Planet – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Bitte seid achtsam http://superdemokraticos.com/themen/burger/bitte-seid-achtsam/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/bitte-seid-achtsam/#comments Sun, 01 May 2011 11:54:11 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3650

Foto: Rery Maldonado

Diesen Monat beschäftigt sich LSD in  Texten, Fotos und Cartoons mit Energie, Ressourcen und dem aktuellen Umgang mit Atomenergie weltweit. Eine Einführung.

Die Welt starrte mit offenem Mund auf die Bilder der Zerstörung. Immer und immer wieder sah man das wütende Meer die japanische Küste angreifen. Man sah die bebende Erde, die aufgerissenen Häuser, den Rauch des Atomkraftwerks und die Angst in den Gesichtern der Menschen. Wir alle wussten, dass so etwas passieren könnte. Das ist die größte Angst, die wir haben, wenn wir in der Nähe von einem der 486 Kernkraftwerke wohnen, die über den Planeten verteilt sind. Und die Medien machen seitdem nichts anderes, als uns mit Live-Bildern von einem unserer schlimmsten Albträume zu bombardieren.

Ein gläubiger Mensch schrieb einst, Gottes Wege sind unergründlich. Abgesehen vom menschlichen Unvermögen, hatten wir als Menschen bei der Katastrophe von Fukushima absolut keine Möglichkeit einzugreifen. Was kann man auch gegen die tobende Natur tun? Vor ihr kann uns nichts bewahren, noch nie hat uns etwas bewahren können. Wenn die Elemente ihr Gebrüll erheben, fallen wir zurück auf die Stufe von höchst entwickelten Affen, wobei wir der Intelligenz einen größeren Wert zuschreiben, als etwa Flügel oder Reißzähne oder einen Panzer zu besitzen, Dinge, die uns möglicherweise vielleicht wesentlich besser schützen könnten, als unsere empfindliche Haut der unergründlichen Abwege.

Der Hochmut wurde zum Symbol des Fortschritts. Wenn wir den Banken glauben schenken, welche mit unserer Zukunft Spekulationen betreiben, ist die Modernität ein einheitliche Entität, trotz aller Märchen, die wir Menschen erfunden haben, trotz aller Hymnen und Fahnen. Die vergifteten Fische, auf die mehr als 11.600 Tonnen kontaminiertes Wasser geflossen ist, fragt niemand, ob sie Japaner sind; wenn wir über Globalisierung sprechen, denken wir in erster Linie an die Wirtschaft. Es gehört einfach zu den Rechten und Pflichten des Bürgers der Welt, auch in dem kleinsten Dorf irgendwo in den Anden eine Coca Cola trinken zu können.

In Europa ist Italien das einzige Industrieland, das ohne Atomkraftwerke auskommt. Der benötigte Strom, der nicht im Land produziert werden kann, wird laut dem spanischen Atomindustrieforum aus anderen Ländern wie Frankreich bezogen. Gleichzeitig ist Frankreich aber auch das Land, das sich am entschiedensten für diese Art der Stromgewinnung ausspricht. In Deutschland lehnt praktisch die gesamte Bevölkerung Atomenergie ab, dennoch sieht es in Wahrheit so aus, dass die Unternehmen, die Atomstrom produzieren, die meisten Kunden haben, da sie die günstigsten sind. In Spanien hat das Ausmaß der Wirtschaftskrise erreicht, dass es nur einigen wenigen Menschen in den Sinn kommt, die Vorteile des Atomstroms für die Industrie ernsthaft in Frage zu stellen. In Chile passiert genau das Gleiche. Unter den Bildern über Fukushima ging in Deutschland die Nachricht vom Besuch Obamas in Chile und die Unterzeichnung des Pakts zur nuklearen Zusammenarbeit praktisch unter.

