Kommunismus – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Globalisierung: Für Kuba zutreffend? http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/globalisierung-fur-kuba-zutreffend/ Wed, 22 Sep 2010 15:14:12 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2057 Das Wort Globalisierung ist auf Kuba doppeldeutig. Wir haben sicherlich nicht diese in vielen Ländern vorzufindende hybride Wirtschaftsform, die ein allgemein anerkanntes Kennzeichen der Globalisierung ist. Eigentlich haben wir gar keine Wirtschaft. Auf Kuba war das lange ein verbotenes Wort. Zunächst einmal deshalb, weil in der von der Kubanischen Revolution geschaffenen Staatsform der Staat die Verantwortung für die Wirtschaft übernahm. Es ging darum, ein Modell für ein zukünftiges Land aufzubauen, oder besser gesagt, für eine zukünftige Welt. In diesem Modell war, wie in jedem Modell, die Wirtschaft grundlegend.

Die Konsequenz? Heute haben wir einen Expräsidenten, einen historischen Mythos und einen halbwegs linksradikalen Dinosaurier – Fidel Castro, jawohl – der in einem Interview zugibt, dass das Modell des kubanischen Sozialismus nicht sonderlich gut funktioniert. Auch wenn er später die Aussage zurücknahm, steht diese Erklärung doch sehr offensichtlich im Zusammenhang mit den neuen wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Präsident Raúl, seinem Bruder, in denen zum ersten Mal seit 50 Jahren nicht nur das Privateigentum wertgeschätzt wird, sondern auch über Massenentlassungen Anreize für die private Akkumulation geschaffen werden. Wie spiegelt sich das im Alltag wider? Sagen wir mal so, dass die Globalisierung der Wirtschaft eine Legende ist, über die ich so viel gehört habe, dass ihr Einfluss auf die Wirklichkeit dem Einfluss der Legende vom Weihnachtsmann gleicht…

Ein weiteres Kennzeichen der Globalisierung: die Zunahme der Migrationsbewegungen. Im Fall von Kuba hat auch hier der nationalistische-kommunistische-sozialistische Staat (das waren die verschiedenen Bezeichnungen des revolutionären Prozesses) unter je unterschiedlichem Vorzeichen, in verschiedenen Kontexten und zu sehr umstrittenen Bedingungen massive Auswanderungswellen angestoßen. Zugleich wurden dem normalen kubanischen Staatsbürger Auslandsreisen verboten. Die Ausreiseerlaubnis – und die Einreiseerlaubnis für den emigrierten Kubaner – machten die Insel zu einem gigantischen Gefängnis, dessen Außenmauer das Meer war. Also, … das mit der Migration ist ein delikates Thema für jeden Kubaner und weit vom modus vivendi eines privilegierten Bürgers der Ersten Welt entfernt.

Zu guter Letzt betet die Propaganda der neuen, vom Norden gehätschelten Ideologie der – Globalisierung (welche andere hätte es sein können? ) – vor, dass jeder von uns ein Mosaik sei. Nun gut, von Lateinamerika aus betrachtet würde die Sache anders aussehen oder sieht sie anders aus… Die Befreiung unserer Länder von der Kolonialherrschaft wurde auf der Basis des Ausschlusses vieler Teile des kontinentalen Mosaiks errungen. Die Ureinwohner, Schwarzen und Chinesen und andere mehr wurden innerhalb jedes Landes an die Ränder einer kreolischen Gesellschaft gedrängt, die sich als weiß und europäisch verstand.

Gegen Ende dieses Prozesses fingen viele „Ethnologen“ an – auf Kuba haben wir Fernando Ortiz –, über Synkretismus, Transkulturalisierung, letztlich über kreuz und quere Mischungen zu sprechen. Jedoch hat dieses Bestreben, alle Teile des Mosaiks als Zutaten ein und der selben Suppe zu verstehen, etwas sehr Trügerisches und Vorgegaukeltes. Es handelt sich um eine Form des Einschluss ohne einzuschließen: Was schließen wir ein, wenn alles schon da ist? Die Entwicklungslinie dieses Denkens – welches positivistische Züge trug – reicht bis ins 20. Jahrhundert und fand Eingang in die Kubanische Revolution. Und zwar in dem Moment, als diese auf einzigartige Weise erklärte, alle Minderheitenorganisationen des Landes auflösen zu wollen und jede Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe zu verbieten, indem sie einerseits eine Politik der positiven Diskriminierung ins Leben rief und anderseits verlautete, dass ein Revolutionär nicht rassistisch sein könne. Es würde eine gute Lektion in Politik abgeben, würde man analysieren, wie die Kubanische Revolution die Differenz zwischen dem „Sollen“ und dem „Sein“ ideologisch gehandhabt hat: leider aber eine Lektion in Politik, die dazu führen würde, über den „Multikulturalismus“ zu sprechen, diese globalisierte Etikette.

Übersetzung: Anne Becker

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Erleuchtende Spannungen http://superdemokraticos.com/themen/burger/erleuchtende-spannungen/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/erleuchtende-spannungen/#comments Sat, 21 Aug 2010 09:50:55 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1028

Blick aus dem Fenster. Foto: Agustín Calcagno

Der wesentlichste Aspekt des Wandels, den Lateinamerika in den letzten Jahren durchlebt hat, besteht darin, Licht auf die sozialen Spannungen geworfen zu haben, die zuvor im Halbdunkel lagen. Die vielfältigen und gefärbten Gesichter, die unseren Horizont bevölkern, Gesichter der Meere der Berge der Wälder der roten Kneipen am Rand des Abgrunds und in der Nähe des Himmels; diese unzählbaren Gesichter unseres Kontinents waren bis zu diesem Punkt in der Geschichte Gefangene eines monotonen Diskurses, der gedacht worden war, um das Vielfältige beschämend, unwürdig und wenig zivilisiert erscheinen zu lassen.

