Kolonien – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Eine Horde Zombies kommt auf Sie zu http://superdemokraticos.com/themen/intellektuelle/eine-horde-zombies-kommt-auf-sie-zu/ http://superdemokraticos.com/themen/intellektuelle/eine-horde-zombies-kommt-auf-sie-zu/#comments Mon, 17 Oct 2011 17:08:34 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5284 Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen Auszug aus einem Vortrag von Prof. Dr. Phil. Dipl. Söz. Sesperado vom Berliner Institut für Lyrische Guerilla und Insurrektion (kurz BILGI) zum Thema “Intellektuelle”:

Sehr geehrte Damen und Herren, und diejenigen, die sich nicht entscheiden wollen,

Ich begrüße Sie ganz herzlich zu meinem Vortrag zu dem Thema: “Die Rolle der Intellektuellen, heute”. Wenn ich einen Blick in die Feuilletons der deutschen Mainstream-Zeitungen werfe, dann kostet es mich viel Mühe, meinen Brechreflex zu kontrollieren. Hier masturbiert sich oft eine Riege von weißen, männlichen, heterosexuellen, christlich(-säkularen), aus höheren Bildungsschichten (wobei hier auch der Grad der Verbildung nicht zu unterschätzen ist) kommenden Intel(arsch)le(c)ktuellen einen auf ihren eigenen Intellekt. In den seltensten Fällen geht es dabei um die Sache, über die sie schreiben, sondern meist nur darum zu beweisen, wie intelligent sie im Gegensatz zum Mob sind. Werden diese hegemonialen Intellektuellen mit ihrer eigenen Unwissenheit konfrontiert, reagieren diese nicht mit kritischer Selbstreflexion, sondern mit Abwehr: Was, Deutschland hatte Kolonien? Was, in Deutschland gibt es Rassismus? Was, Zweigeschlechtlichkeit ist sozial konstruiert? Das Problem dieser unweisen Weißen ist, dass sie so privilegiert sind, dass sie selten an die Mauer stoßen, die ihnen sagt: Du gehörst nicht zur Norm. Aber das Widersprüchliche an dieser Mauer ist, dass sie neue Wege des Denkens und Wahrnehmens ermöglicht. Wenn der direkte Weg nicht funktioniert, muss ergo ein anderer Weg gefunden werden. Wo lineares Denken versagt, muss laterales Denken, auch bekannt als Querdenken, eingesetzt werden. Und genau dieses Querdenken kreiert oft Möglichkeiten und Perspektiven, die diejenigen, deren Hirnfunktionen als Norm und für die Norm konstruiert wurden, fehlen.

Das Berliner Institut für Lyrische Guerilla und Insurrektion führte daher ein repräsentative Studie durch, um diese Unterschiede im Denken zu veranschaulichen. 8.000 Weiße wurden gefragt: Eine Horde Zombies kommt auf Sie zu. Wie reagieren Sie? Häufigste Antwort: Ich gerate in Panik und renne schreiend davon.

Die gleiche Frage wurde 8.000 People of Color gestellt, hier war die häufigste Antwort: Ich schalte einen anderen Fernsehsender an, bei Horrorfilmen sterben People of Color sowieso immer als erste.

Fazit: Während bei People of Color diskriminierungsbedingte Abhärtung (DBA) einsetzt, plagen sich Weiße oft mit Problemen der überentwickelten Welt.

Glücklicherweise gibt es auch Alternativen zu dem dominanten Intellekt in der BRD. Ob nun diese Leute sich als Intellektuelle bezeichnen würden, sei dahingestellt, möglicherweise würden sie das sogar als Beleidigung empfinden. Aber der große Unterschied zwischen der hegemonialen Stimme und diesen anderen Stimmen ist, dass Intellekt nicht als Selbstreferenz fungiert, sondern das Wissen so tief ins Bewusstsein eindringt, dass es sich auch in Handlungen widerspiegelt. Dafür sind die Blogs von Noah Sow derbraunemob, kiturak some of us are trying to have civilization here, aber auch von der Weißen Nadine Lantzsch Medienelite gute Beispiele, wie sich kritische Selbstreflexion zu Themen wie “Rasse”, Weiß-Sein, Sexualität, Gender etc. ins Handeln übertragen kann.

Meine Damen und Herren, und diejenigen, die sich nicht entscheiden wollen.

All zu schnell tappen wir in die Fallen der intellektuellen Zombies. So erreichte mich unlängst ein Leserbrief, signiert von einer befreundeten Leserin, in dem sie sich zwar für die Informationen bedankte, die ich auf sozialen Netzwerken teile. Gleichzeitig beschwerte sie sich aber darüber, dass sie die Hälfte nicht verstünde, weil  sie viel zu kompliziert/akademisch geschrieben seien. Ich versprach ihr daran zu arbeiten: Elitäre Intellektmasturbation ist einfach, aber wirkliche Veränderung bezieht alle Menschen mit ein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Unser Ausland http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/unser-ausland/ Wed, 06 Jul 2011 11:35:40 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=4259 Europäische Reisefreiheit: ja. Reisefreiheit der anderen nach Europa: nein. Welche Grenzen trennen uns eigentlich?

