Kolumbien – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Zum Rhythmus von Cumbia und verirrten Kugeln http://superdemokraticos.com/laender/deutschland/espanol-a-ritomo-de-cumbia-y-balas-perdidas/ Sat, 26 Nov 2011 23:22:54 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5960

 

“Als Schriftsteller ist Fernando Vallejo auch ein wunderbarer Musiker”

Juan Cruz in seiner Kurzbiografie über Fernando Vallejo

Zu den Persönlichkeiten, die sich auf der 25. Internationalen Buchmesse in Guadalajara, der FIL, einfinden, gehören auch die beiden Literaturnobelpreisträger Herta Müller und Mario Vargas Llosa, sowie der diesjährige Preisträger der FIL in romanischer Sprache: Fernando Vallejo. Der beste von allen Vorträgen zur Preisverleihung war zweifelsfrei die des angesehenen spanischen Journalisten Juan Cruz Ruiz, neben dem von Vallejo selbst. Juan Cruz Ruiz‘ Kurzbiografie über den kolumbianischen Schriftsteller machte dem Autor von „Virgen de los Sincarios“ (dt. Die Madonna der Mörder) oder „El Desbarrancadero“ (dt. Der Abgrund) alle Ehre und gleichzeitig das Publikum glücklich.

Während sich Deutschland als Land der Ideen präsentierte, in dem die Wissenschaft und der akademische Austausch eine wesentliche Rolle spielen, ist für die Mexikaner und die Latinos, die wir uns mit den Mexikanern identifizieren können, die gleiche Augenhöhe und der Humor das Wichtigste am Austausch. Vielleicht, weil wir im Gegensatz zum Ehrenland gelernt haben, mit Humor unsere Realitäten zu überleben und anderen Menschen mit einem Lächeln zu begegnen.
Fernando Vallejo erhielt dieses Jahr den Preis nicht nur für sein vielseitiges und fantastisches Werk, sondern bestimmt auch, weil die Themen seiner Bücher direkt jenes Land berühren, das uns derzeit beherbergt. In den letzten fünf Jahren starben in Mexiko mehr als 58.000 Menschen, Opfer der Gewalt, des Krieges gegen die Drogenmafia. Es gibt niemanden, der wie Vallejo das Leid einer Gesellschaft beschreibt, die zum Rhythmus von Cumbia und verirrten Kugeln verblutet.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Zwischen Büchern http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/zwieschen-den-buchern/ Sun, 20 Nov 2011 15:53:03 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5873

“Wir können nicht behaupten, wir hätten Kolumbien verstanden. Wir können lediglich sagen, dass wir durch unsere Bemühungen verschiedene Stimmen einzufangen, in die glücklichen Lage kamen, alle Meinungen aus erster Hand zu hören und unglaubliche Menschen zu treffen.”

Rery Maldonado in Trip Latino.

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„Sitzt nicht so viel vorm Computador!“ http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/sitzt-nicht-so-viel-vorm-computador/ http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/sitzt-nicht-so-viel-vorm-computador/#comments Wed, 16 Nov 2011 17:15:34 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5817 Porträt der österreichisch-jüdischen Buchhändlerin Lilly Ungar, die die älteste mehrsprachige Buchhandlung Bogotás betreibt, die Librería Central.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Hgdypj5UUb0[/youtube]

Lilly Ungar lässt es sich nicht nehmen: Jeden Morgen um 9.30 Uhr ist sie eine der ersten in der Librería Central im Norden von Bogotá, Calle 94, # 13-92. Sie setzt sich an ihren Schreibtisch, der an einer Wand zwischen der internationalen und der lateinamerikanischen Literatur steht, dort empfängt sie Gäste, Freunde, Mitarbeiter, Journalisten, aber auch Telefonate. Sie gibt Bestellungen auf, bespricht die Anordnung der Bücher in den Schaufenstern. „Ich kann nicht mehr 24 Stunden am Tag lesen, meine Augen sind nicht mehr so gut“, erklärt sie lächelnd. Sie durchforstet die Kataloge, die nationalen und internationalen Zeitschriften, bestellt aus Deutschland, den Staaten und Spanien und bei den kolumbianischen Filialen der Verlage aus Mexiko und Spanien.
„Haben wir genug von dem Jobs?“ Das Buch über den Apple-Gründer Steve Jobs werde doch gerade überall besprochen, das sollte auf jeden Fall sichtbar an der Kasse stehen. Die 90-Jährige Buchhändlerin und -liebhaberin, die vor 60 Jahren mit ihrem vor ein paar Jahren verstorbenen Mann Hans Ungar die erste Buchhandlung in Bogotá gründete, wie sie sagt, „sein Hobby und sein Glück“, spricht freundlich, aber bestimmt. Sie ist die Chefin hier über spanische, englische und deutsche Bücher. Und sie ärgert sich maßlos darüber, dass das lokale Goethe-Institut seine Bibliothek einfach auflöste, aus Platzgründen. „Wie soll man denn ohne Bücher eine Sprache lernen?“

