Kunst – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Handlungsspielraum http://superdemokraticos.com/themen/literarischer-aktivismus/handlungsspielraum/ Sun, 04 Dec 2011 13:57:37 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5349

WIR SIND bloß KÜNSTLER, WAS KÖNNEN WIR TUN?
Ist Herumheulen das einzige, was du tun kannst? Was wollen wir tun? ODER was wollen wir nicht tun? Ich möchte nicht bei einer Ausstellung mitmachen, die sich im Titel über den Holocaust lustig macht! Spielverderberin! Kunst ist Krieg! Komm schon, es ist nur ein Titel! Kunst muss nicht politisch sein! Kunst ist Kunst. Denk nicht so viel drüber nach, es muss keinen Sinn ergeben…

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Brief an die Kultursenatorin der Hansestadt Rostock http://superdemokraticos.com/themen/intellektuelle/brief-an-die-kultursenatorin-der-hansestadt-rostock/ Sun, 23 Oct 2011 07:00:41 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5365 Hansestadt Rostock
Kultursenat der Hansestadt Rostock
Frau Dr. Liane Melzer

Spielzeitheft 11/12 des Volkstheaters Rostock
Ihr Vorwort

Sehr geehrte Frau Dr. Melzer,

im oben genannten Spielzeitheft des Volkstheaters Rostock schreiben Sie, dass „das Theater Bildung vermittle und Kreativität fördere“. Dazu möchte ich gerne einiges ergänzend anführen und danke Ihnen vorab für Ihr freundliches Interesse:

Ihrer Wunschbetrachtung, das Theater als eine Bildungseinrichtung zu begreifen, kann das Theater aufgrund seiner Beschaffenheit nicht nachkommen. Das Theater ist keine Schule und auch kein schulisches Ergänzungsangebot, sondern ein Ort der Subjektivität. Der Spielplan des Theaters ist kein Lehrplan, sondern eine reine Befindlichkeit und Befindung. Anders als in Schulbüchern und Nachschlagewerken, liegen die Themen der Texte gerade nicht zur Entnahme bereit, sondern unter einer Textoberfläche verborgen, durch die zuerst die Kollegen vom Theater und schließlich die Zuschauer hindurch greifen müssen. Statt Bildung zu vermitteln, ist das Theater damit befasst, den Unterschied zwischen Bildung und Einbildung sichtbar zu machen. Dabei ist es zu keiner Zeit der Verwaltung oder sonst einer Ordnung verpflichtet, sondern ausschließlich seinen Figuren. Die Mittel des Theaters sind weder die Agitation, die didaktische Beeinflussung, noch die Bekundungen der Demokraten, sondern die Mittel der Literatur, insbesondere die Überhöhung, die Allegorie und die Abstraktion. Gerade aus dem Umgang mit diesen Mitteln ergibt sich ein Mehrwert an Information, ein anderer Blick auf die Dinge, wegen dem der Zuschauer in das Theater kommt. Nicht die Bildung treibt den Zuschauer dorthin, sondern sein Zweifel an ihr

Demnach ist das Theater kein Ort der Bildung, sondern ein Ort des Zweifels. Der Betrieb des Theaters ist nun kein Luxus für eine privilegierte Minorität, sondern ein Zeichen des Vertrauens der Administration an die Mündigkeit des eigenen Volkes und der Bevölkerung. Die Funktionstüchtigkeit des Theaters ist nicht über die Anzahl der verkauften Eintrittskarten und sonstige betriebswirtschaftliche Faktoren zu messen, sondern über seine Diskurskraft, die es in die Stadt hinausträgt. Nicht der wirtschaftliche Erfolg, sondern das Bereitstellen von Unruhe, Unordnung und Unsicherheit ist die tatsächliche Leistung des Theaters

Das Theater, das gerade noch Spiegel der Stadt war, wird nun durch die Stadt widerspiegelt. Es arbeitet, natürlich im Wissen um die Vergangenheit der Stadt und das Zustandekommen dieser Vergangenheit, nach vorne, also in die Zukunft gerichtet oder anders gesagt: eine Stadt, die ohne ein Theater auskommt, wobei es völlig unerheblich ist, ob das Theater in eine Schule, ein Sport- und Kongresszentrum ungewidmet, dem Erdboden gleichgemacht auf der Stelle vergessen wird, ist eine Stadt der Vergangenheit, in der die Bewohner dieser Stadt anstatt zu wachsen und wachsen zu können, mit jedem Jahr kleiner werden, bis sie schließlich nicht mehr da sind

