Abschied – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Eine Auftakt- und Abschiedsnacht http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/eine-auftakt-und-abschiedsnacht/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/eine-auftakt-und-abschiedsnacht/#comments Fri, 22 Oct 2010 11:27:32 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3071 Ich werde die Geschichte eines Sängers erzählen: mein Leben als Superdemokrat ist eine Episode von Californication. Ich lebe, als gäbe es keinen Almanach. Als ich anfing für das Blog zu schreiben, war mein Herz eine Postkarte aus Idaho. Im Laufe der Zeit ist mir der Vergnügungspark kaputt gegangen: mein Laptop in den Arsch gegangen. HP kidnappte ihn für mehrere Wochen. Und das verspätete Einreichen der Texte machte meine Übersetzerin verrückt und auch Rery, die die Chefin spielen musste und mir drohte: Eh, Früchtchen, wenn du nicht spurst, wird es keine Transvestis mehr für dich geben, wenn du nach Berlin kommst. In dem Moment klingelten die Alarmglocken. Ich schrieb mehr oder weniger ein paar Texte, die sie lahm fand, aber andere gefielen ihr dann doch. Auch wenn sie meinen Punktstand auf der Anzeigetafel manchmal nach unten korrigierte, kann ich bezeugen, dass es unentschieden steht. Abgesehen von meinem achtstündigen Bürojob fraßen mich die Abgabetermine für die Berichte für das Stipendium, was ich bekomme, um den Erzählband Bekenntnisse eines Verkäufers von frittiertem Hühnchen zu schreiben, regelrecht auf. Des weiteren sei hinzugefügt, dass ich in diesem Zeitraum einen Umzug durchlitt. Mein Schreibtisch blieb in der alten Wohnung und es war sehr unbequem, an einem Tischchen zu schreiben, an dem ich mich so verrenken musste, als würde ich die ganze Zeit Jauche aus einer tiefen Grube empor holen. Und als Sahnehäubchen gab es dann auch noch die Korrekturfahnen meines neuen Buches La marana negra de la literatura rosa (Die schwarze Sau der rosa Literatur) zur Durchsicht, welches, morgen, Donnerstag erscheint. Und weil auch nie ein Extra fehlt, war Anfang Oktober Fernando Vallejo in meiner Stadt zu Besuch, um einen Vortrag zu halten, und ich war der Verantwortliche der ganzen Sache.

Vallejo betrat Coahuila und alles lief aus dem Ruder. Während dessen war ich damit beschäftigt, die Fragen eines chilenischen Mädel für ein Buch über das Romanfestival in Barcelona, wo ich mich gerade befinde, zu beantworten. Die Nacht, in der Fernando den Norden besuchte, ging ich mit ein paar Freunden in ein Café und um 9 Uhr abends betraten vier Typen den Laden und exekutierten eine Person. Wir hörten die Schüsse und schmissen uns zu Boden. Neben mir lag Edgar, mein super brother. Ich fragte ihn, ob er o. k. wäre und ich erhielt keine Antwort. Ich finde keine Worte, um die Leere zu beschreiben, die sich in mir ausbreitete. Zu meinem Glück hatte er sich mit einer Flasche geschnitten und obwohl er wie wahnsinnig blutete, hatte ihn keine verirrte Kugel getroffen.

All das passierte in den Monaten, in denen ich das Angebot annahm, Teil der Belegschaft der Superdemokraten zu sein.

Barcelona, Spanien, 10. Oktober 2010

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Ich glaube nicht an Abschiede http://superdemokraticos.com/themen/koerper/ich-glaube-nicht-an-abschiede/ Mon, 18 Oct 2010 01:00:30 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2981 Neue Sozialistische Kunst

(c) RH

Ich glaube nicht an Abschiede. Ich habe schon überlegt, einen Nachfolgeblog, einen Eigenblog an den Start zu bringen, warum nicht, schafft vielleicht weitere Ebenen, produktionsmäßig, rezeptionsmäßig, sozial, finanziell, sexuell. Viele von mir verfolgte Kolleginnen (Nikola, Rery) und Kollegen (Herrndorf, Winkler, Melle, Glaser, Ambros Waibel) pflegen mehr oder weniger vorbildlich einen Blog. Als Probebühne und Marketingwerkzeug, als öffentliches Ausprobieren von Text, der später einmal anders öffentlich werden soll (nämlich nach alter Mode auf Papier). Außerdem ist ja bald Zukunft.

