Diskriminierung – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Das Land der Weicheier http://superdemokraticos.com/themen/burger/das-land-der-weicheier/ Wed, 15 Sep 2010 13:11:26 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1952 Ich schreibe aus einem Land heraus, das mich, das Bürgerkind aus der linken Mitte, (noch) watteweich umschließt und mich weltweit vor schlechten Erfahrungen schützt. Ich bin noch nie diskriminiert worden, zumindest nicht wissentlich, und schon gar nicht aufgrund von Rasse, Kultur oder nationaler Herkunft. Groß, schlank, weiß und gut gekleidet komme ich eigentlich überall auf der Welt locker durch – das ist zumindest meine bisherige Erfahrung. Noch nie bin ich vor Clubs an einem Türsteher gescheitert, noch nie wurde mir eine Mitgliedschaft verwehrt und selbst die Homeland Security der Vereinigten Staaten winkt gelangweilt ab. Der Gipfel an Diskriminierung in meinem Leben waren einige anti-deutsche Spitzen eines norwegischen Austauschschülers. Im wahrsten Wortsinn: ein Witz!

Was ich sonst eigentlich sehr begrüße und an diesem Land so schätze, erscheint mir in Fragen der Sensibilisierung für Diskriminierung wie ein Fluch: Es scheint uns, den deutschen Deutschen (also den porentief weißen Kindern deutscher Eltern und Enkeln deutscher Großeltern), unmöglich, nicht auf der Sonnenseite der Welt zu stehen – es sei denn, wir begäben uns willentlich und wissentlich in Armut und Gesetzlosigkeit, aber das hat dann nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern allein mit Dummheit und Erfahrungssucht.

Ist es nun Sophisterei zu sagen, dass ich durch offensichtliche Undiskriminierbarkeit gleich doppelt diskriminiert bin? Der Satz „Auch ich möchte mich irgendwann mal diskriminiert fühlen“, mit dem die erste Fassung dieses Eintrags begann, geht zwar gewiss zu weit, er beinhaltet jedoch einen Kern, der mir gerade angesichts der zurzeit in Deutschland tobenden Debatte über die Integration muslimischer Einwanderer entscheidend erscheint: Wie soll der durchschnittliche „Herkunftsdeutsche“, wie das jetzt schon von einigen genannt wird, ermessen, was es bedeutet, aufgrund von Herkunft, Kultur und Hautfarbe diskriminiert zu werden? Wie soll derjenige, der einer Leitkultur und einer Rasse angehört, die ihn weltweit vor Diskriminierung zu schützen scheint, die Situation derer ermessen, die zu eben dieser Kultur keinen Zugang finden oder schlimmer noch: denen der Zugang verwehrt wird?

Ohne die Erfahrung einer alltäglichen Diskriminierung kann ich nur ahnen, wie unverschämt es sich aus Sicht der Betroffenen anfühlen muss, wenn jetzt jene, die in diesem Land die Gruppe der muslimischen Migranten kollektiv diskriminieren, auf einmal selbst von „Diskriminierung“ sprechen, wenn sie – nicht zuletzt aus den Reihen dieser Migrantinnen und Migranten – scharfe Gegenrede erfahren. Die Erfahrung einer wirklichen Diskriminierung aufgrund von Religion, Kultur und Hautfarbe, von allen Bewohnern des Landes geteilt, würde die Kultur der Zuspitzung, des Tabubruchs, des „Man wird ja nochmal sagen dürfen …“ im Keim ersticken.

Bis es so weit ist (und es kann nie dazu kommen, das wäre ja paradox), wird man ja wohl nochmal sagen dürfen, dass die bürgerlichen „Herkunftsdeutschen“ nichtsahnende Weicheier sind, denen es nur gut täte, selbst mal irgendwo eine diskriminierte und – und das wären diese Leute (wir) bei ihrer ganzen kulturellen Hybris gewiss – eine schwer zu integrierende Minderheit zu sein.

