Freunde – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe http://superdemokraticos.com/laender/bolivien/espanol-en-casa-de-herrero-cuchillo-de-palo/ Sat, 26 Nov 2011 03:42:04 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5939 Eines dieser typischen lateinamerikanischen Motive. Ein Refrain, der überall wieder zitiert wird, ein populäres Mantra mit unendlich vielen semantischen Äquivalenten, in der gesamten Bandbreite, die unsere Sprache zu bieten hat. Bei den Marktschreiern auf den Straßen hinter dem Zócalo, östlich vom Gymnasium San Ildefonso. Ich suchte nur nach einem Blue Demon-T-Shirt. Aber es scheint, als wären diese Person und El Santó (Der Heilige), eine weitere Wrestling-Figur, wohl die einzigen Figuren, die von den Mexikanern als registrierte Marken anerkannt werden. Die Shirts waren einfach nicht zu finden. Jeder weiß, wer sie verkauft, ein Weg von einem Verkäufer zum nächsten Verkäufer, der dich zum Geschäft schickt, wo sie es auch nicht haben. Mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch über den Ground Zero der Vereinten Staaten von Mexiko, der Plaza de la Constitución. Trauben von Polizisten an allen Ecken im Osten, noch symbolischer als die Polizisten noch weiter im Osten vor den Geschäften von Cartier in Polanco. Festgelegte Routen für die Touri-Busse. Wir fuhren wieder aus Bolivien ab, ohne einen einzigen Post geschrieben zu haben. Letzten Mittwoch dachten wir noch, dass das Unwohlsein vorübergehend wäre. Manchmal bereitet die Höhe einigen Menschen eine schlechte Zeit. Am Tag unserer Lesung in La Paz bekam ich fast keine Luft. Schlussendlich saß ich mit Schüttelfrost vor einer Menschenmenge, von der ich nicht weiß, inwiweit sie unsere Witze verstanden hat. Jetzt sind wir in Mexiko, heute Nachmittag kommen wir in Guadalajara an.

Mir machen die 3.600 Meter jetzt nicht mehr ganz so sehr so schaffen, obwohl ich schon in meiner Kindheit damit Probleme hatte – ich wurde ja auch nicht dort geboren – und es steht fest, dass ich, wenn ich mal wieder hier bin, in den ersten Tagen vermeide, in das Zentrum hinaufzugehen. In La Paz trinke ich lieber auch nicht, mein eigener Wunsch für uns beide, denn mein Körper tut sich schwer damit, den Kater zu überleben, und auf dieser Reise mit Niko hätte es eh nichts gebracht. An dem Tag, an dem wir lesen sollten, mussten wir unseren Weg durch die Zona Sur zum Goethe Institut plötzlich, von einem Moment auf den anderen, unterbrechen. In den 20 Minuten im Taxi, zwischen Obrajes und der Avenida Arce, versuchte ich mir vorzustellen, wie ich mich aufspalten könnte, um die beiden Stimme gleichzeitig und simultan aus mir herauszuholen. Wie sehr hätte es mir gefallen, das Mädchen aus dem Film „Der Exorzist“ zu sein, um den Texten, die wir gemeinsam geschrieben haben, den Charakter, den Charme verleihen zu können.

Unserer Autoren erschienen nur so viel früher, wie es unbedingt nötig war, damit die Lesung nicht ohne sie begann. Keine Chance, irgendwas zu proben. Fernando Barrientos versuchte, die weibliche Stimme zu ersetzen, die mir fehlte, um mich in die männliche Figur zu verwandeln, die ich normalerweise auf dieser Lesereise bin, wenn wir den Cybersex-Text von Augustin Calcagno inszenieren. Am Ende entschied ich mich dafür, es alleine zu machen, und ersetzte das Geschlecht mit ein bisschen mehr deutschem Schuldgefühl. Das war ein Versuch, die Verwirrung auf der Bühne des armen Flaco zu vermeiden, der ja mit unseren Ablauf nicht vertraut war. Zusätzlich zeigte sich meine Mutter als eine der schlechtesten Fotografinnen der Stadt. Auf jeden Fall und trotz aller Pannen teilte ich mir die Bühne mit unseren Autoren aus La Paz und das war etwas sehr Schönes. Und am nächsten Tag wurde es sogar noch besser, als wir bei unserem Workshop die Arbeit von Ernesto Martínez kennenlernten, der mit Editiones Vinculo als erster bolivianischer Verlag digitalisierte Bücher herausbringt und Mitinhaber der kulturträchtigsten Buchhandlung von La Paz ist, von Martínez Acchini. Außerdem konnten wir uns auch mit der Arbeit von „Desde el sur“ (Aus dem Süden) vertraut machen, einem Portal, das versucht, sich für die Stimmen der bolivianischen Diaspora aus der ganzen Welt zu etablieren. Natürlich haben wir auch Lulhy Castro getroffen, die Repräsentantin des Cartonera Verlags aus Oruro “Rostro Asado” und ein Kollektiv von Schriftstellern und Künstlern, welches in dieser Stadt versucht, den öffentlichen Raum einzunehmen. Sich mit jenen Menschen zu treffen, die so wie wir denken, also mit den anderen Neuronen dieses kollektiven Gehirns, setzt viel Energie frei. Aus dem mobilen Hauptquartier der Superdemokraticos geht unser großer Dank an Michael Friedrich, den Direktor des Goethe-Instituts in La Paz und an Patricia Cuarita, die Kulturbeauftragte des Instituts. Ebenfalls vielen Dank an die lesenden Autoren Javier Badani, Fernando Barrientos und Richard Sánchez, wie auch an das Publikum, das kam, um uns zu hören und am nächsten Tag an unserem Workshop teilzunehmen.