Ich glaube nicht an Abschiede.
Ich habe mich wohl gefühlt hier.

Das Licht strahlte hell, hell strahlt auch der Nerv in der Schulter, bis in die Hand hinein. Nerv nervt. Hell strahlte die Schönheit des schönsten Mädchens, aber sie strahlte woanders hin, nur hier nicht. Ich habe gestern einen Film gesehen.

Bevor ich mich beklagen konnte, dass sie mich ein viertes Mal verlassen hat, standen wir in einer ausgeräumten Kirche mit hellem Parkett herum. Keine Kreuze, keine Bänke, kein Altar, nichts. Dann kam Musik und wir tanzten.

Wir haben dann alle umarmt. Mario legte einen Tanzbärtanz hin. Wir trugen alle Sonnenbrillen. Ich habe die Rechte, dich springen zu lassen. Der zwangsernährte Präsident umarmte uns, die Gewerkschaft redete uns zu, die Frauen wollten noch nicht so, wir auch nicht, aber es kamen Einladungen überall her, aus der ganzen Welt.
Wegen uns werden einmal Fußballspiele ausgetragen.
Hoffen wir, dass wir das rechte tun. Hoffen wir, dass wir die Anliegen unserer Klasse in die Welt tragen können. Hoffen wir, dass ein neuer Anfang gemacht sein wird.

Die Namen der Überlebenden,
Videos aus der Tiefe, Überlebensbotschaft,
nun wird er bald heiraten, in einem unzerstörten Tunnel
soll er joggen gegangen sein (sich die Ohren zustopfen und weglaufen),
Foto: R. Hamann

Er schrieb unter Tage Gedichte und schickte sie seiner schwangeren Frau (will ich lesen),
führte ein Tagebuch über die Ereignisse seit dem Unglück (auch),
er ist Fußballfan.
Seine Frau hatte angekündigt, ihn im Trikot seiner Mannschaft zu empfangen.
Der Chef der Eingeschlossenen trug zur Stabilisierung der Gruppe bei.

Bergarbeiter, Kumpel, sie hatten unter den Arbeitern und darüber hinaus immer den besten Ruf. Die Leute auf dem Müll, die interessiert einfach niemand.

Verschiedene Einheiten treiben vor sich hin, treiben umher.
Ich mag keine Abschiede. Die Kameras sind auf uns gerichtet, ich schließe die Liebsten in die Arme und sage, wir sehen uns. Wenn nicht hier, dann woanders.

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Offene Arme http://superdemokraticos.com/editorial/offene-arme/ Sun, 17 Oct 2010 13:41:38 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2992

Ich bin traurig. Die Superdemokraten verabschieden sich in ihren letzten Texten, ziehen Bilanz, grüßen sich gegenseitig und die Übersetzer, resümieren die Erfahrung, anhand vorgegebener Fragen in einem anonymen digitalen Raum als Individuum aufzutreten. Sie sind die aktiven gewesen in einem Dialog, der oft im Stillen verlief, beim Lesen, denn Leser, insgesamt 12.000, hatten wir! Sie waren die schweigenden Geister im Dunkeln des Cyberspace, denn oft kam auf die über 200 Essays, die jetzt in diesem Blog zu lesen sind, kein Echo zurück. Auch zwischen den deutsch- und den spanischsprachigen Autoren war es manchmal erstaunlich ruhig. Gemeinsam schweigen.

