escritura – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Schreiben… http://superdemokraticos.com/laender/peru/espanol-sobrescribir/ Tue, 29 Nov 2011 06:52:06 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=6043 Aus Notwendigkeit oder zum Vergnügen? Schreiben – wofür? Schreiben – wozu ? Es gibt so viele Arten Schriftsteller, wie es verschiedene Menschen gibt. Schüchterne, extrovertierte, plaudernde, ernste, pedantische, schlichte, freundliche, mürrische. Die gesamte Palette aller möglichen Adjektive. Es gibt welche, die seit ihrer frühsten Kindheit wissen, dass ihr Schicksal sie zur Literatur führt, wie Borges. Anderen wurde zu Hause die Mission erteilt, sich mit Worten auszurüsten, wieder andere bemächtigten sich des Wortes durch fleißige Arbeit, in Stunden um Stunden um Stunden in Schreibworkshops, Literaturunterricht, um Kontakte aufzubauen. Wieder andere fanden entgegen aller Vorhersagen im Wort ihren Rettungsanker. Es gibt Schriftsteller als Beruf und Schriftsteller aus Berufung, die trotz der unvorhersehbaren Dinge, die das Schicksal ihnen zuwies, ihre Bestimmung fanden. Und es gibt auch Schriftsteller aus Berufung, welche die Zeit zu zuverlässigen Arbeitern des Wortes machte. Zu Figuren des Jet-Sets.

Gestern unterhielten sich zwei der bekanntesten Köpfe der Welt über das Schreiben und das Im-Wort-Sein. Das Gespräch zwischen Mario Vargas Llosa und Herta Müller wurde als das beste verbale Wrestling, das sich die Literaturkritik nur vorstellen kann, angekündigt und tatsächlich war es das auch, es fehlten nur die passenden Poster. Es fehlte nur die Ankündigung des Zusammentreffen der beiden Nobelpreisträger mit Lucha-Libre Masken, auch wenn es weder Diskussion noch Debatte gegeben hatte.

Tatsächlich waren die Standpunkte beider zum Thema Schreiben so offensichtlich unterschiedlich, dass ein Monolog dem nächsten folgte.
Für Vargas Llosa ist die Literatur eine große Lüge, die in der Lage ist Gesellschaften zu gestalten. Als Lateinamerikanerin ist es schwierig, ihn ehrlich zu schätzen, denn obwohl er zweifelsfrei ein großer Schriftsteller ist, sind seit seinen besten Romanen schon einige Jahre vergangen. Seitdem macht er nichts anderes, als sich zu wiederholen und einen politischen Standpunkt zu verteidigen, der ihn davon abhält, den Totalitarismus der lateinamerikanischen Militärregime anzuerkennen. Vargas Llosa träumt weiterhin von Fidel Castro.

Für Herta Müller kann die Literatur hingegen lediglich die Wahrheit vermitteln und mit ihr und ihrer zitternder Stimme lässt sie uns Bücherliebhaber bis ins Knochenmark erschauern. Sie sprach aus ihrer Erfahrung über das Schreiben als Überlebensstrategie und bis zum heutigen Tag strömt aus ihren Texte, aus ihren Worten, die Menschlichkeit und der Horror, zu dem Menschen fähig sein können. Ihr politischer Standpunkt steht nicht unter der Fahne einer vorgefertigten Idee, sondern sie wird im Namen des Individuums gehisst, im Namen dieses hilflosen Menschen, der sich in die Welt der Bücher flüchtet, um seinen Kontext zu überleben. Weder um die Akademie zufriedenzustellen, noch mit dem Anspruch auf den Applaus vorbereitet zu sein.

Gestern wurden zwei Dinge offensichtlich: Vargas Llosa wusste, mit wem er sprach, und das Publikum hatte die Gelegenheit wahrzunehmen und gegenüberzustellen, wie enorm groß der Unterschied zwischen jemandem ist, der mit der Intension schreibt, das Publikum zu erobern, und jemandem, der schreibt, um sein zu können, als Individuum, und um damit das Nichts zu überleben. Als Leserin weiß ich, dass über die Preise hinaus in der Geschichte nur für diejenigen Platz ist, die Worte authentisch benutzen.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Tschandrawati http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/tschandrawati/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/tschandrawati/#comments Mon, 04 Oct 2010 07:00:05 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2443 Mein erstes Buch ist in viele Sprachen übersetzt worden. Manchmal fragen mich deutsche Leser, was Leute im Ausland denn an meinen Geschichten interessiert (jedenfalls an denen, die in oder nach der DDR spielen). Die könnte man dort doch eigentlich gar nicht verstehen. Gelegentlich wurde ich sogar von Ostdeutschen gefragt, ob man jenseits der Elbe überhaupt weiß, wovon ich erzähle…