Das Ehepaar Ungar leistete wie kein anderes einen Beitrag zur Kulturszene der Stadt: Es eröffnete die erste Galerie, die sich der zeitgenössischen kolumbianischen Kunst widmet und unter anderem die ersten Ausstellungen von Fernando Botero oder Alejandro Obregon organisierte; Hans Ungar machte sich einen Namen mit anthropologischen Reisen in unerschlossene Gebiete des Landes.
Während eine Mitarbeiterin uns Kräutertee serviert, nehme ich auf einem Ledersessel Platz, blicke auf Familienfotos an der Wand, eine volle Ablage und auf eine elegante Dame im Wollpulli mit Perlenketten, die ein singendes Wienerisch spricht, das gespickt ist von Spanizismen. „Zu Hause haben wir eine Bibliothek von 26.000 Bänden, die vier Zimmer füllen. In vier Sprachen, was einmal ein Problem für unsere Erben sein wird, die alle kleine Apartementos haben.“

1939 floh Lilly Ungar mit ihrer Schwester und ihrem Vater „aus politischen und rassischen Gründen“ gerade noch rechtzeitig aus Österreich, im September, als der Krieg ausbrach. Auf dem Schiff nach Kolumbien lernten die Geschwister aus einem Buch Spanisch, Lilly Ungar war noch keine 18 Jahre alt, jede Person durfte nur 25 Dollar mitnehmen. Zunächst lebten sie ein Jahr in Medellín, wo der Bruder schon einen Posten hatte. Als er dann einen besseren in Bogotá fand, zogen alle mit ihm um. Dort lernte Lilly ihren Mann Hans kennen. „Trotz allem, was passiert ist, reisten wir später einmal im Jahr nach Wien, wir hatten doch viele Freunde dort. Heute sind nicht mehr viele übrig“, berichtet sie leise.

Aus Lilly Ungar spricht eine selbstverständliche Kultiviertheit. Gerade habe sie wieder Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“ wiedergelesen und es ganz anders verstanden als früher. Das Buch steht in spanischer Übersetzung an der Kasse – neben Jobs und neben dem aktuellen gefeierten Roman „Tres ataúdes blancos“ ihres Sohnes Antonio Ungar, der in Palästina lebt, einem Politthriller über das fiktive Land Miranda, das nicht nur zufällig Kolumbien ähnelt.

Mit einem unerschütterlichen Glauben hat Doña Ungar zeitlebens die Literatur verteidigt. Doch nun sieht sie eine aktuelle Bedrohung: „Der Computador ist ein großer Schaden für alle Buchhandlungen. In Paris haben 35 Prozent der kleinen Buchhandlungen schon zugesperrt.“ Daher wünscht sie sich, dass „die Leute mehr lesen und weiter Bücher kaufen, und nicht nur am Computador sitzen. Wir als Kinder waren glücklich, wenn man uns Bücher geschenkt hat.“ Zum Abschied schenkt sie mir zwei Bonbons, und den Rat, mich in Ruhe unter den 35.000 Büchern des Ladens umzuschauen. „Lassen Sie Ihre Tasche hier bei mir unter dem Schreibtisch, das ist der sicherste Ort.“