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Leben in der Fremde http://superdemokraticos.com/themen/burger/espanol-vivir-afuera/ Mon, 13 Sep 2010 07:04:33 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1867 In letzter Zeit denke ich darüber nach, fortzugehen und mich den fast drei Millionen Bolivianern im Ausland anzuschließen (obgleich diese Ziffer offiziell nicht bestätigt ist). Für andere Länder wäre das keine bedeutsame Größenordnung, aber für Bolivien, das innerhalb der Landesgrenzen circa 10 Millionen Einwohner hat,  ist diese Zahl bolivianischer Migranten der Schwerpunkt wissenschaftlicher Überlegungen, Grund zum Handeln für die Internationale Zusammenarbeit und Gegenstand von Regierungsprogrammen. Die Motive, das Leid und die Routen derjenigen, die migriert sind, weil sie Schulden haben, die aufgrund von Tilgungsverzug und der Zinsen unbezahlbar geworden sind, derjenigen, die weggehen,  weil es hier immer schwieriger wird, Arbeit zu finden oder die Kaufkraft der Gehälter lächerlich ist, derjenigen, die gezwungen sind zu gehen, weil der Boden unfruchtbar geworden ist oder wegen des Klimawandels, derjenigen, die aufbrechen, weil sie es hier nicht mehr aushalten. So verschiedene Städte wie Buenos Aires, Madrid, Washington, Sao Paolo gehören zu den bevorzugten Zielorten der bolivianischen Diaspora. Ich weiß nicht so recht, was mich im Ausland erwarten würde,  aber ich ziehe, genauso wie viele der Ausgewanderten,  diese ferne Ungewissheit des Fremden der Masse von lokalen und vertrauten Unsicherheiten vor. Aber ich weiß, dass ich zurückkommen will, und ich habe schon im Vorhinein Heimweh: Die Beklemmung der Grenzen ergreift mich.

Das Phänomen ist nicht nur komplex und mit einer Reihe anderer sozialer Prozesse transversal verknüpft, es hat auch historische Vorläufer. Migrationsbewegungen sind eine Konstante, deren Richtungen zahlreich waren: von den mitimaes, den Zwangsumsiedelungen während des Inkareiches zu politischen, ökonomischen und territorialen Herrschaftszwecken bis zu den Pionieren gegen Ende des 20. Jahrhunderts, die still und leise die Netzwerke gesponnen haben, entlang derer heute massenweise Bolivianer leben. Wenigen von ihnen geht es sehr gut, viele andere werden Opfer von Menschenhandel oder leben in sklavenähnlichen Verhältnissen, werden diskriminiert und schlecht behandelt. Hinzu kommen diejenigen, die noch nicht einmal den anvisierten Zielort erreichen, sondern festgenommen und abgeschoben werden. Und die Odyssee all derer, die das Land verlassen haben, weil sie keine Zitronen mehr verkaufen oder betteln wollen und an fremden Orten als anonyme Gespenster enden (neulich hat mir jemand, der vom Land kommt, erzählt, dass er sich im Ausland wie auf einem anderen Planeten gefühlt hat: Es war nicht nur so, dass ihm alles fremd und widrig vorkam, sondern er wurde auch wie ein Außerirdischer behandelt).

Der Exodus wird wohl nicht aufhören, auch wenn die Verschärfung der Grenzkontrollen, die immer restriktivere Einwanderungspolitik des Nordens, wie beispielsweise die Lage in Iowa oder die Rückführungsprogramme deutlich machen, die Situation der Migranten ohne Papiere kriminalisieren (vor allem die Lateinamerikaner und Afrikaner). Diese Situation der Verwundbarkeit und Segregation (zusätzlich zu den Auswirkungen der globalen Rezession) hat inzwischen den Traum der Rückkehrer, die sich gescheitert fühlen, zerstört. Sie hat auch den Traum der Zurückgebliebenen zerstört, die das Leben der anderen in der Ferne erwartungsvoll mit verfolgen (die remesas, die Geldüberweisungen der Migranten stellen eine der Haupteinnahmequellen des Landes dar). Unerwünschte Ausländer: Der universalistische Diskurs der Toleranz wird  von dem kapitalistischen Utilitarismus in sein extremes Gegenteil verkehrt. Bewegung ist ein so unabdingbares Menschenrecht wie Wasser; und Bewegungen einzudämmen zu wollen ist so, als wollte man einen Fluss mit einem Deich aus Sand stoppen.