Ich bin mir dennoch sicher: Alle, die LSD genommen haben, haben ihre „Ichs durch ihre anderen dichs“ sehen können (Pedro Alexander). Das war kein Trip, das war kein Traum, das war eine traumhafte Versammlung von Ideen, Gefühlen, Visionen, eine „virtuelle geteilte Heimat“ (Liliana Lara), eine „Schreibübung“ als „erste Etappe“ (María Medrano) von ähnlichen intellektuellen Tauschrouten, die noch gebaut werden müssen. Wenn wir es geschafft haben, alte Machtstrukturen zwischen Europa und Lateinamerika für diese vier Monate aufzuheben, wenn ihr Menschen vermissen werdet, die ihr eines Tages zu treffen hofft (so wie ich!), dann glaube ich, dass diese globale Skypekonferenz, die wie eine kleine Buchmesse funktioniert hat, nicht abbrechen wird. Wir lesen und lieben uns weiter – und ich bin sicher, dass wir uns immer wieder begegnen werden. Wir werden uns an den offenen Armen und Augen erkennen. Denn ich bin optimistisch. Und wie Juan Gelman, der Shakespeare und Cervantes immer wieder liest, so wie Alan Pauls, der die Singleportionen im Kaiser’s, etwa „eine Scheibe Mozzarella“, wie Kunstobjekte liest, werde ich weiterlesen, wiederlesen, neulesen. Das ist kein Ende. Das ist ein Anfang von etwas.

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Die Glücksmaschine? http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/die-glucksmaschine/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/die-glucksmaschine/#comments Tue, 12 Oct 2010 15:00:55 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2471
raro (lo cual no es malo)
Image by ectopic via Flickr

Es ist Zeit, sich von den Superdemokraticos zu verabschieden, und ich bin versucht, ein Resümee zu ziehen. Was nehme ich mit aus dieser Erfahrung? Habe ich das Projekt genießen können? Hat dieses Blog gehalten, was es versprochen hat?

Beginnen wir – ich und meine anderen Ichs –  mit der Feststellung, dass keine Erfahrung je so ausfällt wie erwartet. Eines meiner Ichs findet, dass sich einige der Erwartungen erfüllt haben: zum Beispiel, auf gleichgesinnte Leute zu treffen. Oder die Erwartung, interessante Artikel zu lesen und mehr über die Länder der teilnehmenden Autoren zu erfahren. Und was hat sich nicht erfüllt? Ich wüsste keine Antwort. Ich kann nur sagen, dass die Lust auf mehr Dialog bestehen bleibt, auf ein tieferes gegenseitiges Durchdringen und Verstehen, von uns, den Autoren des Blogs. Es kann sein, dass ich mir das Projekt wie eine Art Experiment in virtueller Demokratie vorgestellt habe, wie einen Raum, in dem wir unseren jeweiligen Ort der politischen Partizipation auf die Probe stellen. Es ist mir klar, dass ich einen auf schlau, vielleicht sogar auf träumerisch gemacht habe, das braucht mir niemand zu sagen. Aber ich habe mehr noch getan: Ich habe mich als hellwache Träumerin versucht. Ich habe die Zeit, die ich den Superdemokraticos widmete, in einer Art Limbo verbracht, welcher aus meinen Erwartungen hervor ging. Ich verfasste Essays über Möglichkeiten des politischen Handelns ausgehend von den Ideen meiner Landsmänner und –frauen (ja, für mich war dieses virtuelle, nicht geographisch abgegrenzte Territorium in diesen Monaten eine Art geteilte Heimat). Eine virtuelle Heimat, eine Heimat, die nicht die Signatur von Nationalismen, Geschichten oder Gründungsmythen trägt und kein gemeinschaftliches Pathos als Kleister benutzt. Eine Heimat, die das Verständnis von Heimat als Ort, an dem man geboren ist oder als geopolitisch kodifizierte, physisch-territorial abgegrenzte Einheit neu justiert. Ich habe eine kollektive und deterritorialisierte Heimat erlebt, welche gewagte Ausformungen erhielt, die unter Fragezeichen Gestalt annahmen und schüchtern diskutiert wurden, um dann mangels Glauben an eine kollektive Übereinkunft aus Unlust wieder fallen gelassen zu werden. Ist das schlecht? Ich finde es uninteressant, es aus dieser Perspektive zu betrachten. Es ist, was es ist. Ich finde es interessanter, die damit einher gehende produktive Kraft, die politische Aktivität zu beleuchten. Die Sorte entideologisierten Lüftchens, das unsere Interaktion belebt, hat mit einer bestimmten Sensibilität des 21. Jahrhunderts zu tun, die einem Aufzeichnungsregister ähnelt, das noch keinen Eingang in die epische Erzählungen der historischen Disziplin gefunden hat, trotz der Bemühungen seiner Revitalisierung. Unser Interesse gilt nicht etwa dem Sturz oder der Auswechslung von Regierungen oder der Predigt für eine neue Systeme globaler Gesellschaftlichkeit. Unser Enthusiasmus gilt den Praktiken im Kleinen, Mikrostrukturen oder der Herstellung von Knotenpunkten in der lokalen Struktur. Um das, was ich hier sage, zu beweisen, muss man nur die Posts dieses wundervollen Blogs lesen. Zumindest für mich ist klar, dass es einen kleinen Unterschied in der Rhetorik gibt: Wir wollen nicht die Welt verändern, wir wollen mit kleinen Stückchen dazu beitragen, und wir wollen es jeder und jedem selbst überlassen, ihren und seinen Part in einer globalen (Un)ordnung zu übernehmen. Es gibt keinen Grund, warum diese (Un)ordnung teleologisch auf irgendein perfekten Endzustand ausgerichtet sein sollte. Ohne das weiter auszuführen zu wollen, könnte man sagen, dass man möglicherweise mehr erreicht, wenn man weniger umfassend agiert. Es ist keine Frage des Alters, sondern der Haltungen und – im Fall unseres jüngst begonnenen 21. Jahrhunderts – der Tendenzen. In diesem Sinne bin ich stolz darauf, Teil dieser Generation zu sein. Schon der Dichter Fernando Pessoa hatte dafür kluge Worte gefunden und mit dem folgenden Zeilen verabschiede ich mich von meinen Landsmännern und –frauen des Blogs und wünsche euch alles Gute, bis uns der Zufall wieder zusammen bringt, was er tun wird, in den nächsten Komplizenschaften:

