Helden – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Wenn es irgendwas bringen würde http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/wenn-es-irgendwas-bringen-wurde/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/wenn-es-irgendwas-bringen-wurde/#comments Thu, 15 Jul 2010 08:36:29 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=464 Ich bin schon fast zum Zyniker geworden, weil ich nicht auf die Gewinner höre. Was können die uns schon sagen? Dass es hart war? Dass sie besser vorbereitet waren? Dass die Zeit ihnen schlussendlich Recht gibt? Dass ihre Heldentat fundamental wichtig war und wir an den Wert, die Intelligenz und die Schicksalhaftigkeit der Helden glauben müssen? Dass dieser unvergessliche Moment uns prägen wird?

Ich wurde gefragt, ob die Geschichte für mich wichtig ist. Ich würde unheimlich gerne ja sagen, vor allem um zu lernen, um diesem Drang, Sicherheiten zu gewinnen, wo früher einige Zweifel waren, nachzugehen, um die Forschungsarbeit auf jene möglichen Irrtümer zu durchforsten, die uns dazu bringen, an etwas zu glauben: an ein System von Errungenschaften, die tatsächlich keine waren oder die etwas Anderes waren. Irgendwann später finden wir heraus, wie die Ereignisse genau abgelaufen sind, macht euch darüber keine Sorgen. Die Wahlen können eigentlich außer Acht gelassen werden, es gewinnt sowieso immer einer vom technischen Komitee.

Ich würde echt gerne ja sagen, aber … nein.

Übersetzt das, was jetzt kommt bitte nicht wortgetreu sondern symbolisch, aber fast wörtlich: Vor ein paar Wochen kam es in meinem Land zu einem großen Tumult. Da hat irgendeiner mit Macht und militärischer Uniform aus Venezuela – ich denk mal der Präsident und ein paar von seinen Freunden oder Kollegen, der aus Ecuador beispielsweise – ein zu Staub verfallenes Skelett ausgegraben und ihm die letzte Ehre erwiesen, oder es in einen anderen Sarg gelegt, oder das Lebensende – oder besser gesagt den Tod – von diesem Typen abgeändert. Jedenfalls haben sie ihm so einen glitzernden und super-mächtigen Spitznamen erteilt, so wie etwa General der Ehrenbrigade des Bolivarianischen Heeres. Sie haben dabei ganz sicher an die zukünftigen Generationen gedacht. Was für ein Titel, oder?

So was nennt man, jemandem posthum zu ehren und da ich denke, dass meine Mutter, meine frühere Chefin oder meine Professorin für soziopolitische Geschichte diese Ehren verdient hätten, finde ich die Geste an sich nett, sympathisch, nobel, angenehm und sogar harmlos. Eine Zeitverschwendung, das schon, wenn man bedenkt, was man alles noch zu überprüfen hat. Dinge, die eher damit zu tun haben, wie wir heute sind als damit, was wir einmal waren. Ich weiß, dass all dies nicht neu ist und dass die Mehrheit der Jugendlichen so denkt aus geistiger Faulheit und auch ein wenig aus Ignoranz heraus. Aber ich hoffe, dass das Land und seine Nachbarn auf dem Kontinent mir verzeihen mögen: meine persönliche Geschichte und die meiner Lieben ist mir in diesem Moment, in dem sich unsere Länder befinden, wesentlich wichtiger als die Kämpfe, die von meinen geschätzten Vorfahren gegen bedeutende Feinde geführt wurden.

Vor einem Monat war ich in Barcelona, Spanien, und habe Pepe Ribas, den früheren Herausgeber der Zeitung Ajoblanco besucht. Wir wurden begleitet von der kubanischen Schriftstellerin Wendy Guerra, ihrer Agentin Carina Pons, dem kulturellen Manager Marc Caellas und einem stämmigen und kahl geschorenen Kinoregisseur, an dessen Namen ich mich peinlicherweise nicht mehr erinnern kann. Jedenfalls hat er uns einen Film gezeigt, den er gerade erst fertig gedreht hatte und der sich in der Postproduktionsphase befand. In diesem Film wurde eine wichtige Frage aufgeworfen: Wir beschäftigen uns mit den Kriegen, während sie stattfinden und wenn sie dann beendet sind, fühlen wir uns beruhigt, oder müde. Wir denken, dass wir an einem haarsträubenden Abschnitt der Geschichte teilgenommen haben und dass es ausreichend ist, die Taten und die Schuld zu bestimmen und uns an sie zu erinnern. Aber: Was passiert mit den beteiligten Völkern, wenn der Krieg vorbei ist? Wer erzählt uns den intimen, wichtigen und marginalen Teil der Geschichte, den die Gewinner vergessen und der genau nach dem Ende beginnt? Können wir, die Kleinsten von allen, die Probleme unserer Gegenwart lösen, wenn die Großen die Vergangenheit in Ordnung gebracht haben?

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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