Aber wir sind an Widrigkeiten und Unglücke gewohnt und wir werden weiterhin gehen (und zurückkommen). In letzter Zeit sind wir sogar optimistisch. Wir haben gar angefangen, die Mythen zu überprüfen, die uns manchmal das Atmen schwer machten: Wir sind nicht so traurig und auch nicht so mediterran und auch nicht so selbstzentriert. Außerdem können wir an jedem Ort ein Stück der imaginären Gemeinschaft (mit Musik, Bildern, Essen oder einer Unterhaltung) reproduzieren – wie eine Projektion eines Familienhologramms. Wir ziehen schweigsam los, so als würden wir die Welt einnehmen wollen, mit einem ají (Chilischote) in der Jackentasche. Lass uns los gehen. Schweigen, Exil, List.

Übersetzung: Anne Becker

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Nichtmal als Nutten http://superdemokraticos.com/themen/burger/nichtmal-als-nutten/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/nichtmal-als-nutten/#comments Thu, 02 Sep 2010 06:49:07 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1389 Ein Europäer, der mal in Argentinien zu Besuch war, erinnert sich gerne an die Gastfreundschaft: „Ruf mich an!“ „Komm vorbei, wir grillen!“ Argentinier empfangen Ausländer mit offenen Armen – wenn sie von der Nordhalbkugel kommen. Menschen aus ärmeren Regionen Lateinamerikas haben es schwer.

„Argentinien hat sich immer als weißes Land verstanden“, sagt Lourdes Rivadeneyra. „Die Diskriminierung gegenüber den Einwanderern aus den Nachbarländern hat viel mit der Hautfarbe zu tun, den Gesichtszügen und der Armut. Plötzlich bist du für viele ein Feind. Es gab mal im ganzen Viertel Plakate auf denen stand: Die Bolivianerinnen wollen wir nicht mal als Nutten.“

Rivadeneyra kam vor 18 Jahren aus Peru nach Argentinien, heute arbeitet sie beim Inadi, der argentinischen Antidiskriminierungsbehörde. Dort hilft sie Einwanderern aus Bolivien, Paraguay und Peru dabei, sich ein neues Leben in Argentinien aufzubauen. Etwa zehn Prozent der 38 Millionen Bewohner Argentiniens stammen inzwischen aus Paraguay, Peru und Bolivien. Die Leute träumen den amerikanischen Traum“, sagt Rivadeneyra. „Sie glauben, dass sie ein großartiges Leben in Argentinien vorfinden. Aber leider ist die Realität eine andere. Viele haben keine Arbeit, leben unter unmenschlichen Bedingungen, in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen.“

Auf der Straße angesprochen sind die Argentinier zurückhaltend. Doch zwischen den Zeilen ist ihre Ablehnung der Einwanderer herauszuhören.

Zum Anhören (spanisch):

[audio:http://superdemokraticos.com/wp-content/uploads/2010/08/encuesta-argentina.mp3|titles=Encuesta / Umfrage]

Frau 1: Ich glaube, sie machen viele Arbeiten, die wir, die Argentinier, gar nicht machen wollen.

Mann 1: Ihnen geht es hier viel besser als es ihnen jemals in ihrer Heimat gegangen ist.

Frau 2: Alle diese Leute nutzen unsere öffentlichen Einrichtungen und geben nichts zurück. Sie zahlen nichts.

Frau 1: Manchmal sage ich etwas Fremdenfeindliches, denke Schlechtes, sage: Das ist bestimmt ein Bolivianer, ein Paraguayer. Dann ärgere ich mich über mich selbst. Aber ich bin auch nur ein Mensch, ich kann das nicht vermeiden.