Der Zweck unserer Reise ist es, uns mit Seelenverwandten zu treffen, romantisch gesprochen. In Bolivien haben wir nicht nur neue Freunde gefunden, sondern konnten auch auf die Solidarität von lieben Menschen zählen, die uns geholfen haben, alles, auch das Unvorhersehbare, ohne größeren Schaden zu ertragen und zu überwinden. Vielen Dank, La Paz, ohne euch wäre es schwer gewesen so weit zu kommen. Am 2. Dezember präsentieren wir auf der Buchmesse in Guadalajara unser Buch und unser brandneues Ebook.

In unseren Taschen haben wir Bücher zweier Verlage, die wir voller Stolz präsentieren: des Verbrecher Verlags, ein konsequenter Verlag aus der Unabhängigen Republik Kreuzberg, und der Edicion Vinculo, die mit ihrem digitalen Katalog für zeitgenössische Literatur die Tür für die bolivianische Literatur in der Welt öffnet.

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Freunde? http://superdemokraticos.com/themen/neue-welt-im-netz/freunde/ Wed, 09 Nov 2011 19:58:01 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5630

(c) Clara Lagos

Yes, you can! Aber manchmal, auch wenn man das World Wide Web in der Hand hält, fühlt man sich so alleine…

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Freunde im Schmerz http://superdemokraticos.com/themen/gewalt/freunde-im-schmerz/ Sat, 06 Aug 2011 11:54:31 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=4624

Lärm schmerzt. Angst schmerzt. So vieles schmerzt mich.
Trau ich mich, meine Freunde anzurufen und ihnen das zu erzählen?

(c) Anna Basbacker

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Die Zukunft http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/die-zukunft/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/die-zukunft/#comments Sun, 24 Oct 2010 18:01:42 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3087

www.oscarseco.com

Ich stimme René Hamann zu, mir gefallen Abschiede auch nicht. Dies hier ist ein Pilotprojekt, das jeden Moment wieder Gas geben könnte. Zudem verschwinden wir nicht ganz, wir nehmen nur ein bisschen das Tempo heraus, senken die Intensität.

Es ist schwierig, einer Idee eine physische Form, etwas Reales, zu geben, sie in eine juristische Person verwandeln. Es ist schwierig, einer Idee treu zu bleiben, wenn viele Personen gleichzeitig sie bestimmen und ausmachen und wenn sie zweisprachig ist. In Wirklichkeit kamen wir an viele Grenzen, so wie Borges es sehr treffend in „Las Ruinas Circulares“ (Die kreisförmigen Ruinen) beschreibt: „Das Ziel, das uns lenkte, war nicht unmöglich zu erreichen, aber es hatte etwas Übernatürliches. Ich möchte einen Menschen erträumen: Ich möchte ihn detailliert integer und ihn dann in die Realität entlassen. Dieses magische Vorhaben hat den gesamten Raum meiner Seele ermüdet.“ Oder es wird ihn später noch mehr ermüden, wenn wir uns hinsetzen, um darüber nachzudenken – hoffentlich mit eurer Hilfe – was und worüber hier eigentlich gesprochen wurde.