Meine Antwort ist stets dieselbe: Der Sinn von Literatur ist es ja gerade Menschen eine Geschichte nahezubringen, die diese nicht erlebt haben und deren Zeuge sie deshalb erst im Nachhinein werden können. Egal, wann und wo die Geschichte spielt. Oder anders gesagt: wenn Bücher es nicht schaffen, Menschen in ein fremdes Leben hineinzuziehen und damit ihr Herz zu berühren – dann ist es keine Literatur, sondern nur eine Ansammlung von Wörtern.

Bücher verbinden Menschen. Literatur baut Brücken von Ort zu Ort, von Kultur zu Kultur, von Sprache zu Sprache. Mir fiele kein Band ein, das vielfarbiger und lebendiger die Jahrtausende unserer Existenz durchweht und miteinander verwebt. Nichts gibt es, das Raum und Zeit so mühelos überwinden kann und dabei so wenig altert. Ich glaube, darin liegt die eigentliche Kraft von Literatur.

In meinem ersten Bücherschrank standen Geschichten für Kinder, Märchen und einige altersgerechte Nachschlagewerke. Pilz- und Pflanzenbestimmer, Tierlexika, Liedersammlungen (es ist belegt, dass ich schon mit vier „Venceremos“ singen konnte…), Weltall-Erde-Mensch. Als ich älter wurde, kam Erwachsenenliteratur dazu, die mir geschenkt wurde oder die ich nach und nach unauffällig aus dem Bücherschrank meiner Mutter in mein Zimmer umsiedelte. Die wenigsten Titel davon hat sie jemals wiederbekommen. Heute ist mein Buchbesitz auf ein ganzes Zimmer voller überfüllter, deckenhoher Regalwände angewachsen.

Einige meiner Kinderbücher habe ich mitgenommen, als ich vor über 20 Jahren aus der Wohnung meiner Eltern auszog. Vor allem die Märchen. Meine Ausgaben der Gebrüder Grimm und die von Hans Christian Andersen. Die romantischen Kunstmärchen Hauffs und Bechsteins, Nachdichtungen klassischer Heldensagen sowie eine beeindruckende Sammlung von Märchen aus aller Welt.

In der DDR wurden damals überdurchschnittlich viele Märchenausgaben publiziert. Das war international und ging in jedem Fall leichter durch die Zensur als zeitgenössische Werke. Eines meiner liebsten Märchenbücher hieß Vom Blumenlager der Prinzessin Tschandrawati. Es enthielt Märchen von der Insel Mauritius. Den Titel, obschon nicht eben eingängig für eine achtjährige, konnte ich von Anfang an auswendig. Sowohl das verheißungsvolle „Blumenlager“ als auch der exotische Name der Königstochter hatten es mir angetan. Tschandrawati. Die Mädchen in meiner Klasse hießen Katrin, Sabine oder Kerstin.

Die Geschichten enttäuschten mich nicht: Es gab Maharadschas, raschelnde Saris, gelbe Ingwerblüten. Feigenbäume und tanzende Feen. Ich liebte mein Blumenlager. Als es kürzlich zufällig in mein Blickfeld fiel, zog ich, ein wenig gerührt, den unscheinbaren Rücken des Bandes aus dem Regal – und war entsetzt. Hielt ich doch, was in meiner Erinnerung voller bunter Blumen und Vögel war, als schmales, schmuckloses Taschenbuch in der Hand. Komplett in schwarz. Grobes Papier. Eng bedruckt mit kleinen Buchstaben. Keine Bilder, nur ab und zu eine skizzenhafte Zeichnung. Ein Alptraum. Weder optisch noch haptisch für Kinder geeignet.

Die ernüchternde Konfrontation mit der Realität traf mich sehr. Ich wusste, dass mein Buch so aussah wie es aussah, aber ich hatte vergessen, wie derb der wasserabweisend beschichtete Karton des Umschlags tatsächlich war, wie rau sich die Seiten anfühlten, wie schlecht sie umzublättern waren.