Mann 3: Alles, was von außen kommt, akzeptieren wir. Woanders beschweren sich die Leute, dass es schwierig ist, zur Gesellschaft dazu gehören. Hier akzeptieren wir Leute aus anderen Ländern schnell. Aber, was mir weh tut, zum Beispiel: Die Italiener und die Spanier, kamen und gaben alles. Heute gibt es eine andere Art von Einwanderung, aus den Nachbarländern. Die sind bequem. Sie möchten, dass man ihnen ein Haus gibt, besetzen Häuser, die Italiener und die Spanier machten so etwas nicht.

Umfragen zeigen, dass sechs von zehn Bolivianern mit dem Gedanken spielen, die Heimat zu verlassen. Viele von ihnen wollen nach Argentinien. Weil sie schlecht informiert seien und nicht wissen was sie vor Ort erwartet, sagt Rivadeneyra. Ein Auswanderer gebe gegenüber der Familie in der Heimat nicht zu, wenn es ihm nicht gut geht: „El extranjero nunca va a decir a su familia que está mal.“

Auch Shirley López hatte vor der Abreise niemand gesagt, dass Bolivianer in Argentinien nicht überall willkommen sind. Sie hatte von Freundinnen gehört, dass „Argentinien genial war, dass man in Dollar verdient, das Leben sehr gut sei und das Essen lecker.“

López ist klein und hat einen dunklen Teint. Keine guten Ausgangsbedingungen für ein neues Leben in Buenos Aires. Zunächst arbeitete Shirley als Schneiderin in einer koreanischen Textilfabrik, jetzt ist sie Hausfrau und kümmert sich um ihre kleine Tochter. Drei Jahre wohnt die 34-Jährige nun schon in Argentinien und fühlt sich noch immer fremd. Hätte sie dort nicht ihren Mann kennen gelernt, sie wäre längst wieder in Bolivien. Sie wünscht sich von den Argentiniern mehr Respekt.

„Alle Argentinier sind Einwanderer. Und sie leben auf dem Land der Quechua, Aymara und Querandíes. Aber das wollen sie nicht verstehen. Sie sagen immer, dass wir die Invasoren, die Einwanderer sind, weil wir klein sind und braune Haut haben. Indios, nennen sie uns. Scheiß-Bolivianer, schmutzige Bolitas.“

Wenn Shirley ihre Heimat vermisst, geht sie in ihr Zimmer, hört bolivianische Musik und schließt die Augen.

Zum Anhören (spanisch):

[audio:http://superdemokraticos.com/wp-content/uploads/2010/08/shirley-musica.mp3|titles=Shirley hört Musik in ihrem Zimmer]

„Ich höre die Musik aus Bolivien sehr gerne. Ich fühle mich dann meiner Familie und manchmal denke ich, dass ich Zuhause bin. Auch wenn ich in meinem Zimmer eingesperrt bin, habe ich das Gefühl, da zu sein, wenn die Musik laut ist. Ich stelle mir dann vor, dass ich da bin. Ich höre sie immer, aber wenn ich traurig bin, lieber nicht.“

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts haben vor allem italienische, spanische aber auch jüdische und arabische Einwanderer die argentinische Gesellschaft stark geprägt. Heute sei die Situation anders, sagt Rivadeneyra. Argentinien müsse sich an Einwanderer aus allen Regionen Lateinamerikas gewöhnen: „Früher kamen wenige Kolumbianer, jetzt kommen mindestens zehn am Tag, die meisten sind Jugendliche. Auch aus Haiti kommen sehr viele Flüchtlinge, nicht erst seit dem Erdbeben. Das Problem ist die Armut. Ein Ausländer, der Geld hat, wird nicht diskriminiert.“

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Oscar Bin Laden http://superdemokraticos.com/themen/koerper/oscar-bin-laden/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/oscar-bin-laden/#comments Fri, 06 Aug 2010 07:00:16 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=581

„Sie können hier nicht mehr arbeiten, Anweisung von oben“, sagte die Filialleiterin. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte Brufani. „Die Kontrolleure finden, Sie sehen aus wie Osama Bin Laden."

