digital – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Globusse, Balkane und Literatur http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/espanol-globos-balcanes-y-literatura/ Mon, 27 Sep 2010 15:01:57 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2230 Wir waren 18 Jahre alt, ein bewegtes Jahrhundert neigte sich dem Ende entgegen und ich und mein Freund Boris suchten wie Drogensüchtige nach Büchern. Da es in unserer Stadt keine Buchhandlungen (bzw. eine mit geringer Auswahl) gab, konzentrierten wir unsere Suche auf die Bücherregale unserer Verwandten und Freunde: Wir fragten nach, liehen Bücher aus oder klauten welche (aus den Bibliotheken, die durch Einschränkungen, schlechten Geschmack und Betriebsroutine verwaist waren). Es war uns egal; wir machten Gebrauch, von dem, was wir fanden: Wir waren glücklich in unserer Beschränkung. Das Lesen hielt uns an, immer mehr zu lesen, ohne dass wir sonderlich an die Zukunft oder die Konsequenzen dachten. Eines Tages erreichte uns das Gerücht, dass Herr Soundso angeblich die gesammelten Werke von Jorge Luis Borges in der Emecé-Ausgabe von 1979 besaß. Nachdem wir die ungefähre Adresse des besagten Besitzers ermittelt hatten, fuhren wir auf Boris’ schrottreifen Motorrad los und klingelten zwischen zwei Straßen an jeder Haustür, bis wir an die richtige Tür gelangten. Ein Typ, den wir noch nie gesehen hatten, öffnete uns die Tür, verschwand nach einer kurzen Erklärung von Boris wieder in der Wohnung und kam mit besagter Ausgabe in grünem Einband wieder. Wir fuhren sofort zum Kopierladen und brachten ihm nach einer Stunde sein Buch zurück. Dass es keine Bücher gab (heute gibt es auch nicht viel mehr als damals), schien mir auch ein Symptom des spießigen und obskuren Angestelltenprofils in der Stadtverwaltung: Es ist schließlich leichter, jemanden zu beherrschen, der uninformiert ist oder nicht weiß, was er mit Informationen anfangen soll.

Uns war die Welt damals weit und fremd, auch wenn dies gerade dabei war, sich zu ändern. Wir sollten bald dazu gezwungen werden, unsere Antennen vom analogischen auf das digitale Modell umzustellen. Ein Jahr bevor das 20. Jahrhundert zu Ende ging, konnten wir schon Zeitungen und Magazine im Internet lesen, die vorher für uns nirgends zugänglich gewesen und in unserem monothematischen Zirkel mythischen Status genossen hatten: Mit einem Klick fühlten wir uns selbst gegenüber nun wahrhaft zeitgenössisch. Aber in der „Realität“ zirkulierten weiterhin sehr wenige Bücher und der Klang der „Realität“ hatte mehr Akkorde in Moll denn in Dur: übertrieben hohe Buchpreise bei Lumpengehältern, deren Kaufkraft jeden Tag abnahm, Geringschätzung der Rolle der Literatur, das Aufkommen multinationaler Konsortien, die sich anschickten, unsere „Nationalliteratur“ zu umsäumen (indem sie tendenziöse Debatten führten, Autoren und Werke ignorierten, den Dialog zwischen literarischen und linguistischen Traditionen, die sich nicht um ihr mittelmäßiges Kriterium der nationalen Grenzen scheren, nicht berücksichtigten, indem sie Schulbuchtexte herausbrachten, in denen der Sinn der Literatur in der erzieherischen Funktion verloren ging etc.). Die von diesen Konsortien geförderte „Nationalliteratur“ war in vielen Fällen nichts als ein ideologischer Pakt zwischen einer Öffentlichkeit (die diese teuren Bücher kaufen und die Lektüre dieser klassistischen Bücher genießen konnte) und einem Autoren (der oftmals aus eben dieser sehr begrenzten Öffentlichkeit stammte). Viele Aspekte haben diesen perversen Effekt zu unterminieren begonnen, unter anderem der Zugang zu Literatur über das Internet.

Auch wenn es hier keine Buchhandlungen gibt, die an Supermärkte erinnern, in denen Bücher wie Waren mit einem Verfallsdatum verkauft werden (wodurch viele wertvolle Bücher in Vergessenheit geraten), so verharren wir doch in der Position eines kulturellen Flohmarkts, auf den nur die Abfallprodukte und Überschüsse der großen Märkte gelangen. Das, was einige Autoren (unter anderen Piglia und Link) die „Balkanisierung“ der lateinamerikanischen Literatur nennen. Ramsch wie Selbsthilfeliteratur, miserable Übersetzungen von Klassikern, unechte Bestseller, aber fast nie jene Werke, die unsere (gemeinsame, aber unendlich vielseitige) Sprache transformieren und erweitern, die unser Verständnis davon, was es heißt, Lateinamerikaner zu sein, verändern, die den Kanon reformieren etc. Solange das so bleibt, werden wir dank des Internets – mit all seinen Begrenzungen und unseren Illusionen, mit Geduld, aber auch mit Zorn – weiter Widerstand leisten. Seiten aus Sandstein, die ich mit meinem Freund Boris weiter verschlingen werde. So einfach geben wir nicht auf.

