, wo sie sich einschalten wollen. Mach mit bei unserer Gruppenerfahrung! Die Kollaboration ist heute eine Voraussetzung dafür, das man überhaupt eine eigene Meinung darstellen kann.

Und das macht Mut, denn du bist nicht alleine. Aber denk dran, du hast eine Spur im Netz, denn wir leben wie stenge Protestanten ohne Vorhänge.

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ohne familie kann man leben http://superdemokraticos.com/themen/burger/ohne-familie-kann-man-leben/ Mon, 30 Aug 2010 07:00:20 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1269 Aktivismus, Poesie, Familie, Musik…

In meinem Leben gibt es zwei große Pfade, die sich nicht voneinander trennen lassen: der eine ist der soziale und kulturelle Aktivismus, der andere die Poesie.

Ausgehend von diesen Grundlagen, erschaffe ich mir meine Welt. Ich bin Teil eines künstlerischen und sozialen Kollektivs, das es mir teilweise ermöglicht, beide Pfade gemeinsam zu verfolgen, aber gleichzeitig und in bestimmten Momenten prallen sie in mir aufeinander: das Öffentliche und das Private.

Mit dem Kollektiv Yonofui praktiziere ich sozialen Aktivismus. Wir arbeiten mit Frauen in Gefängnissen, kooperieren mit anderen sozialen Organisationen und staatlichen Einrichtungen, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Beispielsweise in Bezug auf Hausarrest, die „Allgemeine Zuwendung für das Kind“ (eine im Jahr 2009 in Argentinien eingeführte Form von Kindergeld für Mittellose, Anm. d. Ü.), den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Gesundheit usw.

Es geht darum, ein neues politisches und kulturelles Bewusstsein zu erschaffen.

In den Gefängnissen koordiniere ich Werkstätten zu Poesie und eine zu Briefliteratur, und wir realisieren viele Kunstprojekte, Ausstellungen, wir publizieren Bücher, Platten und Fanzines. In einem Monat wird das dritte Poesiefestival in einer Haftanstalt stattfinden, an dem um die 20 geladene Dichter, Musiker und eine große Menge von Menschen teilnehmen und einen Tag mit Poesie in der Einheit 31 von Ezeiza (ein Frauengefängnis in Buenos Aires, Anm. d. Ü.) verbringen werden.

Auf der anderen Seite ist der Ort, an dem wir arbeiten, ein zurückgewonnener Raum, eine nachbarschaftliche Versammlung, die inmitten der Krise im Jahr 2001 entstanden ist und zur Zeit mit der Stadtverwaltung im Konflikt steht, die kulturelle, gemeinschaftlich genutzte Räume zerstören möchten. Auch hier, als Mitglied dieses Kollektivs, das das Kulturzentrum Bonpland bildet, nehme ich aktiv an Aktionen teil, um diese Freiräume zu schützen.

Und manchmal erschweren all diese Aktivitäten den stillen Akt der Poesie. Man surft durch die Sitzungen, die dringenden Notwendigkeiten, mit denen wir es zu tun haben, mit den ewigen Reisen zu den Haftanstalten, um jene so zufriedenstellenden Momente zu finden, die uns das Schreiben schenkt.

Vielleicht ist es deshalb so, dass meine Poesie von diesen Konflikten durchzogen ist, von diesen Realitäten, die Teil meines alltäglichen Lebens sind. Wenn ich darüber nachdenke, was das Wichtigste in meinem Leben ist, ob der Aktivismus oder die Poesie, so fällt mir die Entscheidung schwer. Für mich gehören sie zusammen, und nicht, weil ich der Ansicht bin, dass es für alle so sein sollte. Ich glaube nicht, dass der Künstler dazu verpflichtet ist, sich in sozialen Konflikten zu engagieren, und nichts dergleichen. Das ist, was allein mit mir geschieht und es hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun, mit meinen Entscheidungen.