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Bogotá http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/espanol-bogota/ Tue, 15 Nov 2011 21:32:41 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5831 Bogotá wurde Mitte des 20. Jahrhunderts als das London der Anden bekannt und genau so sieht es auch aus. Es gibt ganze Stadtviertel, die eigentlich auch auf einem anderen Kontinent liegen könnten, und das regnerische Novemberwetter passt wunderbar zur Architektur.
Es ist eine wundervolle Stadt, voller Bibliotheken und Buchläden, die auch wegen anderer Dinge in Erinnerung bleibt. Man kann nicht an Kolumbien denken ohne auch an die Farc denken zu müssen, die Guerilla, die das Land seit mehr als 40 Jahren gespalten hält. Man denkt auch an Pablo Escobar, den größten Drogenboss des Kokainkartells aller Zeiten.Das ist eine andere Realität, die aus diesem Land einen Ort machte, an dem es schwierig war zu wohnen, an dem man zu Beginn der 90er sagte, die häufigste Todesursache wäre ein Querschläger, eine Kugel, die ihr Ziel verfehlte.
Auf unserer Reise kamen wir ein paar Tage nach der Ermordung von Alfonso Cano durch das kolumbianische Militär nach Bogotá . Wir kamen in eine geteilte Stadt, in der die eine Hälfte den Tod eines der meistgesuchten – sowohl von der Regierung als auch von der Armee – Guerilla-Anführern feierten, während die andere mit großer Traurigkeit das Scheitern des Dialogs lamentierten. Es gibt Menschen, die der Meinung sind, dass das Land nicht durch Waffengewalt zum so sehr ersehnten Frieden finden wird. Andere, wie der ehemalige Präsident Álvaro Uribe glauben, dass der Frieden von der Ausrotten der Aufständischen abhängig gemacht werden soll. Wieder andere sind der Dichotomie des Pro und Kontra überdrüssig und ertragen das landestypische Zweiparteiensystem einfach nicht länger.
“Wir können nicht behaupten, wir hätten Kolumbien verstanden. Wir können lediglich sagen, dass wir durch unsere Bemühungen verschiedene Stimmen einzufangen, in die glücklichen Lage kamen, alle Meinungen aus erster Hand zu hören und unglaubliche Menschen zu treffen.” Zusätzlich zu den Autoren Giovanna Chadid und John Jairo Rodríguez, die uns zu unseren Veranstaltungen begleiteten, durften wir den Herausgeber Esteban Hincapié und Cristian Valencia kennenlernen. Valencia ist der Chronisten der Hauptstadt, den wir voller Bewunderung in unseren Taschen mitnehmen und nur jedem unserer Leser empfehlen können.

Übersetzung:
Barbara Buxbaum

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Postkarte aus Bogotá http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/espanol-postal-de-bogota/ Sun, 13 Nov 2011 15:56:59 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5863

Von links nach recht: 1. Sonntagsmesse in der Wallfahrtskirche von Monserrat. 2. Apotheke im Stadtzentrum. 3. Blick auf den Plaza Bolivar. 4. Graffiti im Stadtzentrum. 5. Blick auf die Stadt von der Wallfahrtskirche Montserrat. 6. Denkmal von Rufino José Cuervo, dem Herausgeber des ersten Wörterbuchs der La Real Academia de la Lengua Española. 7. Plakat des Studentenprotests im Stadtzentrum. 8. Figur aus Hay días que amanezco muerto („Es gibt Tage, da wache ich tot auf“), einem Buch mit verschiedenen Reportagen des kolumbianischen Journalisten und Autors Cristian Valencia.

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Verpasst es nicht! http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/verpasst-es-nicht/ Sat, 12 Nov 2011 20:49:20 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5802 Transmilenio

Transmilenio - Bogotá

Verfolg den Latino Trip!

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Fegefeuer Shopping http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/fegefeuer-shopping/ Thu, 10 Nov 2011 13:55:17 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5741 Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt.
Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn.
Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen.
Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch.
1. Korinther 3, 13 – 15

Als  Dotson Rader seinen Freund Norman Mailer fragte, wo er am 11. September 2001 gewesen sei, zu dem Zeitpunkt, als die Zwillingstürme angegriffen wurden, antwortete ihm der US-amerikanische Schriftsteller: genau hier, in meinem Haus in Provincetown…ich habe ferngesehen…es war eine große Erschütterung. Warum? Das einzige, was uns das Fernsehen verspricht, ist, dass das, was wir sehen, im Grunde nicht real ist. Daher führt das Fernsehen ja auch immer zu dieser leichten Verdummung. Die unglaublichsten Ereignisse, die allerschrecklichsten, hinterlassen einen Eindruck des Nichtvorhandenseins, wenn man sie auf dem kleinen Bildschirm sieht.