Du redest von Zivilisation, und davon, dass es nicht sein darf
oder nicht so sein darf
Du sagst, dass alle leiden, oder die Mehrheit aller,
Weil die Dinge unter den Menschen so sind wie sie sind.
Du sagst, wenn sie anders wären, würden sie weniger leiden
Du sagst, wenn sie so sein würden, wie du es gern hättest, wäre es besser.
Ich höre dir zu, ohne dich zu hören.
Wenn die Dinge anders wären, wären sie anders: das ist alles.
Wenn die Dinge wären, wie du sie gern hättest, wären sie so, wie du sie gern hättest.
Ach, du und all diejenigen, die ihr Leben damit zubringen, die Glücksmaschine erfinden zu wollen!

Übersetzung: Anne Becker

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Wenn ich glaube, dass ich gehe, komme ich gerade immer woanders an http://superdemokraticos.com/laender/argentinien/wenn-ich-glaube-dass-ich-gehe-komme-ich-gerade-immer-woanders-an/ Tue, 12 Oct 2010 07:15:47 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2630 Dieser Text sollte ein Abschied sein. Aber viel mehr als an einen Abschied würde ich mir lieber vorstellen, dass das hier eine Türe ist, die sich öffnet, ein Anfang und eine glückliche Ankunft. Weil jede Abfahrt immer auch eine Rückkehr ist, und jede Erfahrung neue Möglichkeiten eröffnet. Ich denke, dass diese hier, die superdemokratische, sich nicht verabschieden muss. Sie muss sich entfalten, über ihre Grenzen hinauswachsen.

Von Anfang an gefiel mir der Vorschlag. Ich mag kollektive Arbeitsformen und vor allen Dingen die Schöpfung neuer Räume, die es vorher nicht gab, um kreative Äußerungen über die verschiedenen Auffassungen oder Formen, die die Demokratie annimmt, denken zu können. Es gefiel mir, tagtäglich Themen zu überdenken, es war eine Schreibübung, die nicht nur unterhaltsam war, sondern die mich auch über Dinge aus verschiedenen Perspektiven nachdenken ließ. Vorschläge und Erfahrungen zu lesen, die den meinen so verschieden sind, was immer eine Bereicherung ist.

Ich denke auch, dass es mir gefallen hätte, viel aktiver daran teil zu haben und möglicherweise möchte ich deshalb nicht, dass es aufhört. Ich fände es schön, wenn wir es als eine erste Etappe denken könnten und dass nun die nächste erbaut werden muss.