Bevor ich nun meine Ausführungen beende, möchte ich noch kurz auf den Begriff „Kreativität“ eingehen. Dieser Begriff, der einmal als Synonym für einen ergebnisoffenen Versuch stand, ist durch eine inflationäre, nicht seinem Sinn entsprechende Benutzung sinnentleert und blöde geworden. Kreativität bedeutet heute nichts anderes als Dreck, miese Bezahlung und stumpfsinniges Arbeiten unter unerfreulichsten Bedingungen. Kreativ sein in Berlin, bedeutet Dreck sein in Berlin. Kreativ arbeiten, bedeutet unbezahlt für andere arbeiten. Die so genannte kreative Arbeit ist heute nicht mehr, als eine Beschäftigung. Schon die Bezeichnung „Kreativindustrie“, die für die Vermarktungsbranche Anwendung findet, zeigt auf, wie unbrauchbar der Begriff Kreativität für die Beschreibung von Kunst und künstlerischer Arbeit geworden ist. Wie die Kultur, ist die Kreativität evaluierbar und entsprechend durch jene, die diese Bewertung durchführen, zu beeinflussen. Die Kunst entzieht sich dieser Bewertung, sie ist unabhängig, worin ihr tatsächlicher Wert liegt.

Es grüßt Sie herzlich aus Berlin
Oliver Kluck

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ohne familie kann man leben http://superdemokraticos.com/themen/burger/ohne-familie-kann-man-leben/ Mon, 30 Aug 2010 07:00:20 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1269 Aktivismus, Poesie, Familie, Musik…

In meinem Leben gibt es zwei große Pfade, die sich nicht voneinander trennen lassen: der eine ist der soziale und kulturelle Aktivismus, der andere die Poesie.

Ausgehend von diesen Grundlagen, erschaffe ich mir meine Welt. Ich bin Teil eines künstlerischen und sozialen Kollektivs, das es mir teilweise ermöglicht, beide Pfade gemeinsam zu verfolgen, aber gleichzeitig und in bestimmten Momenten prallen sie in mir aufeinander: das Öffentliche und das Private.

Mit dem Kollektiv Yonofui praktiziere ich sozialen Aktivismus. Wir arbeiten mit Frauen in Gefängnissen, kooperieren mit anderen sozialen Organisationen und staatlichen Einrichtungen, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Beispielsweise in Bezug auf Hausarrest, die „Allgemeine Zuwendung für das Kind“ (eine im Jahr 2009 in Argentinien eingeführte Form von Kindergeld für Mittellose, Anm. d. Ü.), den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Gesundheit usw.

Es geht darum, ein neues politisches und kulturelles Bewusstsein zu erschaffen.

In den Gefängnissen koordiniere ich Werkstätten zu Poesie und eine zu Briefliteratur, und wir realisieren viele Kunstprojekte, Ausstellungen, wir publizieren Bücher, Platten und Fanzines. In einem Monat wird das dritte Poesiefestival in einer Haftanstalt stattfinden, an dem um die 20 geladene Dichter, Musiker und eine große Menge von Menschen teilnehmen und einen Tag mit Poesie in der Einheit 31 von Ezeiza (ein Frauengefängnis in Buenos Aires, Anm. d. Ü.) verbringen werden.

Auf der anderen Seite ist der Ort, an dem wir arbeiten, ein zurückgewonnener Raum, eine nachbarschaftliche Versammlung, die inmitten der Krise im Jahr 2001 entstanden ist und zur Zeit mit der Stadtverwaltung im Konflikt steht, die kulturelle, gemeinschaftlich genutzte Räume zerstören möchten. Auch hier, als Mitglied dieses Kollektivs, das das Kulturzentrum Bonpland bildet, nehme ich aktiv an Aktionen teil, um diese Freiräume zu schützen.

Und manchmal erschweren all diese Aktivitäten den stillen Akt der Poesie. Man surft durch die Sitzungen, die dringenden Notwendigkeiten, mit denen wir es zu tun haben, mit den ewigen Reisen zu den Haftanstalten, um jene so zufriedenstellenden Momente zu finden, die uns das Schreiben schenkt.

Vielleicht ist es deshalb so, dass meine Poesie von diesen Konflikten durchzogen ist, von diesen Realitäten, die Teil meines alltäglichen Lebens sind. Wenn ich darüber nachdenke, was das Wichtigste in meinem Leben ist, ob der Aktivismus oder die Poesie, so fällt mir die Entscheidung schwer. Für mich gehören sie zusammen, und nicht, weil ich der Ansicht bin, dass es für alle so sein sollte. Ich glaube nicht, dass der Künstler dazu verpflichtet ist, sich in sozialen Konflikten zu engagieren, und nichts dergleichen. Das ist, was allein mit mir geschieht und es hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun, mit meinen Entscheidungen.