Ein deutliches Beispiel hierfür ist die Art und Weise, mit welcher die Information über den Mord an Guillermo León Sáenz, alias Alfonso Cano, durch das kolumbianische Militär behandelt wurde. Aus meiner Sicht war das, um es dezent auszudrücken, unsinnig. Die Journalisten (und auch einige Politiker, wie der jetzige Arbeitsminister Rafael Pardo) berichteten von dem Mord, als würde es sich um eine lobenswerte Tatsache handeln, und, was noch schlimmer ist, als würde uns diese Tatsache tatsächlich näher an eine vermeintliche, lebensrettende Hafenmole auf der rauen kolumbianischen See der Gewalt bringen. Was ich verstehe, ist, dass der Mord an alias Alfonso Cano nicht  der nationale Triumph ist, als den sie ihn uns verkaufen wollen, sondern ein Thermometer, das den exakten Punkt der Barbarei misst, an dem wir uns befinden.

Möglicherweise ist Mord für ein Mitglied des Militärs, also für einen Mann, der für den Krieg ausgebildet wurde, gleichbedeutend mit einem Triumph, und vielleicht erklärt das auch den Ausdruck der Zufriedenheit auf den Gesichtern der militärischen Spitze hinter dem Verteidigungsminister, als den Medien der offizielle Teil der Operation mitgeteilt wurde. Aber für uns Zivilisten, die auf ein Ende des Konflikts mittels Verhandlungen setzen, die wir an den Dialog als ein Werkzeug zur Lösung von Problemen, glauben, ist es definitiv kein Triumph. Für uns ist ein Mord ein Mord und genau deshalb sehen wir es auch als das an, was es ist, auch wenn der Ermordete ein bewaffneter Aufständischer war und damit aus dem rechtlichen Rahmen des Landes fiel.

Es sollte deutlich werden, dass ich die FARC nicht verteidige, auf gar keinen Fall, aber warum sollte man den Mord an einem Menschen feiern und dann auch noch auf diese Art und Weise? Was in jener Nacht geschah, war lediglich eine weitere Injektion Chauvinismus für das Land, und ich weiß nicht wie lange sie wirkt, aber solange sie wirkt, sorgt sie dafür, dass wir denken, ein Mord könne uns näher an den so sehr ersehnten Frieden bringen, den wir seit Jahrzehnten anstreben.

Aber das passiert nicht nur mit dem Fernsehen. So wie Descartes den Körper negierte und die Existenz des Menschen nur an der Funktion des Geistes festmachte, negieren heute viele Männer und Frauen ihre eigene Existenz, indem sie diese auf eine Art und Weise öffentlich machen, wie es vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Klingt zwar seltsam, ist aber so: Durch all ihr Zurschaustellen werden sie schlussendlich unsichtbar.

Facebook ersetzte gleichzeitig den ausschließlich familiären Charakter eines Fotoalbums, die Treffen von Angesicht zu Angesicht und ermöglichte Unterhaltungen jeglicher Art, erschuf neue Sprachen, eine Tatsache, die nicht an ihrer Attraktivität verliert, aber deshalb nicht minder gefährlich ist. Worin besteht die Gefahr? Die Gefahr besteht darin, dass persönliche Informationen an Fremde weitergegeben werden, die das ausnutzen und dem Einzelnen Schaden zufügen können.