Ich erinnere mich, dass es vor ungefähr einem Monat die Möglichkeit gab, das Blog hier in Buenos Aires zu präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in einer schwierigen Situation und konnte mich nicht mit meinen Co-Bloggern vereinigen, aber ich glaube, jetzt wäre es eine schöne gemeinsame Zeit… Es ist Frühling! Die Bäume blühen, das Grün des Grases bricht zwischen dem Grau des Asphalts hervor. Die Menschen sind fröhlich und die Vögelchen singen.

Und dann frage ich: Tun wir es? Vielleicht mit Agustín, meinem argentinischen Kollegen, und vielleicht hat auch irgendwer anderes darüber nachgedacht, Buenos Aires zu besuchen, hat Lust, sich zu uns zu gesellen… Was sagen Rery und Nikola dazu?

Und eine zweite Möglichkeit, um alle miteinander zu plaudern… wir könnten die Präsentationen reihum durch jedes der Länder rotieren lassen, in denen wir Autoren, die teilnehmen, leben… und wenn nicht… Freunde, Gefährten, wie Gustavo Adolfo Bécquer sagte… Möchtet ihr, dass wir eine süße Erinnerung dieser Liebe bewahren? Dann lieben wir uns heute und morgen sehr. Sagen wir uns Lebewohl!

Aber nein, ich werde mich von niemandem verabschieden, ich werde euch nur sagen, dass es mir ein Vergnügen war, mit euch zu arbeiten, mit euch allen, Autoren, Rery, Nikola, Marcela und all den Menschen, die dazu beigetragen haben, dass das hier hinaus ins Netz geht, danke an alle.

Und bevor ich gehe, schicke ich euch einige Links, die ich schon vor längerer Zeit mit den Superdemokraten teilen wollte, einige Dinge, die hier vor sich gehen… hört den Bands zu, es ist beeindruckend, sie live zu sehen!

Paula Maffia / Lucy Patané und Kompanie
http://www.myspace.com/paulamaffiaylacosamostra
http://www.myspace.com/lastaradas

Hier noch die Fotografien von Natacha Ebers, die mit einer Lochkamera fotografiert und außerdem über eine eindrucksvolle Bilddatenbank verfügt, die das geschäftige Treiben der neuen Bands und Musikgruppen, die durch diese Stadt wandern, aufzeichnet: http://www.flickr.com/photos/natachaebers/

Und ich verabschiede mich nicht, weil immer, wenn ich glaube, dass ich gehe, ich gerade immer woanders ankomme.

noch ist nicht jetzt
jetzt ist niemals

noch ist nicht jetzt
jetzt und immer
ist niemals

A. Pizarnik

Übersetzung: Marcela Knapp

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Abschied in fünf Akten http://superdemokraticos.com/laender/venezuela/abschied-in-funf-akten/ Fri, 08 Oct 2010 08:00:22 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2656 I

Deine Präsenz ist flüchtig
du bleibst nur kurz
tauchst mitten am Nachmittag auf
mitten beim Duschen
mit einem Stoffbeutel
und mit der Eile auf den Bogen deiner Beine gezeichnet

Dieser letzte Telefonanruf
ist gewöhnlich so traurig
so leer und hart
so real,
er produziert Angst

er produziert in mir Angst,

und ich habe Angst

Zu wissen, dass etwas zu Ende ist,
das wir Passagiere in einer Geschichte
waren, die sich zerstört
Herz aus kaltem Stein und mit Sprüngen
leerer Blick und schwarzer Mund
deine Knochen,
die mich liebkosten
und das Ende ankündigten,
wissen, was diese Stille sagt,
kennen all die Fragen, die ich dir stellen will

und mich nicht traue

II

Ich will dich überzeugen, dass du glaubst.
Das ist Liebe, auch nach allem,
trotz deiner Grimassen,
deiner grotesken Kitschigkeit,
deiner löchrigen Unterwäsche

dieses traurige Abenteuer achtete auf
eine Verbindung ohne Anstrengungen.
Nimm die Hände von mir
und rausch davon wie ein Cadillac
wie ein Pontiac
wie ein besessenes und entferntes Auto
verkleidet als Pegasus

hör auf zu denken,
dich aufzulösen
nimm die Einbildung und den Groll von mir
sei eine stinkende Ratte
und lauf
lauf weit weg
wie ein Ferrari
wie ein Flüchtiger ohne Gnade und ohne Glück
lauf weit weg
mit mir
bis sie dich niemals wieder sehen
nicht mal den Schatten des Lichtes deiner Sehnsüchte