Ich versuchte mich zu erinnern, ob es mir damals auch aufgefallen war und ob ich irgendeinen einen Unterschied gemacht hatte, zwischen dieser allein auf den Text reduzierten Pappausgabe und anderen, fröhlich bunt illustrierten Kinderbüchern, die ich natürlich auch besaß. Aber hatte ich nicht. Denn das verblichene Aschenputtel in meinen Händen, das mich einst auf so ferne Reisen mitgenommen hatte, war mir mehr als manche Prachtausgabe ans Herz gewachsen. Natürlich – war doch die Welt Tschandrawatis zwischen den unscheinbaren, staubig schwarzen Pappdeckeln von wildbuntem Temperament, flirrenden Lichtern und aufregenden Abenteuern.

Als ich das Bändchen wieder zurück ins Regal zwischen die anderen Bücher schob, dachte ich das erste Mal, dass meine häufigen Besuchen im geheimnisvollen Mauritius vergangener Zeiten vielleicht einer der vielen Gründe waren, warum ich später selbst anfing zu schreiben.

Der Beruf des Schriftstellers, der uns alle auf dieser Plattform hier verbunden hat, ist kräftezehrend, aufreibend und oft voller Zweifel. Zumindest für mich. Trotzdem kann ich mir nichts Hoffnungsvolleres vorstellen als den Rest meines Lebens Bücher voller Geschichten zu schreiben…

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Daydream Nation http://superdemokraticos.com/themen/burger/daydream-nation/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/daydream-nation/#comments Mon, 06 Sep 2010 09:13:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1716 Ich bin betrunken nach Hause gekommen / total verloren in Überlandbussen der Nordroute / oder in beichtgelben Taxis um drei Uhr morgens / mit Fahrern, die im Auftrag  des Heiligen Christophers  sterben werden / und ihr Zellchaos durch die cantinas des Zentrums  schleppen werden //  Ich führe ein Schriftstellerdasein / ich verkaufe frittiertes Hühnchen, um mir die nachtragenden und bitteren Snacks zu kaufen / die  samstags um 2 Uhr nachmittags in Chalio’s Bar serviert werden / Ich bin ein Exemplar der mexikanischen Gattung / ich war ein mexikanischer Junge / Ich werde ein mexikanischer Greis sein // Meine Idole waren Santo und Blue Demon (berühmte Wrestling- Kämpfer; A.d.Ü) / im Ring oder auf der Leinwand des Laguna Kinos / während ich meinen Softdrink der Marke Pep trank // Ich habe es auf 44 Star Wars-Figuren geschafft / meine Lieblingsfigur war Han Solo // Ich verkaufte Kaugummis in den Campo Alianza Bussen / um mir Sandwiches zu gönnen, riesige Avocado-Sandwiches / auf dem ärmsten Markt der Stadt // Ich hatte eine wirre Kindheit / nachmittags kaufte ich ein Liter San Matías Tequila / für meine Großmutter, die seit ihrem 17. Lebensjahr  Alkoholikerin war //  ich bin in dem Alianza Markt groß geworden / wo sie eine pozolería (pozole ist ein typische Suppe mit Mais und Schweinefleisch, A.d.Ü.) hatte / ihre Kundschaft waren die Suffköpfe aus der cantina El mar rojo (das rote Meer) // Ich habe mich in der Wüste verschanzt  / um Peyote zu essen / und ich habe mir zwei Coyotes auf den rechten Arm tätowiert // Ich bin per Anhalter durch das Land gereist / gezwungen mir das endlose Gelaber zugedröhnter Lastwagenfahrer anzuhören // Ich bin als Bulle im Zug nach Ciudad Júarez mitgefahren / ich war kurz davor, mir in der Sierra von Chihuahua den Kältetod zu holen // Ich habe mir Salmonellen eingfangen / weil ich mich auf die Bauchfleisch-Tacos an der Ecke Matamoros und Acuña eingelassen habe / ich bin an Thyphus erkrankt / weil ich um zwei morgens mit Don Lolo tortillones (Maisfladengericht A.d.Ü.) gegessen habe // Ich spaziere gerne durch Straßen voller stillgelegter Fabriken / über die langgestreckte Allee hinter dem zentralen Busbahnhof // Auch ich bin zu Fuß die Bahntrasse lang gelaufen // Ich habe auf brachliegenden Grundstücken mit Unbekannten Bier  getrunken / Ich habe die schlechtesten Baseballspiele der Geschichte im Revolución Stadium gesehen // Ich habe ansehen können wie zum ersten Mal seit vielen Menschenleben das ausgtrocknetet Flussbett des Nazas Fluss sich mit Wasser füllte / ich habe dies von dem riesigen Christus aus gesehen, der auf der Spitze des Noas Berges  steht  // Ich bin durch alle cantinas der Stadt gewandelt / Bars, Tabledance-Kneipen und Schwulenclubs // Einmal wohnte ich mit einer Frau zusammen // Ich bin zum Schwänzen in die Billardsalons unseres Viertels gegangen // Meine Jugend war Daydream Nation //  Ich habe die Musik aller Norteño Gruppen gehört, die sich vor die Gota de Uva (Weintropfen) stellten // Ich habe auf den Bänken des Alameda Parks geschlafen // Ich habe mich in cantinas geprügelt / Ich habe mich schwarz angezogen / und Schnulzen von Cucu Sánchez gesungen // Was für Augen, was für Beine, was für Körper haben die Frauen meiner Stadt / Was für cantinas / die Perches, die Reforma, die Filomena / der Aguila de Oro  (Goldadler) / die Versalles / den Chava Club / El otro Paraíso (Das andere Paradies) //  Ich habe ein fremdes Auto angefahren // Ich weiß, dass ich an Krebs sterben werde / und es ist mir egal // Ich habe all die in die Klotüren eingeritzten obszönen Geschichten auf dem Júarez Markt gelesen / Ich habe ein paar davon selber geschrieben / und habe gelernt, dass Mexiko kein Land ist, in dem man an Verstopfung leidet/  Ich entziffere die Kabel der Telegrafenmasten / die Masten bilden das Skelett der Stadt / die Ampeln die Arterien // Ich höre die Heimat in den cantinas / in jeder nicht geöffneten Flasche // Ich lese aus der Innenfläche meiner Hand wie jemand der einen Toten einbalsamiert / im Amphitheater des Universitätskrankenhaus // Und ich glaube noch an die Liebe im Dunkeln // Ich habe gelitten wegen einer magersüchtigen Liebschaft  // Ich bin ein Mexikaner // Ich habe weder Visum noch Pass // Ich führe ein Schriftstellerdasein // Ich schreibe mit den Schlüsseln der Stadt in der Hand // Und vielleicht werde ich nichts erreichen / noch nicht einmal Eintrittskarten fürs Kino / und auch keine Schlaftabletten // Und vielleicht werde ich nirgendwo ankommen // Aber wie alle / werde ich mir mein Recht bewahren zu verschwinden.