Übersetzung: Anne Becker

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Digitale Körper II: Swinger Club (+18) http://superdemokraticos.com/themen/koerper/digitale-korper-ii-swinger-club-18/ Fri, 06 Aug 2010 17:54:50 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=591 Bildschirme bringen die Menschen näher. Die begeben sich dann – unzufrieden mit diesem strahlenden Verführer – auf die Straße, um jene Freuden zu finden, die der Voyeurismus und der Exhibitionismus nicht schenken können. Die Normalität verfolgt und diszipliniert uns, sei es, indem sie uns von einer Empore psychoanalytische Doktrin lehrt oder indem sie uns einen von einer Soutane verborgenen, masturbierenden Arm zeigt. Was für eine Normalität fordern diese Mächte von uns ein, in einer Zeit, in der wir unsere Intimität in einem Schaufenster ausstellen, das den gesamten Globus, alle Kulturen, alle Moral zu umfassen scheint?

Wir treten auf die Straße und sind uns dieser Dilemmata bewusst. Unser Wissen von dem Widerspruch, dass wir nicht besitzen können, was noch nicht existiert, ist unerschütterlich; wir fühlen uns schuldig, uns selbst zu unterdrücken, schuldig, Regeln zu benötigen, um uns zwischen andere Körper zu begeben. Wir fühlen uns durch die miteinander geteilte Geilheit und die schlaflosen Stunden, in denen wir mit Hilfe von Emoticons, vorgefertigten Wörtern und unmöglichen, übertriebenen Bildern reden und reden, ermutigt. Wir, nur zwei Menschen, die auf der Suche danach waren, unsere wirkungslosen Genitalien wiederzubeleben, stürzten uns auf die Straße, um zum ersten Mal unsere Gerüche zu suchen, die Farben, die die Realität in sich birgt.

Eine bestimmte Etikette musste befolgt werden, um Zugang zu diesem Swinger Club zu bekommen, wobei es sich lediglich um gemeinschaftliche Normen handelte, die dazu gedacht waren, den Gruppensex entspannter zu gestalten. Die Neutralität der Dinge, der Objekte und sogar des Denkens verdeckten sich hinter Keimfreiheit. Eingehüllt in ein Kleid, das jeden Millimeter deines Körper abzeichnete, hast du gestrahlt und warst auch ein bisschen erschrocken. Der Stoff, den du trugst, war so zart wie deine Haut, und das Geschehen des Abends geleitete uns bis zu einem dunklen Raum, das von einem riesigen, in Plastik gehüllten Bett beherrscht wurde. Ein Pärchen schloss sich uns an, das ihre Blicke auf deine spitzen Brüste heftete, die schon von meiner Spucke schimmerten.

Eingebunden in das Spiel, nähertest du dich diesen zwei Körpern, um ihnen mit Gesten zu signalisieren, dass ich nur hier war, um dir zuzuschauen, dass meine Anwesenheit ausschließlich professioneller Natur war, dass ich gerade einen Artikel über Körper für „Los Superdemokráticos“ schrieb… über die Körper, die in unseren Computern ein- und ausgehen; diese Körper, die sich uns anschlossen, während deine Kleidung verschwand.

Du warst die einzige, die vollständig nackt war, du warst ein Fleck aus Fleisch inmitten der verwickelten Kleidung der Menge, und ich beobachtete dich, um deine authentische Lust von simulierter Lust trennen zu können. Du bewegtest dich wie ein riesiger Mund von einem Geschlecht zum anderen, und alle Teilnehmenden begannen, sich deinem schwachen Stöhnen, deiner Atmung anzuschließen. Es türmte sich bereits auf dem Bett und die Hände der Männer und Frauen über dir, als du den Entschluss fasstest, einen jungen Mann, der abseits wartete, einzuladen. Du bücktest dich und strecktest ihm deinen Hintern entgegen und verführtest ihn damit auf solch überzeugende Weise, dass er sich innerhalb weniger Minuten entkleidete und sich einen Weg bahnte, um in dich einzudringen. Indem er sanft deine winzige Hüfte umfasste und seinen Blick auf deine offenen Pobacken heftete, brachte er meine Geilheit fast bis zum Kollaps. Mit einer geplanten Bewegung zogst du deinen Kopf zwischen den Beinen einer Brünetten hervor und lehntest deinen Rücken an die Brust des jungen Mannes, der weiterhin in dir war. Als er deine Wärme, die hohe Temperatur deines Fiebers spürte, fasste er dir an die Brust und schenkte dir einen Schauer feuchter Küsse und schmutziger Worte…