Ich genieße es auch sehr, Projekte ins Leben zu rufen, die sich mit Poesie, mit Kunst beschäftigen, und so entstand Voy a Salir y si me Hiere un Rayo (Ich gehe raus und wenn mich ein Blitz trifft), ein kleiner Verlag für Poesie und ein Literaturvertrieb, der entstand, um den Produktionen unabhängiger Verlage größere Sichtbarkeit zu verschaffen und sie in Umlauf zu bringen. In diesen Tagen werden wir, gemeinsam mit ein paar Freunden, die eine sehr alte und wunderschöne Druckerpresse haben, eine Reihe von Poesieblättchen herausbringen. Wir ließen uns auf dieses Projekt, das aus eigener Kraft entstanden ist, ein, und es macht mich glücklich, es erfüllt mich mit einer freudigen Energie, trotz aller Unbarmherzigkeit dieser Zeiten, solche Projekte und solche Räume künstlerischer Reflexion hervorbringen zu können.

Und, ja, ohne Familie kann man leben, aber ohne die Musik definitiv NICHT!

Und ohne Liebe auch nicht.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Als Kind wollte ich Detektivin werden http://superdemokraticos.com/poetologie/als-kind-wollte-ich-detektivin-werden/ Mon, 14 Jun 2010 21:13:47 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=260 Mein Papa wuchs auf dem Land auf, im Fluss schwimmend, sein Vater war Japaner und seine Mutter aus Ancash. Seine Eltern verstarben, als er pubertierte und er ging nach Lima zum Studieren. Er war Anführer der revolutionären Avantgarde an der Hauptnationaluniversität San Marcos als er meine Mama kennenlernte, eine junge Frau aus Lima, mit sehr katholischen Eltern, später Ministerin für Frauen und Soziales, ebenfalls Studentin der Soziologie. Sie verliebten sich, heirateten nicht, meine Großmutter war verärgert, erst kam meine ältere Schwester, dann ich auf die Welt. Meine ältere Schwester ist bildende Künstlerin und hat ein Bekleidungsgeschäft, die jüngere beendet gerade die Schule. Ich schreibe, widme mich der Fotografie, Videos und zeichne Comics. Meine erste Erinnerung gilt einer Kopfwunde, die ich mir im Alter von drei Jahren zuzog, während ich spielte, ich sei eine feine Dame. Das Bild verschwimmt hinter einem roten Filter, die Geschichte schließt mit acht Stichen. Später, frühe sexuelle Experimente mit Jungen und Mädchen, auch einer kleinen Nachbarin, deren Eltern sich als Kollaborateure der MRTA (eine terroristische Organisation, die in den 1980ern Anschläge und Morde verübte) erwiesen, sie druckten im Haus meiner Freundin Propaganda und sie verschwand bald aus der Nachbarschaft. Als Kind wollte ich Detektivin, Rockstar und Rucksacktouristin werden. Ich war Klassenbeste, bis ich und die Poesie aufeinander trafen, die Schlaflosigkeit mich umhüllte, und ich in die unterirdische Rockszene eindrang; von da an war ich Zweitbeste. In meiner Jugend nächtliche Arbeiterin ohne Lohn, entwickelte ich ausgeprägte Augenringe und eine Vorliebe für die Lektüre als heimliche Bühne der Enthüllungen, die die Voltzahlen meiner Synapsen transformierte bis ich mich in die beliebte Autistin verwandelte, die ich heute bin. Ich habe immer in Lima gelebt, in drei Bezirken, drei Häusern und einem Appartement. Als wahre Dichterin habe ich von allem ein bisschen gemacht: Ich habe in einem Bekleidungsgeschäft verkauft (ja, dem meiner Schwester), in einem Buchladen, ich habe in Casting-Agenturen die Kamera bedient (Lächeln, Profil, anderes Profil, erneutes Lächeln, es ist schon länger her, dass sie nicht mehr ernsthaft an den Tod gedacht hat), Audio-Interviews transkribiert, Texte korrigiert und endlich geschrieben (ich würde Gott dafür danken, aber ich glaube nicht an ihn, zudem lese den folgenden Satz). Im jetzigen Lebensabschnitt bin ich wählerischer, ich habe keine Arbeit. Zumindest keine feste. Bis vor kurzem schrieb ich eine Kolumne im Kulturteil einer Tageszeitung, bedauerlicherweise tauschten sie sie gegen Beiträge aus dem Marvel-Universum ein. Ich studierte Filmregie und Fotografie, habe Kurzfilme gedreht und spielte die Hauptrolle in einem Film, der dieses Jahr im Juli Premiere hat. Mit 16 Jahren lernte ich durch Zufall den Herausgeber meiner zwei Bücher kennen, wenn er denn existiert (der Herausgeber). Er fragte mich, ob ich schreibe, möglicherweise weil ich nichts sagte, ich war schüchtern damals. Ein Beispiel der Geduld und Loyalität, wartete er mehrere Jahre bis ich ihm zusagte und wir machten uns an die Arbeit. Mein erster Gedichtband „Mi niña veneno en el jardín de las baladas del recuerdo“ (Mein Mädchen Gift im Garten der Balladen der Erinnerung) wurde ein Erfolg, dunkel, jugendlich und mit einem entzückenden rosafarbenen Pop-Design wollten alle Mädchen eins haben. Ich musste es in Lima und Argentinien vorstellen und ich war beklemmt, terrorisiert und verängstigt. Soziale Phobie! Es überrascht mich, dass sie mich nicht schon vorher befallen hat…Mit dem zweiten Lyrikband „Indivisible“ (Unteilbar, 2007) hatte ich die Furcht vor dem Publikum überwunden, seitdem stelle ich es mir nackt vor. Zur Zeit bin ich damit beschäftigt eine Rock‘n Roll-Dada-Performance zu erarbeiten, in der ich am Ende ein Gedicht gegen den Boden schlagen werde, bis es zerbricht. Ich mache auch Musik und singe, während ich mit meinem mir ergebenen Fahrrad Lizzi McBici durch die Stadt fahre.

