jóvenes – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Kubanische Transition http://superdemokraticos.com/themen/burger/kubanische-transition/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/kubanische-transition/#comments Wed, 25 Aug 2010 07:04:26 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1099 Kuba befindet sich in der Transition. Radikale Transformationen im Modus Operandi der Politik der Kubanischen Revolution. Raúl Castro, Präsident des Staats- und Ministerrat, stellte in seiner Rede zum Abschluss der Legislaturperiode der Asamblea Nacional del Poder popular (Nationalversammlung der Volksmacht) einige seiner Reformpläne vor. Um den Ton seiner Vision eines anderen Kubas zu markieren, ersetzte er am Ende seiner Rede das übliche Patria o Muerte: Venceremos (Vaterland oder Tod: Wir werden siegen) durch eine knappe Danksagung an das Publikum.“

Das war der erste Absatz eines verworfenen Entwurfs für einen Konferenzvortrag vor einem hauptsächlich nordamerikanischen Publikum beim Avant Writing Symposium der Ohio State University im August 2010. Wie soll man Kuba in 30 Minuten erklären? Während ich schrieb, versuchte ich, die offensichtliche Antworte beiseite zu schieben, die erste die einem in den Sinn kommt: unmöglich.

Mein Vortrag ist über Literatur. Aber was kann man über Kuba in welchem Bereich auch immer sagen, ohne über Politik zu sprechen? Ich kehrte noch einmal zu meinem Entwurf zurück. Es musste doch möglich sein, ich würde es erneut versuchen. Hier ist der neue Entwurf:

„Seit den 70er Jahren kann man sehr genau den Widerstreit zwischen der offiziellen kubanischen Kultur, die in den Medien und im öffentlichen Raum gezeigt werden darf, und den kulturellen Bewegungen, die sich weigern, sich an offizielle Vorgaben zu halten oder die nur vorgeben, sich daran zu halten, und von der revolutionären Kulturpolitik zurückgewiesen werden, erkennen.  In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige alternative Initiativen eingehen, wie etwa auf die Cátedra de Arte conducta (Lehrstuhl für Verhaltenskunst) von Tania Brugueras, das Projekt Contexto (Kontext) von Desiderio Navarro, die unabhängige Galerie Aglutinador Laboratorio (Labor Bindemittel) von Sandra Ceballos und das neuere Gegenstück namens Xoho des jungen Rubén Cruces, so wie das Kollektiv OMNI Zona Franca (Freie Zone), das von den staatlichen Behörden geschlossen wurde, als es sich zu einem öffentlichen kulturellen Raum entwickelte.“

Ich halte die Finger auf meiner Tastatur an. Zweifel überkommen mich. Vermittelt der Ausspruch „intervenido por las autoridades“ (von staatlichen Behörden geschlossen) einen Polizeieinsatz  im Stil offizieller Absperrungen mit Polizeikette, Uniformen und schwerem Geschoss? Ich glaube nicht … Man müsste genauer werden, oder vielleicht, die Bilder zeigen. Und letzten Endes: Was würde es bringen? Die Fotos, wenn auch beeindruckend, sagen nichts über die Gründe. Ausländern muss man stets eine lange, sehr lange Geschichte erzählen, um ihnen den „Fall Kuba“ verständlich zu machen, oder genauer gesagt, um ihn wenigstens oberflächlich zu veranschaulichen. Das Gegenteil kommt vor, ist aber sehr selten. In der Mehrzahl merkt man, wenn man Ausländer befragt, dass sie rein gar nichts verstehen.

Ich gebe auf. Ich trinke einen Schluck Tee. Ein Schluck Tee kann immer Wunder der Veränderung bewirken, zumindest im Magen, der letztendlich eine der Hauptzonen jeglichen kulturellen Lernens darstellt. Ich tippe weiter in die Tasten, und ich lasse es zu, dass die erhofften Schlussfolgerungen fließen:

„Die Spannungen haben derzeit auf der Insel zugenommen. Wir finden heute im kubanischen Panorama selbst gebastelte Aufnahmestudios in Privathäusern, unabhängige Produktionsfirmen, die jungen oder herangehenden Künstlern illegal ihre Dienstleistungen anbieten.“

Das klingt gut, zumindest gibt es Hoffnung. Muss ich sagen, dass ich zu jenen jungen Menschen auf Kuba gehöre, die in ihrer Arbeit und ihrem Leben von der Hoffnung motiviert sind? Nein, lassen wir sie … Zu erklären, worin diese Hoffnung besteht, wäre blöder. Gehen wir über zur Schlussfolgerung.

So sieht’s aus, mein letzter Schluck. Der Tee ist kalt geworden. Ich muss noch einen machen. Ich lese meine Zeilen noch einmal, bevor ich mich von meinem Stuhl erhebe. Was für ein Vorträgchen. Transition, politischer Konflikt vs. Gesten alternativer Kultur, Hoffnung … Was für ein Blödsinn. Ich lösche alles und fahre den Computer herunter. Ich werde ein wenig schlafen. Es ist zwei Uhr nachts, und obwohl der Konferenztermin naht, schiebe ich das Schreiben meines Vortrags um einen weiteren Tag auf.