Du danktest ihm

mit einem Stöhnen

das ein massives

kollektives Seufzen

entfesselte…

Übersetzung: Marcela Knapp

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Digitale Körper I: 26 Minuten Cybersex (+18) http://superdemokraticos.com/themen/koerper/digitale-korper-i-26-minuten-cybersex-18/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/digitale-korper-i-26-minuten-cybersex-18/#comments Mon, 26 Jul 2010 08:00:00 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=508 Beatniks, Hippies, Punks oder Raver hatten alle auf ihre Weise den Wunsch, die Idee, dass Sex eine Ware sei, aufzuheben. Auch wenn dieser Wunsch nicht über kurze Momente, einige Ghettos oder bestimmte Städte auf der Welt hinausreichte, so hat der Frühling bis heute nicht aufgehört zu blühen. Im Süden, im katholischen Süden, voll erdrückender, mit Blut und Sperma befleckter Soutanen, sind unsere Genitalien weiterhin Waffen, wenn auch nicht mehr so tödlich wie früher… vielleicht, weil wir nicht mehr so alleine sind.

In Zeiten des Internets ist alles transparent und die Idee der Intimität erhält eine neue Bedeutung, während die der Fremdbestimmtheit ins Wanken gerät. Wir können Menschen auf der ganzen Welt live dabei zuschauen, wie sie masturbieren, ihre Fotos und Videos hochladen, sich in Paar-, Schwulen-, Single-, Swinger-, Transforen treffen… wahre oder ausgedachte Geschichten austauschen… symbolische Preise für einen Fick, einen Arsch oder ein paar fleischige Lippen vergeben… wie ungesund aussehende, grauhaarige Männer, die müde und betäubt sind vom importierten Whisky in der Lobby eines Hotels der Stadt der „Ja der Jungen“ sitzen und bereit sind, bestimmte Barrieren zu überwinden, kulturelle wie die Sprache oder materielle wie die Distanz und das Geld… wie sie kommunizieren, schauen, sagen, zeigen, bitten… wie sie jemand anderes sind oder sich selber spielen… Alles mit einem Bildschirm… einem Bildschirm. Etwas, das definitiv eine Sache ist, wie ein Stein oder ein Schatten. Etwas komplett verachtenswert in der Natur, das uns hier in ständigem Kontakt hält. Ein Stein, der uns das Gesicht mit melodramatischer, parodierter, grotesker, verliebter oder minimalistischer Amateurpornographie beleuchtet und von diesem Typen produziert wurde, der Whisky am Strand trinkt oder möglicherweise von einem anonymen Mädchen, das genauso gelangweilt oder bedürftig ist, und die mir in einer einsamen Nacht ihr Foto zuschickt, auf dem sie bekleidet mit einem Slip der Größe eines Muttermals und einem Tank Top, das zarte und winterlich-bleiche Schultern erahnen lässt, auf dem Bett liegt…
X sagt:
[22:11:00] du sprichst gar nicht mit mir!
Y sagt:
[22:11:05] ich schaue mir dein foto an
[22:11:09] ich weiß nicht, was ich dir erzählen kann
X sagt:
[22:11:14] und… sag mir schmutzige dinge
Y sagt:
[22:12:33] ich war abgelenkt… entschuldige
[22:12:48] ich schaue mir das amulett an, das du am hals trägst
[22:13:04] oder deinen blick
[22:13:14] u versuche mir vorzustellen, wer du bist
[22:13:29] ich schaue dir auf deinen mund
[22:13:57] u frage mich, was deine augen tun würden, wenn du merkst, dass ich dich küssen werde
X sagt:
[22:14:06] ☻
Y sagt:
[22:14:26] die bewegung deines blicks… zurückweisung oder nur hysterie?
[22:15:07] ist auch egal, ich kann dich schon
[22:15:23] riechen
X sagt:
[22:15:43] ♥
Y sagt:
[22:15:46] u dein ganzes gesicht bereitet sich schon auf den kuss vor
[22:16:07] wir berauschen uns sanft
[22:16:34] die bewegungen unserer köpfe beruhigen sich
[22:16:57] die körper helfen mit u beginnen, sich aneinander zu pressen
[22:17:21] ich achte auf deine atmung
[22:17:27] u auf meine hände
X sagt:
[22:17:36] ♥
Y sagt:
[22:18:03] ich versuche, deine bewegungen an meine anzupassen
[22:18:17] ich lege den schwanz zwischen deine beine
X sagt:
[22:18:24] oh ja!
Y sagt:
[22:19:09] ich würde dich gerne ausziehen, aber ich sehe nur kleidung…
X sagt:
[22:19:21] ☻
[22:19:35] das ist gefährliches zeug
[22:19:45] ich werde mich nicht nackt mit meinem gesicht im ganzen web zeigen
Y sagt:
[22:20:37] wie böse du bist
[22:21:06] in der nahen zukunft werden wir hausgemachte pornografische videos austauschen, um uns der gesellschaft vorzustellen… als visitenkarten