Wir werden in den Texten unserer Autoren Schlüsselwörter suchen, neue Konzepte, Schneisen, um zu verstehen, wohin uns die Finanzkrise in den vergangenen Jahren geführt hat, wie sich die Welt nach dem 11. September anfühlt, was es bedeutet, ein Staatsbürger zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob wir es geschafft haben, ein generationelles Mosaik zu entwerfen, sondern vielmehr eines der Mittelschicht, ein sehr vielseitiges. Was wir gemeinsam haben, sind: der Zugang zur Technik, eine bürgerliche Erziehung und dass wir alle an der Uni die wichtigen französischen Philosophen des 20. Jahrhunderts gelesen haben. Uns unterscheidet die Beziehung, die ein jeder mit seiner Sprache führt. Spanisch ist an keinem Ort der Welt eine Nationalsprache, ich habe eine gesamte Generation von Katalanen erlebt, die Spanisch sehr schlecht sprachen. Auch haben wir uns an das Falschpanisch von Typen wie Gombrowicz gewöhnt, allein zwischen 1910 und 1935 landeten vier Millionen Menschen, europäische Immigranten, in Buenos Aires. An der Grenze zwischen Paraguay und Bolivien spricht man ein unverständliches Deutsch, in den sich abschottenden mennonitischen Gemeinden tragen die Frauen Kopftücher, in Venezuela gibt es die exakte Kopie eines Dorfes im Schwarzwald und überall sieht man Menschen mit blauen Augen, mit hellerer Haut, Kinder der verarmten europäischen Siedler, die es sogar bis zum Gran Chaco, einem trockenen Dschungel zwischen Nordargentinien, Südbolivien und Paraguay, und an andere Orte geschafft haben, an die man sich heute nicht mehr erinnert, auch wenn die bürgerlichen Sehnsüchte dort intakt geblieben sind.

Dann ist da auch noch diese gesamte Generation von ausländischen Autorinnen und Autoren, die auf Deutsch schreiben, und die Deutschen, die heutzutage ihr Leben anderswo auf der Welt führen. Wie bildet sich Zivilisation heraus? Vor vielen Jahren kaufte ich in einem Antiquariat das Tagebuch eines preussischen Soldaten, der in Hamburg in See stach und von Buenos Aires aus sogar die Ufer des Pilcomayo erreichte, ein Fluss in Zentrallateinamerika. Dass Hesse sich ein wenig von einer ähnlichen Geschichte hat inspirieren lassen, um Siddharta zu schreiben, erscheint mir durchaus möglich; nur so kann ich mir erklären, dass in der Bibliothek meines Großvaters im Chaco ein Siddharta stand, ein billiges Buch, erschienen in Argentinien – und das, obwohl in meiner Familie kein einziger Deutscher war.

Wir möchten uns bei unseren Übersetzerinnen und Übersetzern für ihre Arbeit bedanken, einige Texte waren wirkliche Herausforderungen. Wir bedanken uns vor allem bei unserem gesamten Berliner Team: bei den Nübel-Brüdern für das Erscheinungsbild, das sie unserem Spaceship gegeben haben, bei Adriana Bernal für den Überblick über alle Rechnungen, bei Valia Carvalho und Oscar Seca für Illustrationen, bei Sudaca Power, María Mandarina, Inti Che, Kid Watusi y Grace Kellyfür die Musik, bei Acud, La PulqueriaHotel Bar y Madame Sata für Räume und Gastfreundschaft, bei Der Freitag, Wilde Leser, Latinale, Die SpukKommune und allen Freunden, die uns geholfen haben, die Ideen zu verbreiten. Nun treten wir in die zweite Phase unseres Projekts ein und laden alle unsere Leser und Autoren ein, uns bei der Auswahl des Materials für ein superdemokratisches Buch zu helfen. Wir kehren zum Start zurück. Eure Vorschläge bitte an:

info@superdemokraticos.com

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Titel (Deutsch) – Titel (Español) http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/titel/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/titel/#comments Tue, 19 Oct 2010 11:55:55 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2969 Es ist ja nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Welt dreht sich, und nun dreht sie sich fortan fort von einem wunderbar geruhsamen Sommer zwischen Studium und Beruf, in den sich die Arbeit an diesem Blog biographisch hervorragend einpasste. Schon ist man Arbeitnehmer und Gewerkschafter, schon blickt man sorgenvoll auf das Konto und unsicher in die Zukunft, und schon findet man sich nicht mehr bereit, das reine Denken über das reine Denken zu betreiben, sondern fragt sich nur noch, welche der bestehenden Freundschaften, zu denen keine einzige interkulturelle zählt, trotz deutlich vermindertem Freizeitaufkommen fortgesetzt werden soll.