Übersetzung: Anne Becker

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Fragmente der Intimität http://superdemokraticos.com/themen/koerper/espanol-fragmentos-de-intimidad/ Thu, 29 Jul 2010 07:00:27 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=546 Manchmal glaube ich, dass ich meine eigene Intimität verloren habe. Dann nehme ich alles wie auf einem entfernten Bildschirm wahr, und mir scheint es, als lebe ich das Leben von jemand anderem. Eine nervöse Stummheit angesichts einer dringenden Frage. Das Gesicht im Spiegel ist eine neue Maske, mein Name eine vorschnelle Fälschung, meine Freunde und Familie verwandeln sich in unergründliche Wesen und meine Stimme gehorcht einem Unbekannten. Dann bin ich durchsichtig wie ein leeres Glas, und von allem trennt mich eine Wand aus weißem Rauschen. Ich fühle mich so merkwürdig, dass ich vergesse, was Intimität bedeutet.

Nach innen tauchen macht mich traurig.

Seit vier Jahren kann ich keine Fiktion mehr schreiben. Ich kann Chroniken, Essays, Berichte schreiben, aber keine fiktionalen Texte. Ich versuche, die Worte zu erzwingen und erziele Resultate, die mich nicht überzeugen. Habe ich vergessen, was ich sagen wollte? Die Show ist sehr real geworden und etwas hat crack gemacht. So viele Versuche, die persönlichen Spuren zu tilgen und mich in einen Mann ohne Eigenschaften zu verwandeln (war nicht das Ich die größte Fiktion?). Jetzt habe ich keinen Zugang mehr zu der geheimen Stimme, so als gäbe es nichts in meinem Inneren. Ich sehe, wie die anderen ihre Lippen bewegen, ohne etwas zu sagen und bekomme Lust, alleine zu bleiben, um zu versuchen, die geheime Stimme zu vernehmen. Einsamkeit und Stille.

Ich suche in mir drinnen. Begierig, entledige ich mich jeder bunten Maske, so als spielte ich mit einer Matroschka. Ich halte plötzlich inne angesichts der Ungewissheit, was ich finden könnte.

Resigniert, versuche ich wie ein Privatdetektiv die Intimität der anderen zu beobachten: Was denkt mein Bruder, der so wenig redet und ein geborener Einzelgänger ist; welche Form hat die Seele meiner Freundin, was tut ihr weh, was macht sie glücklich, was verbirgt sich hinter all den Schleiern, die mich verführen, welche Linien zeichnen diese letzte Falte, wo es keine Wörter gibt? Ich finde Fährten, die wie ein Blatt aus Sand zwischen meinen Fingern zerrieseln, sobald ich mich ihnen zuwende, um sie zu lesen.

Ich sehe im Innersten meiner Generation die Angst, nicht mehr jung zu sein, tätowiert. Angst davor, sich in Menschen zu verwandeln, die das Schlimmste als natürlich akzeptieren und die glauben, dass alle sich daran gewöhnen sollten. Älter werden wie die Signatur des Feindes. So als sei das Erwachsensein die letzte Kapitulation, so als sei die Verwandlung in die Eltern schlimmer als die Verwandlung von Samsa. Oder vielleicht ist das nur eine Projektion meiner eigenen partikularen Sorgen.

In der Tiefe meiner selbst bewahre ich ein Fotoalbum in Bewegung auf, die Schatten von zwei Freunden, die unsichtbar geworden sind, das Schwert des Vaterlands meiner Kindheit, ein Hund, der unter einem Baum schläft, der gutmütige Blick meines Großvaters Tomás, der mir Lesen beibrachte, eine Pille gegen den Sonntagsspleen, ein Pflasterstein einer Straße, die es nicht mehr gibt, ein paar Verse, die ständig ihre Bedeutung ändern, ein Taschentuch, mit dem ich jedes Mal winke, wenn ich Aufwiedersehen sage, eine Faust voll gealteter lauter Musikstücke, eine schwarze Gitarre, ein paar Versprechen. Nachdem ich ein Labyrinth durchquere, gelange ich zum intimen Archiv meiner Erinnerungen.

Sie kommt an, wir reden ein wenig und ziehen uns dann aus. Zur Abwechslung ist es mal kalt, aber die Körper erwärmen sich gegenseitig bis die Temperaturen sich vermischen. Ein Körper, der zuvor unbekannt war, strahlt jetzt die vertraute Illusion der Komplizenschaft aus. Ich hoffe, dass sie sich fühlt – wie ich jetzt, so wohlig wie das Hologramm von der Erfindung von Morel, der sich mit dem Wohlgefühl desjenigen bewegt, der sich nicht beobachtet fühlt. Ich vergesse für einen Moment, dass ich alles durch den Filter des Bewusstseins registriere, ich vergesse das Melodrama der Identität, die Unwegbarkeiten der sozialen Reproduktion, die updates des Superegos, die Politik. Ich atme ruhig und innig mit mir selbst. Zwischen Zizek und einem nackten Mädchen spricht die geheime Stimme.

Übersetzung: Anne Becker

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