Übersetzung: Anne Becker

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Beamen http://superdemokraticos.com/themen/burger/beamen/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/beamen/#comments Thu, 02 Sep 2010 15:06:56 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1382 Die Sprache der sozialen Gewalt erzwingt auf verschiedenen Ebenen Modifizierungen, selbst beim Schreibakt. Die Finger zittern, körperliche Ticks, übersetzt in Bilder, treten auf und Metaphern schaffen Strukturen, in denen ihr Licht an die Verzweiflung appelliert. Die Schriftstellerei verkündet für einige Momente eine Fluchtmöglichkeit von der Paranoia oder wirkt zumindest wie ein Placebo, mit dem wir in der Lage sind, das Innerste unseres Zynismus, den wir wie ein Schutzschild entwickelt haben, ein wenig ruhig zu stellen. Das ist mehr als Resignation, das ist ein Schutz. In anderen Momenten ist die Schriftstellerei die wörtliche Transkription eines permanenten Terror- und Panikzustands.

Wenn Gewalt sich in fast vollständiger Dunkelheit abspielt und der Operateur der Beleidigung virtuell unsichtbar und nicht greifbar ist (man kann ihn nicht gänzlich dem Staat zuordnen, aber den parallelen Mächten, die mit jenem zusammenspielen können oder auch nicht), ist die Interpellation, die von der Poesie als eine Art des Widerstandes entwickelt wurde, genauso mobil, nomadisch und vorübergehend. Das Gedicht transmutiert seine Materie, verkleidet sich und stellt das Klagegeschrei dar, das für die Vortäuschung des tatsächlich empfundenen Schmerzes steht (Pessoa).
Ein Leser dieser Poesie versucht gar, vor ihr zu entkommen: Er vergisst sie, er beseitigt sie, er verschmäht oder ignoriert sie ganz einfach. Ein anderer Leser zollt ihr Anerkennung, bebt mit ihr und verknüpft sie mit der tatsächlichen Entwicklung einer rettenden Fiktion. Wieder ein anderer Leser hält sie für eine minderwertige Form der fantastischen Literatur („Poesie mit Special Effects“), für Effekthascherei und Übertreibung. Die testimonialen Elemente, die diese Poesie vermittelt, werden stur in Frage gestellt. Spott kommt auf. Diese Leseweise ist somit eine andere Form der Gewalt, aus der sich die Poesie selbst weiter speist.