Man verblödet also und irgendwann wird man, wenn die eigenen Kinder einen als rückständigen, chauvinistischen Kleinstadt-Spießer mit null Sozialkontakten und der Weltgewandtheit eines Bielefelder Senioren enttarnen, auf diese goldene Zeit (weniger auf einzelne Texte) verweisen können und sagen: „Seht her, es gab Zeiten, da stand euer Papa mit der ganzen Welt im Austausch. Kluge Menschen aus Mexiko, Argentinien und Bolivien diskutierten mit ihm über nationale Historiographie und Fragen der Identität in einer beweglich gewordenen Welt.“

Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein sensibler Dolmetscher …

Wenn die Kinder halbwegs Hirn haben, fragen sie dann, was dabei rumgekommen ist – und bringen ihren Erzeuger damit in schwere Verlegenheit: Hat er sich denn etwa jemals für die anderen internationalen Blogger oder die Leser dieses internationalen Blogs interessiert? Nicht wirklich, auch wenn manches interessant und manches bedenkenswert erschien – letztendlich war die Kommunikation zu mühsam. Denn, so würde man in der Rückschau zugeben müssen: Zwar wurden die spanischprachigen Texte im Deutschen lesbar gemacht (und umgekehrt), doch für einen wirklichen mediengemäßen Dialog fehlten Geld und Technik.

Und wer weiß, vielleicht werden die Kinder, die ihren Vater für ein Fossil halten, den schon ganz selbstverständlich finden, wird er doch genau in dem Moment möglich, in dem Echtzeitübersetzungsmaschinen Chat-Beiträge derart gut in andere Sprachen übertragen, wie es jetzige Übersetzungs-Algorhythmen nicht einmal mit fixiertem Textmaterial ansatzweise vermögen. Wenn die Welt eine UNO-Vollversammlung ist und der Computer ein Simultandolmetscher (ein guter, sensibler, einsichtsvoller mit einem Händchen für die stimmige Übertragung kultureller Codes), dann wird überhaupt so etwas Ähnliches möglich sein wie ein interkultureller Dialog. Dann irgendwann werden auch über Sprachräume hinweg Horizonte im Dialog verschmelzen können.

Manchmal möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen.

Bis dahin plagt man sich mit Substituten wie Weltsprachen: Wenn fünf Nicht-Muttersprachler um einen Tisch sitzen und Englisch parlieren, möchte man sehr laut gähnen, und wenn 20 Blogger und ihre Leser um ein Blog sitzen und trotz allen guten Willens nicht wirklich zueinander finden können, dann möchte man verzweifelt „Argh!“ rufen. Was mache ich aus den spanischen Reaktionen zu meinen (in jeder Hinsicht sehr deutschen) Beiträgen über Schuldkultur, Auschwitz und deutsche Identität? Die Übersetzungsmaschinen können einem zwar eine Ahnung davon geben, was das verhinderte Gegenüber bewegt. Trotzdem bedeuten sie zugleich eine unsachgemäße Surrealisierung: Wenn da steht „leider, und mit allem Respekt, es gab nur einen Holocaust, der Grenze ein verdammt Jukebox, die nie aufhört, warum so blau sind unsere Ziele können wir nur beten, nach San Antonio, wenn Neal Cassady kam, hier zu sterben, um zu immigrieren“, dann mutet das zwar in höchstem Maße lyrisch an, trotzdem bleibt darüber hinaus eben nur eine Ahnung vom semantischen Inhalt und der Grenze zwischen den USA und Mexiko und das kann’s ja wohl nicht sein.

Freuen wir uns also auf eine Zeit, in der es keine Sprachen mehr gibt; in der Landessprachen nur noch gewohnheits- und neigungsmäßige Dialekte sein werden, die für alte Provinz-Spießer, wie ich dann einer sein werde, eine ansonsten gänzlich virtuell gewordene Grenze zwischen Virtualität und Realität markieren. Dass wir dann sentimental werden, steht außer Frage. Immerhin wird dann das, was hier versucht wurde, nichts Besonderes mehr sein. Die ungewohnte Zuneigung, die es speziell für einen jungen Autor deutscher Zunge bedeutet, von nichtdeutsch sozialisierten Lesern gelesen werden zu können, der faszinierte und befremdete Blick auf die Übersetzung der eigenen Texte, den wird es nicht mehr geben. Alles wird Alltag sein, die Superdemokraten waren ein Fest. Danke dafür!