Ich genieße es auch sehr, Projekte ins Leben zu rufen, die sich mit Poesie, mit Kunst beschäftigen, und so entstand Voy a Salir y si me Hiere un Rayo (Ich gehe raus und wenn mich ein Blitz trifft), ein kleiner Verlag für Poesie und ein Literaturvertrieb, der entstand, um den Produktionen unabhängiger Verlage größere Sichtbarkeit zu verschaffen und sie in Umlauf zu bringen. In diesen Tagen werden wir, gemeinsam mit ein paar Freunden, die eine sehr alte und wunderschöne Druckerpresse haben, eine Reihe von Poesieblättchen herausbringen. Wir ließen uns auf dieses Projekt, das aus eigener Kraft entstanden ist, ein, und es macht mich glücklich, es erfüllt mich mit einer freudigen Energie, trotz aller Unbarmherzigkeit dieser Zeiten, solche Projekte und solche Räume künstlerischer Reflexion hervorbringen zu können.

Und, ja, ohne Familie kann man leben, aber ohne die Musik definitiv NICHT!

Und ohne Liebe auch nicht.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Wegwerfkörper http://superdemokraticos.com/themen/koerper/espanol-descartables/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/espanol-descartables/#comments Fri, 13 Aug 2010 14:25:56 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=784 Über die neueste Installation des argentinischen Künstlers Diego Bianchi

Für die Installation „Ejercicios espirituales“ (Spirituelle Übungen) verteilt Bianchi Körperteile, Rümpfe, Extremitäten, unvollständige und versengte Körper, mit Zement bespritzt, Köpfe, Haarknäuel auf dem Boden, an der Decke und an verschiedenen Stellen im Raum, der eher einer Folterkammer als einer Kunsthalle gleicht.

In früheren Werken arbeitete Bianchi (den ich für einen der interessantesten zeitgenössischen Künstler Argentiniens halte) mit Objekten, sammelte Wegwerf- oder weggeworfenes Material, praktisch Müll, um seine Installationen herzustellen.

„Mehrere Tage lang sammelte ich auf der Straße Sachen zusammen: Schachteln, Tüten, Kunststoff, Papier, Möbel, kaputte Stühle, Lichtröhren usw. Ich durchsuchte Kästen mit alten Accessoires, ergatterte Stoffe, Rohre, kaputte Gläser, Holzstücke, Schläuche, Kabel, Schnüre. Ich nahm Styropor, Äste, Pflanzen, Flyer, Dokumente, überfällige Rechnungen, Fotos, Kassetten, Disketten, Zeitschriften, Laken, T-Shirts mit. Ich benutzte alle Kissen im Raum, Gartenstühle, zwei Gemälde von Fernanda Laguna, Türen, Plastikstühle, das Telefon, den Tisch, die Treppe und die Bänke… Als schließlich alles da war, begann ich, mich mit all dem um die Säule zu bewegen, ich fing an, alle Dinge zu vermischen, sie zu verdrehen, sie festzubinden, sie umeinander zu wickeln…“ (Diego Bianchi über die Installation „Daño“ (Schaden) in der Galerie Belleza y Felicidad (Schönheit und Glück)).

In dieser Installation sind es nicht Objekte, die foltern und verbiegen, sondern Körper oder Körper-Objekte. Es erschien mir äußerst machtvoll, wie diese gefolterten, Körper genannten Objekte manipuliert werden, ihnen Gewalt angetan wird und wie sich ihnen die Macht anderer Körper aufzwingt. In diesem Übergang von Dingen zum Körper und von der Installation zur Skulptur, werden diese Körper jetzt gemeißelt, geformt und diese Objekte sind Körper… auch sie zum Wegwerfen.

Weil diese Körper, wie Fabre in seinem Artikel sagte, unter einer Diktatur der Mode und unter einer Diktatur der Kommunikation stehen, machen sie uns glauben, wir seien frei, wir wählten… während eigentlich alles manipuliert ist. Insofern ist es richtig, weiterhin von der „Gefügigkeit“ der Körper zu sprechen.

Und diese Gefügigkeit des Materials, das – so Bianchi – wie die Körper unterworfen, benutzt, transformiert und perfektioniert werden kann, spricht vom permanenten Zwang, der vielmehr über die Vorgänge der Aktivität als über die Ergebnisse wacht.

Diese disziplinierende und kontrollierende Macht, von der Foucault sprach, verstärkt in dieser globalisierten Zeit die schweigende Strafe, die darauf abzielt, gezähmte, verwertbare und Wegwerfkörper zu produzieren.

Übersetzung: Marcela Knapp

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