Die Qualität dieser gewaltsam behandelten Poesie steht in direkter Beziehung zum Grad der technischen Entwicklung, der durch die Erarbeitung von Rahmenbedingungen erreicht wurde, in denen jene maßlose Lyrik stattfindet. Die Poesie muss ihre schwarze Epiphanie mit der Geschwindigkeit und der Schlagkräftigkeit von jedem wichtigen Werk umsetzen. Der ästhetische Genuss, als oberstes Ziel, ist nicht verschwunden, jedoch zeigt sich ein möglicherweise unterirdischer oder heimtückischer Aspekt, bei dem die eigentliche Form sich der symbolischen Mutation angepasst hat, die sich auf der sozialen Bühne ereignet.

Im Kontext des möglichen Endes der Nachkriegszeit in Guatemala (wo wir in eine Epoche eingetreten sind, die bislang noch keinen Namen hat) wird der Poet nur ganz selten als ein für seine soziale Umgebung „engagiertes Subjekt“ wahrgenommen. Seine Vision reicht aus, um zu erkennen, dass auch die sozialen Räume verwüstet wurden, in denen sich einst die verschiedenen Milizen der öffentlichen Ordnung abgezeichnet hatten. Eine fragmentierte Stimme, die genauso hybrid, mestizisch, nomadisch ist, kann sich sicher sein, dass sie nie wie ein Slogan oder eine Losung aufgenommen wird.

Und der gedruckte Rhythmus dieses literarischen Geschehens entfernt den Poeten von dem kurzem Lehrgang oder der langatmigen Rede. Die Zukunft oder das Überleben der Textualität, die aus diesem Chaos entsteht, ist eng verbunden mit einer konstanten Mobilität und einem transgeographischen Puls. Sie bieten Schutz und ermöglichen Flucht vor der multiplen Gewalt, die den Körper und den Geist desjenigen erschüttern, der sich dafür entschieden hat, eine schriftstellerische, autonome und freie Tatsache zu vollstrecken. Diese Distanz würde die Darstellung einer Art des „imaginären Ninjitsu“ erlauben, geschmiedet aus einer neuen Variante des Exils (inklusive des inneren Exils), in das man sich vor einem spektralen, transkörperlichen und transideologischen Verfolger flüchtet, dessen Gesicht gänzlich unbestimmbar ist.

Deshalb nutzen wir das Beamen als ein Mittel, die Paralleluniversen zu besuchen, dort wo imaginäre Lösungen immer möglich sind.

Erinnern wir uns an Les Épiphanies von Pichette:

“Monsieur Diable: Au besoin mon garçon, libère tes jurons, vomis tes déboires. C’est de bonne médecine”…

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Ich denke, also bin ich http://superdemokraticos.com/themen/koerper/ich-denke-also-bin-ich/ Wed, 28 Jul 2010 07:17:50 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=529 El Mejunje, Santa Clara

El Mejunje, Santa Clara. Foto: slosada via Flickr

Was würdest du gerne sein, ein Mann oder eine Frau? So lautet die Frage, die wir Superdemokraten uns diesen Monat stellen. Sie scheint einfach zu sein, aber das ist sie natürlich nicht. Nichts, was mit dem Thema Gender zu tun hat, ist einfach zu beantworten. Die Argumentationsweisen, die dieses Thema zu einer simplen Angelegenheit machen wollen, sind genau jene, die die Willkür verstärken. Sie fördern zum einen Diskriminierung und schreiben zum anderen standardisierte Rollenbilder fest – die auf kulturellen Vorurteilen und einem biologistischen Essentialismus basieren.