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Ohne Titel http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ohne-titel/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ohne-titel/#comments Thu, 23 Sep 2010 15:57:20 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2213 Gerade erhielt ich meine Flugzeiten nach Cartagena, wo ich, auf Einladung der Fundación Carolina, im Oktober am Encuentro Iberoamericano de Jóvenes (Zusammentreffen der iberoamerikanischen Jugend) teilnehmen werde. Vor vier Monaten war ich in Havanna, um den ersten Teil einer journalistischen Recherche durchzuführen. Ein Monat später war ich in Madrid, Barcelona und Stockholm, wo ich mit einem anderen venezolanischen, zwei katalanischen und einer kolumbianischen Schriftstellerin eine intellektuelle und kitschige Performance präsentiert habe, die wir davor schon in Bogotá und Mérida aufgeführt haben und die wir hoffentlich auch im November auf der Balada Literaria in Sao Paulo zeigen werden. Diese Mischung aus Lesung und Inszenierung ist eine Hommage an einen chilenischen Autor. Ich arbeite auch mit den Superdemokraticos zusammen, ein zweisprachiges spanisch-deutsches Blog, konzipiert von zwei Autorinnen, eine aus Berlin, die andere aus La Paz, gemeinsam mit einer Gruppe von Leuten, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen, die mir vielfältig und bereichernd vorkommen. Für dieses Blog schreiben auch eine Venezolanerin, die in Israel wohnt, und eine Costa-Ricanerin, die in San Francsico lebt. Beide lese ich immer, ohne einen Text zu verpassen und beide würde ich mit geschlossenen Augen publizieren, wenn ich den Verlag hätte, den ich nicht habe. Wer jedoch einen kleinen Verlag hat, glaub ich zumindest, ist eine Frau aus Maracaibo, die nun nach Buenos Aires gezogen ist, und die ich hoffentlich nächstes Jahr besuchen werde, wo ich meine nächste Reportage, wenn alles nach Plan läuft, auf der internationalen Buchmesse einweihen kann. Ich bin aus San Felix, lebe in Caracas und in den nächsten zwei Wochen werde ich wahrscheinlich für ein paar Tage nach Colonia Tovar reisen, ein kleines Bergdorf, etwa 50 Kilometer entfernt, dessen Hauptattraktion die Spuren der deutschen Kultur sind, die sich auf die ersten Bewohner zurückführen lassen: blonde Hünen, Würstchen, alpine Häuser.

Trotz soviel Fortbewegung bleiben meine Taschen immer leer, wie ein Spiegel meines Kontos und als klarer Kontrast zu meiner Kreditkarte, die fast daran stirbt wie sie überzogen wird; deshalb wollte ich wieder ein paar Monate in der Rechercheabteilung der Últimas Noticias arbeiten, der überregionalen Tageszeitung mit der größten Auflage innerhalb Venezuelas, wo ich zwischen Januar und Februar mit größter Sorgfalt ein halbes Dutzend guter Beiträge abgegeben habe. Einer davon handelte von der Situation der Haitianer in meinem Land nach dem Erdbeben, das bewiesen hat, dass es immer schlimmer kommen kann. Aber es gab keinen Platz mehr, also musste ich mir ein paar Workshops einfallen lassen, über literarisches Schaffen und journalistische Reportagen, bei denen wir Autoren lesen, die an so fernen Orten wie Prag, Istanbul und Washington geboren wurden.