III

Du bist die letzte Chance meiner ehrenhaften Leidenschaft
was heißt, das du existierst
aber nur wie eine feige Flucht die Schatten aufs Wasser zeichnet

wir wissen was passiert:
ein Objekt mit Lichtgeschwindigkeit
prallt auf einen riesigen Stein und zerschellt
das ist Kraft, laut der Physik,
wir, wenn wir Liebe machen

der Pool ist leer
dein Abbild ebenso
der Pool ist leer, aber das ist egal
denn im Inneren brennt eine Party

wir sind zwei Gespenster und wissen es
du bist das wahre Antlitz meines schlechten Charakters
und ich
lediglich
eine evidente Rache

IV

Elektrisch
klebt sich der Wind an dein Haar
und deine Erinnerung zwingt dich zu gebären,
als wärst du eine Frau

mich zu gebären
in einer anderen Stadt beim Frühstück
in einem Haus für drei
in dem wir niemals wohnen werden

V

Ich habe auch den verloren vergangenen Hauch zwischen den Schachteln gesucht
die Mobilität und das Verzeihen hatten eine Nummer
die letzte
die Sehnsucht und meine Süchte waren in allen
verstreut in jedem Stückchen Karton
Bücher
Zettel
Zeitschriften

die gleiche aus der Mode gekommene Kleidung
eine halbe Flasche brauner Rum
mein einziges Schmugglergut
rekonstruierte Versprechen im Code der Ranchera-Poetik

Ich glaube, ich bin niemals darüber hinweggekommen
aber im Moment wäre ich in der Lage
mich in der Leere zu balancieren
ohne die Notwendigkeit dich zu verfluchen