Unter dem Autodach aufgeheizte Luft. Knisternd eingestellte Radiomusik. Noch erinnere ich mich an die Autoschlangen vor Italien und an das Warten auf die Kontrolle vor dem Einlass in die ehemalige DDR, an den staubigen Geruch der Autopolster, der die Ahnung eines Endpunktes begleitete. Das war knapp. Ein wenig jünger, und ich wäre nicht mehr an diese Erinnerung herangekommen, für mich hätte es ein Europa gegeben, dessen Offenheit dort aufhört, wo man gar nicht hin will, einer Welt, deren strengste Begrenzung für uns Westeuropäer in den Flugpreisen liegt. Die Vorstellung von einer Grenze, die wie gewaltige, vom Himmel herab hängende Stahlfalten zwei Länder voneinander teilt, ist mir nicht mehr vertraut.

Der Begriff der Grenze scheint schwebend geworden zu sein. In vielen Bereichen, von der Kriegsführung über Unternehmensstandorte bis hin zu unserem eigenen Erleben haben wir es nicht mehr mit klar umrissenen Gebieten zu tun, sondern mit wandernden Punkten, die mal hier, mal dort auftauchen, sich aber weder lange noch eindeutig auf ein bestimmtes Territorium festlegen lassen. Das Ausland gehört uns, wir kaufen dort ein, auch wenn wir scheinbar nur um die Ecke zu Lidl gehen, wir erholen uns dort, wir buchen uns den Sommer, wenn in Westeuropa gerade Winter ist, wir haben unsere Kriege dorthin ausgelagert. Es sind keine Kolonien mehr, sondern wir haben das Ausland gänzlich absorbiert, eingespannt für unsere Belange. Die Unterscheidung zwischen In- und Ausland macht noch insoweit Sinn, als dass alles, was angenehm ist minus das Wetter, Inland bedeutet und alles, was hässlich, giftig, gefährlich, unangenehm ist mit Ausnahme des Wetters, Ausland meint.

Noch immer gibt es gewaltsame Streitigkeiten um den exakten Verlauf von Grenzen, doch diesen Teil des Auslands haben wir nicht gebucht, er bleibt unserer Doppelhaushälfte so fern, dass es uns wie ein Gerücht vorkommt mit fraglichem Wirklichkeitswert. Allerdings, selbst in der EU kommen die Grenzen scheinbar unerwartet laut wieder ins Gespräch. Das Schengener Abkommen verändert sein Gesicht oder irgendjemand malt ihm einen falschen Schnurbart an, färbt ihm die Haare und erinnert daran, dass Schengen und Schergen nur einen Buchstaben voneinander entfernt liegen. Durchaus, wir haben die europäische Reisefreiheit geschätzt, aber bitte, wenn die Italiener uns all die Flüchtlinge in den Vorgarten kippen, na, hören Sie, dann müssen wir den Vorgartenzaun eben doch wieder höher ziehen.

Er hat Bedeutung, der Begriff der Grenze, und die Grenzen selbst sind wie Stahlfalten, in denen sich einige bedauernswerte Gestalten verfangen und verloren gehen. Wir bedauern sie nicht, wie bekommen wenig von ihnen mit. Wie die Grenzen in den Herzkranzgefäßen, die mehr ein Ventil als eine Mauer sind: Von innen kommt man raus, aber von draußen kommt man nicht rein. Nun sind unsere Grenzen noch perfider als ein gewöhnliches Ventil, denn sie erkennen auch in dem, der hinaus gereist ist, den zum Inneren Gehörenden wieder, auch in dem, der bereits drinnen ist, registrieren sie, dass er eigentlich nach draußen gehört, sie wechseln ihre Pumprichtung von Fall zu Fall. Natürlich nicht willkürlich, nein, unsere Grenzen sind korrekt und reglementiert und jedem von uns ist ein Erkennungsmerkmal eingepflanzt, das uns zu einem Drinnling oder einem Draußling macht. Bei manchen Menschen, bei denen dies zu hoch eingestellt ist, gibt es einen hässlichen Rückkopplungston, wenn eine Drinnen-Frequenz auf eine Draußen-Frequenz stößt.

Unsere Grenzen. Sie gehören uns, wie uns das Ausland gehört, und wir bestimmen, was sie können, was sie bewirken, für wen sie gelten. Wir selbst nehmen uns zwei Wochen Thailand oder Chile im Jahr, wir haben uns einen Teil Asiens als Industriepark gepachtet, die hässlichen, Gift schleudernden Fabriken ausgelagert, den versmogten Himmel, die schlechten Löhne und die meisten Risiken, die eine Hochindustrie mit sich bringt. Bisweilen kommt es mir vor, als wäre Westeuropa ein kleines Wunderland, wie es einst das Anwesen der Krupps war – Natur, Idylle, Rosenstöcke, alles von einem weichen Wald umgeben, und unten, im Tal, das wir gar nicht sehen können, weil eine dichte Dunstwolke uns vom Rest der Welt trennt, dort unten muss es hässlich zugehen, aber wir wissen es nicht so genau.

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