Meine fast zwei jährige Tochter, die das Lied von Shakira verehrt – so wie Gottheiten verehrt werden – das Lied, das Shakira interpretiert und getanzt hat, um die Weltmeisterschaft in Südafrika zu unterstützen, und das vorher schon von Las Chicas de Can gesungen wurde, einem seltsamen und pulsierenden musikalischem Experiment, das in Santo Domingo geboren wurde, ging diese Woche zum ersten Mal in eine Kinderkrippe, deren Logo ein Tier ist, das möglicherweise nie, nicht mal durch Zufall den heimischen Boden berührt hat: ein Känguru. Seit dieser Weltmeisterschaft mit ihrem europäischen Finale habe ich eine Katalanin kennengelernt, die in Mexiko lebte und regelmäßig in die Pyrenäen reist, eine Enkelin von Portugiesen und Italienern, eine weitere Enkelin von Italienern und Galiciern, und eine Französin, mit französischen und vietnamesischen Großeltern, die zum zwanzigsten Mal in ein anderes Land zog. Einige sehe ich ab und zu, und mit den anderen beiden kann ich dank moderner Technik im Kontakt bleiben. Das weiß mein Mitbewohner, der ein großer Werbekreativer ist, Talent und Erfahrung hat, zusätzlich zu seiner Bescheidenheit, der aber nun beschlossen hat, dass er einen Traum braucht. Und um ihn zu verwirklichen, muss er in New York oder Osteuropa Film studieren. Negro, sag ich ihm, es gibt da ein Problem mit der Sprache. Blondi, antwortet er mir, das ist irrelevant; für den, der lernen will, existieren keine Grenzen. Ich denke, er sagt das, weil er ein Romantiker ist, denn er, der schon mal in Chicago gelebt hat, weiß wohl, dass Grenzen existieren, genau wie Sprachen und Ausweise und Kulturen und Eigenarten, mit ihrem Widerstand und ihrer Vergangenheit und ihren finsteren Blicken. Und dass sich das mit der Globalisierung jemand ausgedacht hat, der auf sich aufmerksam machen wollte oder etwas verkaufen wollte, denn ich weiß nicht wie ein normaler Mensch von dieser Seite des Erdkugel mit so vielen Kulturen gleichzeitig in Kontakt stehen kann, ohne ein Ticket für die U-Bahn in seiner Tasche oder einen Fernseher in seinem Zimmer zu haben.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Die Buchstaben sind Vitamine http://superdemokraticos.com/themen/burger/generation-der-spontaneitat-honigspirale/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/generation-der-spontaneitat-honigspirale/#comments Thu, 26 Aug 2010 06:55:18 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1119 „Es ist nicht notwendig zu leben,
es ist notwendig zu schöpfen.“
Alexander Search

Das Frühstück könnte sich ewig wiederholen: Obststücke mit Müsli und Naturjoghurt mit einer Honigspirale. Nach dem Zähneputzen und ein paar Ritualen tun, was du tun musst (oder was du tust, wenn es nichts zu tun gibt): Die Schöpfung, die sich auf deinem Tisch räkelt und ausruht, bittet um ihre Vollendung; die einzige Lektion Gottes, bei der wir aufmerksam waren, selbstverständlich, der Anfang. Den Blick erheben, die Taille beugen und ein wenig den Rückspiegel verstellen, den verborgenen Haiku in den Trümmern erahnen, wie jemand, der den Horizont des Fieber zeigenden Quecksilbers sucht. Die Magie grüßen, die beim Öffnen der Augen und beim Sehen des reflektierenden Lichts entsteht.

Die Schöpfung ist der Engel, der mir die Zähne bleicht, die Poesie ist eine Verwandlung von Energie, von Reizen und Information. Ähnlich wie im Fall des Herrn Search, wäre meine Existenz ohne sie undenkbar. Sie bestimmt, wer ich bin, sie verschafft mir Arbeit, stellt mir Freunde vor und bewahrt mir meine geistige Gesundheit. Angesichts solcher Großzügigkeit liegt es an mir, das Entkommen zu moderieren und mich am Licht festzuhalten, wenn um mich herum dekadente Wirbel aus Trugbildern umherpeitschen und kolossale Abscheulichkeiten wie Transformers 2 hinter sich herschleifen. Der Weltraumschrott schmerzt mich. Ich bevorzuge es, durch die Sonne zu erkranken, und diese Idee werde ich gewaltlos verbreiten, den Rest werden wir durch Zugaben erreichen (ich drücke die Daumen).

(Ich lasse die Daumen los) Wenn sich Ideen verwirklichen, sättigt sich die Begierde, an der Entdeckung einer neuen Welt teilzunehmen, Luftschlösser zu bauen, die zwischen dem Smogimperium und den ungewissen Parfums navigieren, bis sie sich in deinem Haar verwickeln, die Welt in 80 Versen zu umrunden und hier zu bleiben und hier zu bleiben von selbst.

Heimlich nehme ich den Auftrag an, das Gesicht des Lesers mit einer inneren Grimasse zu schmücken, die mit dem Rausch der ersten Liebe wetteifert.

Ich glaube an die Generation der Spontaneität, der Traum dauert an; und weil ich träume, beziehe ich mich nicht auf etwas Unmögliches, sondern auf etwas Waches.