Im Gegenteil zu Europa verfügen die meisten Länder Lateinamerikas nicht über Atomkraftwerke. Im Vergleich sind es genau diese weniger entwickelten Länder, die die größten Flächen unberührter Natur und zudem Artenvielfalt vorweisen können. Auch menschliche Artenvielfalt. Allein in Bolivien leben 36 Nationen mit ihren jeweils eigenen Sprachen und Wertesystemen zusammen. Die Industrialisierung und damit das, was von der Welt übrig bleibt, mit Straßen zu zupflastern, Häuser zu bauen und uns mit dem gleichen ignoranten Instinkt zu „zivilisieren“ oder die gleiche Vision des eindimensionalen Fortschritts unserer Vorfahren, kann keine Alternative sein. Allein die Tatsache, dass die CDU einen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2020 unterstützt, bringt mich ins Grübeln. Ich traue ihnen so einen schnellen und kategorischen Ausstieg nicht zu, es kommt mir einfach verdächtig vor. Vor einigen Wochen besuchte ich eine Lesung von Dominic Johnson, dem Afrika-Redakteur der taz, bei der er sein Buch „Afrika vor dem großen Sprung“ vorstellte. Der einzige Schwarze im Publikum fragte ihn, warum er die weißen Afrikaner, auch wenn sie Mulatten sind, wie eine dem Autor fremde Ethnie, als „die Weißen“ bezeichne, als wären diese Eliten anders, denn das sind sie nicht. In der Frage glaubte ich diese Feststellung herauszuhören und in der verwirrten Antwort des Autors, einem netten Typ, der barfuß herumläuft, zu verstehen, dass es gelegentlich schwer ist, sich als Kollektiv im Spiegel zu sehen, sich in die Lage des Mitmenschen zu versetzen und die familiären Bande in den sozialen Strukturen zu übernehmen.

Und wenn die Lösung für ein angenehmes Leben daraus bestünde, mit den Dingen, sie wir jetzt haben, ein Nachhaltigkeit zu erreichen? Darin, unsere Umwelt menschlicher zu machen und zusammenzuarbeiten, damit sie nicht noch mehr auseinanderbricht oder noch weiter zerstört wird. Aufzuhören nur in uns selbst zu investieren und statt dessen uns der Verantwortung zu stellen, dass wir andere Völker geplündert haben, ihnen die Vorstellung eines Fortschritts aufgezwungen haben, der lediglich auf nicht nachhaltigen Wirtschaftswachstum und auf Egoismus basiert, mit dem wir unsere Wissenschaft verwalten. Wie es scheint, ist der wohl wichtigste Beitrag der Indigenisten zur neuen politischen Verfassung des Plurinationalen Staats Bolivien, in unseren vier offiziellen Landessprachen, das Konzept des „Vivir Bien“, des guten, harmonischen und vielfältigen Zusammenlebens mit der Natur (Anm. d. Ü.).

In Artikel 8 der CPE, der politischen Verfassung des Staates, wurde festgelegt: „Folgende Prämissen werden als moralisch, ethnische Prinzipien einer pluralistischen Gesellschaft vom Staat vorausgesetzt und angestrebt: ama qhilla, ama llulla, ama suwa (sei nicht faul, sei nicht verlogen, sei auch kein Dieb), suma qamaña (gut leben), ñandereko (harmonisches Leben), teko kavi (gutes Leben), ivi maraei (Land ohne Übel) y qhapaj ñan (Weg oder edles Leben)“.

Auch wenn die 25 Postulate des „Vivir Bien“ offensichtlich sehr einfach gehalten sind, sind sie dennoch schwer zu verstehen. Für die Westlichen oder die westlich Zivilisierten oder die Blankoiden würde es bedeuten, eine Art buddhistische Haltung anzunehmen. Es handle sich letztendlich um Geschichten, aus denen wir lernen mit dem, was wir sind, was wir haben und mit dem, was unsere Vorfahren geschaffen haben, glücklich zu sein. Im Guten wie im Schlechten. Vermutlich macht es beim derzeitigen Zustand der Ozonschicht und in diesem Moment der globalen Klimaerwärmung keinen Sinn an das eigene Land zu denken. Im Weltraum sind wir alle ein Teil des gleichen, unbedeutenden, kleinen blauen Punktes.