Wenn in diesem Monat das Oberthema unserer Texte „Körper“ ist, denke ich auch an Menschen, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes diskriminiert werden. Der vielleicht kurioseste Fall, von dem mir ein Betroffener selbst erzählt hat, ist der von Oscar Brufani, einem LKW-Fahrer in Argentinien. Niemals hätte er gedacht, dass die weltweite Angst vor terroristischen Attacken sein Leben beeinflussen könnte. Er fuhr doch nur Kartoffelchips aus.

Doch dann wurde ihm sein Bart zum Verhängnis. Nur drei Mal in seinem Leben hatte er sich rasiert: Einmal, als er 18 wurde, fürs Passfoto. Das zweite Mal war bei der Musterung. Das dritte Mal bereut er noch heute: Er wollte seiner Frau einen Gefallen tun. Die freute sich, aber die drei kleinen Töchter rannten vor ihm weg. Sie erkannten den Mann mit dem nackten Kinn nicht. Nie wieder, schwor Brufani, würde er sich den Bart abschneiden. Jeden Morgen wäscht er ihn mit Shampoo und bei der Arbeit steckt er ihn ins Hemd, wie andere Leute eine Krawatte unter den Pullunder.

Jahrelang belieferte er als Selbstständiger große Supermärkte im Süden von Buenos Aires mit Kartoffelchips. Doch eines Tages, nachdem er die Kisten bei Wal-Mart abgeladen hat, ließ die Filialleiterin ihn warten. Sie sprach mit zwei Kontrolleuren aus den USA. Brufani waren die Männer im Anzug schon beim Abladen der Kisten aufgefallen, sie tuschelten, sahen zu ihm herüber.

Brufani erinnert sich an den Dialog mit der Filialchefin: „Sie können hier nicht mehr arbeiten, Anweisung von oben, sagte die Dame. Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte er. Nein, sein Bart sei schuld, sagte die Filialleiterin. „Die Kontrolleure finden, Sie sehen aus wie Osama Bin Laden.“

Die haben einen Knall, die Nordamerikaner, dachte Brufani. Glaubten die wirklich, Bin Laden würde Chips ausliefern? Doch am nächsten Tag verweigerte ihm das Sicherheitspersonal den Zutritt. Brufani verstand nicht. Er ist Argentinier, Sohn italienischer Einwanderer, im Wohnzimmer hängt ein Kreuz.

Brufani fuhr weiter Chips aus, er belieferte seine üblichen Kunden, nur die Tore von Wal-Mart in La Plata blieben verschlossen. Für Brufani war das eine Katastrophe. „Ich muss Wal-Mart beliefern, sonst bin ich raus.“ Also begann er, einen Fahrer zu bezahlen, der die paar Meter zu Wal-Mart auf den Hof fuhr. Und nahm sich einen Anwalt. Doch der musste erstmal klären, ob der Konzern überhaupt Vorschriften verletzte. Ist es strafbar, zu behaupten, dass ein Mann aussieht wie ein Top-Terrorist, von dem man keine Kartoffelchips geliefert bekommen möchte? Das Antidiskriminierungsgesetz erfasst solche Fälle nicht. Brufani wird weder aus religiösen noch aus rassistischen Motiven diskriminiert. Die Klage von Brufani sei haltlos, heißt es lapidar in einer Presseerklärung des Konzerns.

Brufani hat danach nie wieder versucht, bei Wal-Mart einzukaufen. Er geht zur Konkurrenz, da ist er willkommen. Einmal begrüßte ihn dort sogar jemand von der Geschäftsleitung, als er gerade an der Kasse stand. „Wir haben Sie auf den Überwachungsbildschirmen gesehen“, sagte die junge Frau. „Möchten Sie für uns als Weihnachtsmann arbeiten?“

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