Da wir heute Webseiten sind, die sich jede Sekunde aktualisieren, ist es eine Erleichterung für die Seele festzustellen, dass wir so viel zu sagen haben. Seit wir uns konsumieren, sind wir uns darüber einig, uns als angereichert und nahrhaft zu präsentieren. Die Buchstaben sind Vitamine. Das A verbessert die Nachtsicht und beugt der Zellalterung vor, das B garantiert die Funktionsfähigkeit des Nervensystems, das C ist ein Antioxidationsmittel und so weiter. Die Vitamine sind Buchstaben. Sie alle sind hier in diesem Text vorhanden. Die Straßen sind aus Ideen bestehende Regengüsse. Sie sind keine Werbeanzeigen, sie sind keine verbrauchten Strecken, sie sind keine kommerziellen Strecken, die Realität gehört uns. Die Realität ist eine Gratisprobe. Ich bin dort mit meinen besten Freunden und verfolge die Verkosterinnen. Diese Gruppe von Jungs ist so wichtig für mich wie die Delikatesse, mit der ich mich heute beschäftige, aber sie billigten diese Wahl. Wir teilen die kreativen Prozesse in romantischen Nonsens-Sitzungen miteinander, und es bewegt mich, ihre Geschichten und Gedichte zu lesen, ihre Filme und Zeichnungen zu betrachten, ihre ersten Alben zu hören, ihre Gesichter des Wahnsinns zu sehen, die über die Nacht lachen.

Wenn du eine Welt und eine Sprache erschaffen hast, und herausfinden musst, ob die Nachricht von Fremden verstanden werden kann, wohl wissend, dass – aufgrund bestimmter vorgefasster Meinungen – wir nicht alle Wahrsager sind und uns gegenseitig aus der Hand lesen, tritt die unschätzbare Figur des Bruders auf, der dir sagt, wie gewöhnlich dein Bewusstsein ist.

Eine andere Strategie, die ich empfehlen würde, um etwas mit anderen zu teilen, ist, wie eine Verrückte tage- und monatelang zu laufen, auf der Straße Menschen anzuhalten und sie zu fragen, wie man an einen imaginären Ort gelangt, nur um ihn ihnen zu zeigen.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Hier sprechen meine Freunde http://superdemokraticos.com/poetologie/hier-sprechen-meine-freunde/ http://superdemokraticos.com/poetologie/hier-sprechen-meine-freunde/#comments Tue, 15 Jun 2010 09:26:35 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=265 Ich habe das erste Mal meinen Lebenslauf geschrieben, weil ich mich für ein Studium an der Universität in Berlin bewerben wollte. Eine Freundin setzte sich mit mir zusammen, um mir zu erklären, was das überhaupt ist. Der Text musste klar und bündig sein. In ihm gab es nur Platz für Objektivität. Um das zu schaffen, mussten all die entscheidenden Momente meines Lebens weggelassen werden. Ich durfte nicht sagen wessen Sohn, Bruder oder Freund ich bin. Wer eine Synthese schreibt, wird eventuell dazu gezwungen, Details wegzulassen, so dass die Zusammenfassung zu einer Kernaussage in all ihrer Totalität führt. Ein Lebenslauf ist allerdings eine erzwungene Synthese, die dem Leben des Individuums, für das er steht, die magische Aura nimmt, welche das Leben selber ist.

In diesem Text, der desinformiert, musste ich schreiben, dass ich am 23. September 1978 in Havanna, Kuba geboren wurde. Obwohl ich es interessanter gefunden hätte, das Kuba dieser Zeit zu beschreiben. Oder darüber zu schreiben, was ich empfunden habe, als ich Robin Hood zu Ende gelesen hatte und es meinem besten Freund in der Grundschule erzählt habe; die Erschütterung, mit fünf Jahren ein neues Leben im Viertel Alamar zu beginnen und alle meine alten Freunde zurückzulassen; die Begeisterung über mein eigenes Zimmer; das Leben in der Nähe des Russen-Strands; mein erstes Fahrrad; die Nächte, in denen ich den Geschichten meines Freundes Poli über seine Heimat Bayamo lauschte; erneut umzuziehen – und wieder all meine Freunde zu verlassen; neue Freunde kennenzulernen; meine erste Freundin; wie ich die Musik für mich entdeckte und meine ersten Akkorde auf der Gitarre spielen lernte, bei einer Lehrerin, die mich begeisterte: all das, was mich zu dem macht, der ich bin, durfte nicht im Lebenslauf stehen. Deshalb entschied ich mich ein Curriculum Vitae über Lebensdetails zu schreiben. Einen Lebenslauf, in dem meine Freunde zu Wort kommen.