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Im Abschiednehmen war ich nie gut http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/im-abschiednehmen-war-ich-nie-gut/ Wed, 29 Sep 2010 15:00:57 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2325 Im Abschiednehmen war ich nie gut. Es ist nicht so, dass ich Abschiede nicht mögen würde, ich würde fast behaupten, dass sie mir egal sind. Ich werde mir einfach nie des Endes von etwas bewusst. Und nicht etwa, weil ich zu denjenigen Personen gehören würde, die sagen „man weiß nicht, was man hat, bis man es verliert“. Wenn ich mir dem Wert von etwas währenddessen nicht bewusst bin, würde ich wahrscheinlich den Moment des Verlustes nicht bemerken. Das ist kein Mangel an Zuneigung oder an Gefühlen. Es ist nur so, dass ich nicht an das Ende glaube. Die Welt von heute erlaubt keine Enden, noch nicht einmal der Tod ist ein Ende. Manchmal denke ich, dass ich zu der letzten Generation auf dieser Erde gehöre, dass wir geboren wurden, um das Ende dieser Welt zu erleben. Aber ich bezweifle auch, dass das dann das Ende wäre. Doch ich will nicht abschweifen, ich möchte hier von dem Abschluss dieses kostbaren gemeinsamen Schreibprozesses sprechen. Mich hat diese Übung des gemeinsamen Schreibens, in der man sich fremde Themen zu eigen macht, um sie interessant werden zu lassen, überzeugt, und sie hat mir viel Spaß bereitet. Mehr noch, es hat mir sehr gefallen zu sehen wie verschiedene Charaktere, Nationalitäten, Erlebnisweisen die selben Themen ihren Körpern-Herzen-Köpfen zuführten, wie ich sie gewissermaßen verdaute. Wir sollten uns ein Beispiel an dieser Erfahrung nehmen und sie in Tausenden von Formaten wiederholen. Schon kommen mir Projekte in den Kopf wie: Supereskritores (Superschriftsteller) –Superdeskonocidos (Superunbekannte) – Superfacebookeros (Superfacebookers) –Superkiudadanos (Superbürger) –Superkalifragilisticoespialidosos (Superkalifragilistikexpialigeten) und die Liste würde ewig weiter gehen. Tschüss, bis dann, man sieht sich, bis zum nächsten Mal, mach es gut, es gibt hunderte Art und Weisen sich zu verabschieden; die schönsten sind die, die bekräftigen, dass man sich wieder sehen, wieder treffen, lesen wird. Das sind ausführliche Abschiedszeilen, ein langer Abschiedszettel. Ich habe einen spanischen Freund, der sich immer sehr über eine Eigenschaft, von der er sagt, dass sie typisch für uns Uruguayer sei, wundert. Wir würden immer so lang für den Abschied brauchen, dass man denke, wir würden eigentlich gar nicht mehr gehen. Immer wenn jemand ankündigt aufzubrechen, wird dies etwa eine halbe Stunde vorher mit einem lakonischen „also gut, wir ziehen mal los“ angekündigt und dann verlängert sich das Abschiednehmen, das niemals konkret zu werden scheint, über etliche Minuten, bis die Person schließlich, nicht ohne sich mehrfach zu küssen und tschüss zu sagen, geht. Diese Zeilen sind ein langer Abschied mit mehreren Küssen und mehrfachem Tschüssrufen. Und ich betone noch einmal, dass ich tschüss sage, wie man hallo sagt, als würde ich mir selbst nicht ganz glauben, wie von etwas, das nicht zu Ende geht, dessen Ende nicht wahr ist, es wird nicht geschehen. Vielleicht gibt es ein wenig dieses Gefühls in der Demokratie, so als wäre die Demokratie nicht aus Schlusspunkten errichtet. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, erscheinen mir die Enden eher faschistisch, nach Geschichten ohne Interpretationsspielraum, abschließend, endgültig, geschlossen. Die Demokratie hingegen, perfektionierbar, lang, komplex, divers, ist nichts als ein Prozess, ein langer Prozess, der vorher begann und danach enden wird, lange nachdem wir beschlossen haben, einen Schlussstrich unter sie zu setzen. Die Demokratie ist reinster Beginn. Ich muss an einige Passagen in diesem wunderbaren Buch „Der Tag eines Wahlhelfers“ von Italo Calvino denken, das ich jedem Liebhaber der Demokratie empfehle:

„Amerigo hatte begriffen, dass Veränderungen in der Politik ein langer und komplizierter Prozess waren, und nicht eine Sache, die von der man erwarten konnte, dass sie von heute auf morgen geschahen, wie eine Wendung des Glücks.“

„Ist es also so, dass allein der Moment zählt, in dem Dinge beginnen, in dem alle Energien in Spannung geraten und in dem nichts existiert außer der Zukunft? (…) was zählt, sind nicht die Institutionen, die veraltern, sondern die menschlichen Willenskräfte und Bedürfnisse, die sich weiterhin erneuern und den Instrumenten, von denen sie Gebrauch machen, Authentizität verleihen?“

Ich lade euch also alle zu einem neuen Anfang ein, dem Beginn davon, die Seite umblättern, den Computer ausschalten oder einen neuen zu starten, ein Superbürger, Superdemokrat, Superengagierter und Superoptimist zu sein. Ich lade euch dazu ein, heute viel Male tschüss zu sagen, viele Geschichten zu beenden, mehrere Freunde zum letzten Mal zu sehen und dass all diese Enden nichts als eine große Lüge sein werden, ein Wort, das bleibt, eine Absicht, die sich nicht konkretisiert, weil uns später die Zeit, das Leben, die Welt an dem wahrhaften Ort unserer Fabel einrichten wird.

Welchen Part unserer Erzählung werden wir verkörpern? Vorwort, Schluss, Epilog, Dyslalie, Randbemerkung, Titel, Fußnote? Welche Figur sind wir und welches ist unsere traurige oder schöne Rolle? Es geht zu Ende, da kommt es, beginnt.

Küsse
Tschüss
Auf Wiedersehen
Man sieht sich
Bis bald
Dicker Kuss
Fühl dich umarmt
Grüße
Ende….

Übersetzung: Anne Becker

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