Die Mehrheiten und die Dinge, die der Großteil der Menschen denkt, fühlt und braucht, wurden in die Dunkelheit des Bettelns verbannt. Der Arme war es nicht würdig vom Besitz derselben Dinge zu träumen wie der Reiche. Der Arme musste auf seine Armut stolz sein, sich darüber freuen, ausreichend zum Überleben zu haben… Und dankbar sein… Als ob das Leben ein Geschenk des kreolischen Edelmuts sei, musste der Arme außerdem ein Indio sein und in der Konsequenz doppelte Gnade erhalten, da sie Gott empfangen hatten…den richtigen… Ein Gott, der unsere Dankbarkeit und unser schweigendes Lob braucht. Sie baten uns zu schweigen, ausgerechnet uns, die wir die lärmende Materie der Vielfalt, der heterogenen Landschaften, der ewigen, in jeder Ecke schwebenden Musik sind. Sie baten uns zu schweigen, uns, die wir die spanische Kultur anzunehmen und mit Talenten, mit verführerischen Akzenten, die in die verschiedensten Gesichtszüge eingeschrieben sind, zu füllten wussten. Schweigen, Akzeptanz, Monotonie, Scham.

Aber die Kraft des Blutes und der Erde ist mächtiger als die Herrschaft; und die offensichtliche Spannung zwischen einem monotonen, eurozentrischen Diskurs und unserer Vielfalt trat ans Licht. Manches Mal hervorgerufen durch tausende Stimmen, andere Male durch Geflüster. Noch so viele Male durch triumphierende Tränen der Revolution und viele andere durch totes Schluchzen, durch staubige Augen junger Körper. Das herrschende System, das dieses winzige Stück auf der Landkarte bewohnt und auf dem sich die Vorteile aller, die wir Sauerstoff atmen, konzentriert, lockerte sich. Sie hatten so lange darauf bestanden, uns davon zu überzeugen, dass die Ungleichheit unvermeidbar ist, dass sie selber begannen, ihren eigenen Diskurs zu schlucken. Sie gelangten zu dem Glauben, dass die Geschichte an eben jenem Punkt anhalten würde, der sich für sie als vorteilhaftester erwies. Sie waren Narzissten, die ihr Leben mit feuchter Eitelkeit verblendeten, und möglicherweise macht dies es ihnen heute schwer, ihre Köpfe aus dem Wasser zu ziehen.

Seit den Siegen der neuen populären Regierungen begannen die realen Spannungen unserer Gesellschaften in den Diskussionen, den politischen Disputen, im alltäglichen Leben aufzutauchen. Diese neuen Mächte richteten ihre Lichter auf die ausradierten Gebiete der sozialen Landkarte: auf diejenigen Gebiete, die von Armen, Ausgeschlossenen, in den Fokus der Justiz Geratenen, bewohnt werden, wie auch auf die ewigen Gebiete, die die koloniale Macht vor unseren Augen verborgen hat. Die neuen, lateinamerikanischen Regierungen hatten die Tugend der Erleuchtung – in allen Bedeutungen des Wortes. Auf der einen Seite entblößten sie die faktischen Mächte, die uns jahrhundertelang beherrscht haben; und parallel dazu zeigten sie auf, dass andere – inklusivere und abwechslungsreichere – Formen der Herrschaft sich in Gemeinsinn verwandeln können, in Macht.

So wie die sanften, braunen Körper in der Sonne mit dem harten Schritt derjenigen zusammenleben, die wir weiter im Süden das Feuer in trockenen Worten erforschen, so leben unsere Regierungen miteinander, obwohl sie verschiedene Ziele und Strategien verfolgen. Sie leben miteinander und werden bereichert, weil sie bemerkt haben, dass unsere Farbpalette groß ist. Das unterhaltsame, südamerikanische Geschrei, das des Volkes, das auf der Straße gesprochen wird, sucht Worte Begriffe, Ideen, die ihre Erwartungen und Vision der Vergangenheit beinhalten; die von ihrer eigenen, vielfarbigen Vergangenheit sprechen; nicht jene, die von einigen Büchern wiedergegeben werden, die von nur gen Norden schauenden Intellektuellen erwähnt werden; diese sind Filme, Strophen von Hymnen, vollbusige Lieder oder schwachsinnige diskursive Verrenkungen, die von Ökonomen in den Stein gehauen wurden.

Meinerseits erobere ich die Straße alleine oder in Begleitung vieler anderer, die die Verpflichtung verspüren, sich zu verteidigen, sich zu offenbaren, die dunklen Gebiete zu enthüllen. Die unterschiedlichsten Beweggründe motivieren uns, Forderungen, die kein Zentrum zu haben scheinen. In Wahrheit ist es so, dass uns das Bewusstsein eint, dass es kein einzelnes Zentrum geben soll… unsere Tugend ist gerade das Wissen darüber, dass Spannungen immer da sein werden, aber dass wir sie zunächst einmal beleuchten müssen, damit sich aus ihnen Forderungen herauskristallisieren, die die Welt gerechter machen.

Übersetzung: Marcela Knapp

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