Ehrlich gesagt, als er noch ein Kind war, hat er mir ständig Kopfschmerzen bereitet. Ich weiß gar nicht mehr, wann er den richtigen Weg gefunden hat. Stellen Sie sich vor: Als er drei war, lief er von zu Hause weg – seinem Vater nach. Ich hatte gar nichts davon mitbekommen, weil ich gerade am Waschen war, bis ich mich fragte: Wo wohl das Kind sein mag? Ich rannte sofort los! An der Straßenecke Monte und San Rafael rief mir eine Frau zu: Bleiben Sie stehen, das Kind ist hier! Das hat mir das Leben gerettet, denn genau in diesem Moment kam ein Auto, das mich überfahren hätte! Und glauben Sie, er hätte sich gefreut mich zu sehen? Nein, gar nicht! Er war glücklich mit seinen neuen Freunden.

Wir waren in derselben Klasse auf der Sekundarschule. Wir haben uns kennengelernt, als wir über irgendeinen Blödsinn diskutiert haben. Mit der Zeit wurden wir unzertrennlich. Ich werde nie vergessen, wie ihn eine Lehrerin zum Direktor schleppte, weil er gesagt hatte, Fidel sei der Präsident von Kuba. Du warst ein Fanatiker – fürs Problememachen.

Ich hab ihn in der neunten Klasse kennengelernt, er ging auf dem Weg zum Sport immer an meinem Haus vorbei. Ich fand ihn nett, auch wenn wir uns nie unterhalten hatten. Eines Tages auf einer Party haben wir getanzt, und damit das klar ist, ich habe mit dir getanzt, weil meine Freundin meinte, du könntest gut tanzen, was eine Lüge war, du konntest überhaupt nicht tanzen!

Wie haben wir uns kennengelernt? Naja, also am Gymnasium wurde unsere Freundschaft intensiver. Wir waren damals ein größerer Freundeskreis. Pedro hatte immer schon einen eher schwierigen Charakter: Manchmal introvertiert und dann hat er uns wieder mit seiner Extrovertiertheit überrascht. Als wir mit dem Gymnasium fertig waren, haben wir mit Privatlehrern gelernt, um die Aufnahmeprüfung für die Uni zu bestehen. Zur gleichen Zeit traten wir einer Theatergruppe bei, und von 7 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags arbeiteten wir als Sanitäter im Krankenhaus, um unseren Privatunterricht zu bezahlen. Ab 20 Uhr probten wir mit der Theatergruppe, bis ungefähr Mitternacht. Gegen 2 Uhr morgens kamen wir nach Hause. In dieser Zeit haben wir wirklich nicht viel geschlafen. Wir hatten wirklich überhaupt kein Geld und tranken immer billigen Wein. Aufgrund der Nostalgie kommt es Pedruco wie eine großartige Zeit vor. Sag bloß, Alter! Natürlich war das keine schlechte Zeit, aber nur, weil wir ihr viel Gefühl gegeben haben und mit Herzblut dabei waren. Die Situation war brenzlig, und wir hatten viele Träume. Ein Träumer: Das war Pedruco schon immer.

Ich war eine der wenigen, die Philosophie gewählt hatten, und ich glaube Pedro auch. Er war immer einer derjenigen, die im Unterricht über alles diskutiert haben und das hat ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht. Sehr leidenschaftlich werde ich immer sagen! Und dann kam es, dass sich der begeisterte Compañero Pedro im dritten Jahr an der Uni exmatrikulieren lassen wollte. Niemand hat das verstanden. Es gab eine Versammlung, und es wurde entschieden, dass man ihn nicht so einfach gehen lassen könne. Er war ein sehr guter Student! Ich wurde beauftragt mit ihm zu reden, und man gab ihm die Möglichkeit im nächsten Jahr weiter zu studieren. Es hat uns alle sehr überrascht, als er uns zu seiner Abschiedsparty eingeladen hat. Einfach so ohne alles nach Deutschland zu gehen – das hatte niemand von ihm gedacht! Aber tatsächlich ist er jetzt dort und studiert Philosophie.

Berlin war eine Herausforderung. In Sprache und Kultur hineinzuwachsen, waren der Schlüssel, um weiter studieren zu können. Die Stadt hat mich aufgenommen und mir in ihrem Alltag den Albtraum des Emigranten-Daseins gezeigt. Das Abenteuer geht weiter. Manchmal zeigt es seine groteske und grausame Seite, aber ich bin auf der Suche nach dem Lächeln, das mich rettet.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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