Ich habe bis heute keinem Kollektiv oder politischen Organisation angehört, ich diene dem Widerstand mit meiner Unabhängigkeit (auch wenn ich einen liebevollen Freundeskreis habe, der eine Familie und ein Mikroklima darstellt). Ich bedaure und bemitleide die Kultur, die sich in großem Umfang uniformiert, simplifiziert, einwickelt und verkauft; sie verliert an Tiefe und kritischen Fähigkeiten. Ich bin damit einverstanden, dass wir Jugendlichen die Quelle alternativer und erneuerbarer Energien sind, aber ich glaube, dass wir uns alle jung halten müssen, womit ich meine, dass wir uns mit Eindrücken und Ausdrucksmöglichkeiten füllen müssen, um das Leben zu verkörpern.

Ich war tatsächlich einige Zeit Rucksacktouristin. Nach Ende der Schulzeit reiste ich alleine, lesend und schreibend, durch einige Länder Südamerikas. Ich tat so, als ob ich niemanden mehr auf der Welt habe oder einen Ort zum Schlafen oder etwas zu Essen. Ich vertraute mich Fremden, dem Zufall und billigem Likör an. Ich lernte, dass was den großen Unternehmen gestohlen wird, die kleinen Angestellten bezahlen, dass nichts wichtig ist, nichts real und ich lernte alle Forderungen, die notwendig sind, um sich mit dem Fallschirm aus einem Schiff aus dem Inneren der liebenswürdigen familiären Realität zu werfen und ein Studium zu absolvieren (ich teile etwas sehr Privates mit Ihnen, lesen Sie nicht mit lauter Stimme!). Das letzte Ziel jenes Abenteuers war Kuba, weil ich beweisen wollte, dass ich in meinem vergangenen Leben eine schwarze Kubanerin gewesen war, und es ist wahr, ich kannte alle Straßen. Dasselbe kann ich nicht über Lima sagen, das in einer atemberaubenden Geschwindigkeit gewachsen ist.

Irgendwie wird es besser. Früher ging niemand in die Innenstadt, weil sie schmutzig und gefährlich war, heute ist sie historisch und touristisch. Eine Welle nationalen Stolzes hat die Produktion und den Konsum nationaler Produkte in Bewegung gesetzt. Die Menschen sind besessen vom Essen, die gastronomische Kultur ist die einzige, die die Regierung bedenkenlos fördert. Ich freue mich darüber, wie Ismael Rivera singt, ich tanze gerne und verehre die Sonne. Ich versuchte, unsichtbar zu sein und wurde durchsichtig, mein Herz spricht, aber es kann keinen Kaffee trinken. Ich schätze mich glücklich in einem anregenden und toleranten Umfeld aufgewachsen zu sein und kreative und feinfühlige Menschen um mich zu haben, ich schätze mich glücklich für die Gaben, die Magie, die unbegrenzte und psychoaktive Liebe.

Ich heiße Tilsa Otta Vildoso und bin 27 Jahre alt, aber auf meinen Gedichtbänden steht nur Tilsa.

Übersetzung: Marcela Knapp

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