Wir heißen alle herzlich willkommen zu einem neuen Jahr der Los Superdemokraticos. In diesem Monat wird unser Thema Atomenergie sein, insbesondere der Umgang mit Ressourcen, und mit Essays von verschiedenen Autorinnen und Autoren, Fotos, Videos, Cartoons präsentieren wir euch die unterschiedlichsten Visionen rund um den Nutzen und Missbrauch von Energie.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Wer hat denn schon die ganze Welt regiert? http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/wer-hat-denn-schon-die-ganze-welt-regiert/ Fri, 24 Sep 2010 07:04:57 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2256 Ich bin froh, dass ich im Augenblick nicht auf hoher See dahintreiben muss, um den Seeweg nach Indien zu suchen. Ich danke all den tapferen Seefahrern, Entdeckern und Abenteurern, dass mir diese Strapazen heute erspart bleiben können. Wenn mir Google Earth nicht immer wieder die Sachverhalte bestätigen würde, die wir alle in Geographie gelernt haben, würde ich vor Neugier platzen und am Ende selbst in See stechen müssen. Und wie schon der Titel eines Buches von Ilja Trojanow suggerieren will: Die Welt ist groß und Rettung lauert überall, ist die Welt in unsere Köpfe eingezogen und bietet uns unendlich scheinende Welten, in die wir reisen können. Migration verliert durch die Linse der Globalisierung betrachtet ihre ausländische Schattierung. Plötzlich scheinen wir alle Teil einer großen Fremde oder eines ganzen Planeten zu sein.

Doch die Erde hat für mich seltsame Flecken. Sie ist politisch segmentiert und zerfasert, und diese Fragmentation erinnert mich immer wieder daran, dass der Weltbürger ein Ideal und kaum real ist, denn jeder Bürger würde an Barrieren von Nationalstaatenpolitiken scheitern, noch bevor er Welt– oder Weltenbürger werden könnte. Und das schon seit Columbus. Die Welt ist groß? Nicht für jeden. Rettung? Kommt drauf an. Wer hat denn nun die ganze Welt regiert? – Niemand! Und das wird auch niemand, denn die ganze Welt passt nicht in einen einzigen Kopf. Selbst Geld gibt es nicht überall, also: Money doesn‘t rule the whole world, but just a part of it.

Wie könnte ich trotzdem noch Weltbürger im Geiste Humboldts werden? Würde es reichen, dass ich mehr als sechs Monate im Jahr in Flugzeugen verbringen würde und damit meinen ersten Wohnsitz in Deutschland verlöre? Ich bekäme Ärger und wäre gezwungen, mich auf einen Wohnsitz festzulegen – der Steuern wegen, denn Weltsteuern gibt es nicht. Wäre ich staatenlos, wäre ich verloren, keiner würde was mit mir zu tun haben wollen. Ich hätte horrende Einreiseprobleme, weil nicht klar wäre, wohin ich gehörte – ich könnte ein Feind sein! Der Status Frau von Welt ist da schon einfacher zu erreichen, da braucht man bloß ein bisschen zu reisen und viele exotische Geschichten zu erzählen. Dabei ist einem sogar das Internet behilflich. Weltbürger, mit allem was die Begriffe Welt und Bürger mit sich bringen, kann schon aus nationalstaatlichen Verfassungen heraus bis heute niemand werden. Der Begriff ist zu ideal, denn so rund ist die Erde schließlich auch wieder nicht, wie wir sie uns vorstellen.

Globalisierung ist ebenfalls ein Ideal, denn die politischen Asymmetrien auf diesem Planeten widerstreben ihr. Sie ist so ein Unbegriff wie universal oder total. Ideale sind Druckmittel, aber keine echten Zustände. Und unglaublicherweise konnte Humboldt nur das Ideal von Weltbürger werden, weil schon zu seinen Lebzeiten der Planet in den Köpfen vieler Leute globalisiert war. Seine Ideale sind aber bis heute Ideale geblieben. Globalisierung hat doch zum einen mit der Frage zu tun: Wie kommt die ganze Welt in meinen Kopf? Und die Antwort darauf kapituliert zumeist vor der Angst vor dem Verlust an kultureller oder sozialer Schwerkraft. Aber die Welt umfasst nun mal die ganze Erde, global gesehen oder nicht.

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