—- Sie haben ein neues Foto erhalten. Dieses Mal handelt es sich um eine Nahaufnahme ihres Gesichts. Ein rosiger Mund mit infantilem Ausdruck. Gläserne und halbgeschlossene Augen. Offensichtlich handelt es sich um eine von tausenden von Bildern, die sie in einem besonderen Ordner mit dem Namen „degenerierte Alte“ gespeichert hat. —-

[22:22:13] du machst mich krank!… ich werde anormal geil… dein gehirn macht mich so an, dass ich lust bekomme, mit einem paraglider in deinem wohnzimmer zu landen, um uns zu verprügeln u zu lieben.
X sagt:
[22:22:16] danke, aber ich stehe nicht so auf schläge!
[22:23:20] ich möchte mich anfassen… aber das ist dir total schnuppe
[22:23:30] na los! sag mir schmutzige dinge!!!
Y sagt:
[22:24:13] ok, inspirier mich!
[22:24:30] wie fasst du dich an?
[22:24:38] wie gefällt’s dir?
X sagt:
[22:25:47] ich reibe mir leicht mit der haut des daumens u zeigefingers
[22:25:48] ganz sanft
[22:25:52] die klitoris
[22:26:24] danach massiere ich sie zwischen den fingerspitzen des daumens u zeigefingers
[22:26:40] währenddessen streichelt mich der mittelfinger weiter drinnen u es entsteht eine art schleim, der nach hinten läuft
Y sagt:
[22:27:29] u gefällt es dir, wenn eine eichel leicht über deine klitoris streicht?
X sagt:
[22:27:37] ich werde wahnsinnig, wenn eine saftige eichel meine klitoris berührt
[22:28:17] das bringt mich sofort an den rand des orgasmus
Y sagt:
[22:28:28] mmmmh
X sagt:
[22:28:57] u ich mag es auch, wenn man mir die eichel reinsteckt
[22:29:00] eine lange zeit
[22:29:07] nicht der ganze schwanz
[22:29:13] damit ich ihn begehre
[22:29:16] viele minuten lang
Y sagt:
[22:29:50] was passiert, wenn du spürst, dass du dich ganz öffnest, weil er ganz in dich eindringt?
X sagt:
[22:30:13] ich spüre eine unbeschreibliche wärme in mir drin
[22:30:15] so geil
[22:30:23] das ist das vorspiel der wahren lust
[22:30:32] wenn ich spüre, dass er mir reingesteckt wird
[22:30:39] überkommt mich ein schüttelfrost
[22:30:51] ich zittere
[22:30:53] wortwörtlich
Y sagt:
[22:31:20] was passiert, wenn er plötzlich rausgezogen wird?
X sagt:
[22:32:14] es fühlt sich an wie ein saugen
[22:32:16] eine leere, die mich schwindelig macht
[22:32:19] u mich stöhnen lässt
Y sagt:
[22:32:28] du schließt die augen…
X sagt:
[22:32:40] ja
[22:32:48] auf dem höhepunkt verliere ich die beherrschung über alles
[22:32:56] ich möchte nur noch gevögelt
[22:32:58] u gevögelt werden
Y sagt:
[22:33:03] ahffff
X sagt:
[22:33:16] mich bedeckt das gewicht des mannes
[22:33:20] erstickt meine titten mit seinem gewicht
[22:33:28] das macht mich totaaaaaaaaaaaaaaaaaaaal geil
X sagt:
[22:36:57] fertig!… ich geh duschen, um den geruch nach frau loszuwerden… küsschen
Y sagt:
[22:37:00] hehe. du bist göttlich, kleine! danke für deine heiße geilheit! küsschen

—- Sie haben ein gif mit einem pulsierenden Hirn erhalten —-

Übersetzung: Marcela Knapp

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