Die Frage impliziert ihrerseits eine Reihe von Metafragen, die übereinstimmend beantwortet werden wollen. Zum Beispiel ist da dieses ihr zugrunde liegende anfängliche „du“: Es weist darauf hin, dass eine vorgeschriebenen Identität angenommen wird, was wiederum Lust macht, sich vor einen Spiegel zu stellen und zu fragen: „Du? Wer bist du?“  Das zweite Wort, welches mich aufhören lässt, ist das Wort „sein“. Mein Unwohlsein hat damit zu tun, dass ich eher vorschlagen würde, statt von einem lebenslangen Verweilen von einem ständigen Umherziehen auszugehen. Und muss ich es heute entscheiden? Oder könnte ich die Frage für heute entscheiden? Für diese Minute, in der ich schreibe, diese Minute, in der ich vor dem Bildschirm sitze. Ich halte mich lieber an die zweite Option. Wer weiß schon, wozu ich Lust habe, wenn ich vom Schreibtisch aufstehe? (Ich nähere mein Bild noch mal dem Spiegel.) Du etwa?

Kuba im Widerstreit: Die Insel ohne Geschlecht

Auf Kuba, wie in anderen Ländern Lateinamerikas, ist für viele dieses Gerede über Gender-Fragen eine abstrakte Theoretisierung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wobei dies vor dem Hintergrund geschieht, dass, logisch, Gender nichts anderes ist als biologisches Geschlecht und dass wir deswegen von nichts anderem reden als dem wohlbekannten Gegensatzpaar Mann/Frau. Jenseits davon gibt es nichts außer Perversion, Krankheit und gewisse Opfer von (ungewissen) schlechten Einflüssen. In diesem Diskurs wird die Frau weiterhin diskriminiert und ein starres Bild von Männlichkeit gefestigt, das erst in jüngster Zeit von den Studien zur Maskulinität auseinander genommen wird. Ich bin eine Frau, bisexuell – was schlimmer ist, als lesbisch zu sein, für die orthodoxen Verfechter der Heteronormativität – und ich muss akzeptieren, dass es nicht um Opfer und Täter geht.  Zumindest nicht allgemein gesprochen. Und die Frage in diesen Begrifflichkeiten zu formulieren, hilft uns nicht viel weiter. Die Männer, diese „Privilegierten“, leiden ganz schön unter der Enge ihrer Rolle. Also nein, ich möchte kein Mann sein, nicht heute vor diesem Blatt Papier und nicht morgen, glaube ich. Zum Glück muss ich es heute nicht entscheiden, da ich mein Geschlecht ändern kann, wann ich will. Diese Möglichkeit habe ich auf Kuba erst seit 2008. Zuvor, so muss ich sagen, war das strikt verboten.

Nach Jahren der leisen Forderungen werden heute Geschlechtsumwandlungen erlaubt. Doch dies führt nicht zu einer Anerkennung der Vielheit der Geschlechter. Ich will damit sagen, dass ich auf Kuba nur zwei Möglichkeiten habe: Frau oder Mann sein. Es heißt, dass seien die beiden „natürlichen“ Daseinsformen des Menschen. Das soziale Geschlecht ist eine kulturelle Konstruktion, aber das biologische Geschlecht? Ist es das etwa nicht? Judith Butler hat zu zeigen versucht, dass es so ist, dass auch das biologische Geschlecht eine Konstruktion ist, das sich mittels verschiedener Haltungen in der Gesellschaft ausdrückt. Heute sind die Möglichkeiten, sich mit einem hybriden Geschlecht zu identifizieren oder einer chirurgischen Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, noch vielfältiger. Auf diese Weise kann der berühmte Satz „Ich denke, also bin ich“ im 21. Jahrhundert anders gelesen werden. Ich bin kein (in Bezug auf das biologische und soziale Geschlecht, auf die lateinamerikanische, kubanische oder welche  Identität auch immer) natürliches Wesen: Ich denke – ich stehe vom OP-Tisch auf und esse einen Sandwich,  also – gehe ich aus der Klinik, um mich mit meinen Freunden zu treffen – bin ich.

Mein Land erlaubt nur zwei biologische und zwei soziale Geschlechter, aber in meinem Kopf, auf diesem Papier, sind meine Optionen mehr als drei. Heute würde ich gerne sein…mal sehen…lass mich nachdenken….

Judith Butler für Anfänger

Miss Transvesti 2010, Santa Clara, Kuba

Ein Stück von Gente de Zona – eine Reguetón-Band, die auf Kuba sehr in Mode ist – über sexuelle Neigungen (ich empfehle die Kommentare zum Video).

Enhanced by Zemanta

Übersetzung: Anne Becker

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