Die Autobahnen der Netzwerke, in denen sich die Menschen heute bewegen, haben so sehr an Konventionen zugenommen, dass sie Ausfahrten jeglicher Art bieten, sogar extrem tragische. Es sollte auch gesagt sein, dass es keine Aischylose gibt, von denen die Tragödien verfasst werden, auch keine Figuren wie Medea und Jason, sondern Martha, Luis, Claudia oder Enrique, je nach Szenario. Es reicht, einen Computer zu besitzen, ein Benutzerkonto, das den Zugang zur virtuellen Gemeinde ermöglicht, und fertig. Und damit beginnen wir diejenigen zu sein, die wir nicht sind, die wir gerne sein würden und im Gegenzug bietet uns das Netz die Möglichkeit, zu einer sozialen Gruppe zu gehören, ohne wegen unserer körperlichen Merkmale oder unseres Verhaltens ausgeschlossen werden zu müssen. Demokratie sagen die einen, Demokratisierung der Technologie der Information und Kommunikation, drücken sich andere etwas stilisierter aus. Aber: ist es das wirklich? Oder ist es nicht eher so, dass sich die Demokratien – während all das passiert – als Vampire verkleiden und in ihrem Eifer nach sozialer und geographischer Kontrolle in einigen Ländern der Welt ein Ambiente des Terrors verbreiten? Ich persönlich tendiere eher zur zweiten Möglichkeit, und außerdem glaube ich, dass der demokratische Vampir nicht nur das Blut aus seinem Opfer saugt, sondern sogar dessen Kadaver verschwinden lässt, wenn er ihn nicht gerade als Medaille oder Trophäe benutzen kann, ihn veröffentlicht kann, wie im Falle Canos. Alles ist erlaubt. Lieben, leben und arbeiten, aber im Netz. Das Internet wurde zu einer effektiven Plattform, um zum Erfolg zu gelangen, aber auch um das Foto vom letzten Ausflug mit Freunden bis hin zum Foto des Toten zu veröffentlichen, jetzt mit der Menschheit in aufgelöster Geste.

Und damit erinnern die Unterkünfte des digitalen Raums stark an Sanatorien: die einzigen, die real erscheinen, sind diejenigen, die kontrollieren. Aber die Internierten wissen nicht wer es ist, der sie kontrolliert. Die Idee des Realen bestätigt sich somit nicht in einer Tat, sondern bleibt so wie sie ist, eine Idee, eine vage Idee, die betrachtet wird, als wäre sie real, und de facto wird das Wesentliche des Lebens, die natürliche Entwicklung des direkten Kontakts mit der Welt entwertet.  Das Individuum ist nun nicht mehr ein Befürworter der Topophilie, jetzt bewohnt der Mensch nicht mehr seinen Ort, aufgrund der Abwesenheit von Eros, poetisch gesprochen, da dieser virtuell geworden ist. Er erschafft sich Landschaften mit Photoshop und macht seine Reisen durch die Welt an Bord des Flugzeugs Google Earth, ohne Stewardessen.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

 

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Die wilden Fußball-Bestien http://superdemokraticos.com/laender/kolumbien/die-wilden-fusball-bestien/ Tue, 11 Oct 2011 07:15:34 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5247 Immer, wenn Fußball ist, dreht Iowa City durch. Die Straßen werden zu Flüssen aus Menschen und alle Leute tragen nur Schwarz und Gelb – von Kopf bis Fuß. Die Frauen malen sich das Logo der Hawkeyes ins Gesicht und die Männer tragen es auf ihren Unterhosen. Es gibt auch welche, die sich komplett als Hawkeyes verkleiden, mit Federn aus Stoff laufen sie auf den Gehwegen Rollschuh, und Betrunkene, die darauf bestehen, dass du mit ihnen High-Five einschlägst. Vor dem Spiel betrinken sich die Menschen in den Bars, und nach dem Spiel kommen sie zurück, um sich weiter zu betrinken. Wenn die Hawkeyes gewinnen.

Heute haben sie gewonnen. Aus meinem Fenster sah ich einen Streit, ich sah eine Frau in Stöckelschuhen, die ohnmächtig wurde und sich wieder fing, kurz bevor sie auf den Boden aufschlug. Ich sah ein paar Typen tatsächlich auf dem Boden liegen und einen Bettler mit einem Schild, das ihn als Mitglied der „Small Penis Foundation“ auswies. Die Leute lachten darüber und warfen Münzen in den Becher. Der Typ machte sich die kollektive Hysterie zunutze. Genau wie ich. Ich ging durch die Straßen und dachte über die Rolle des Intellektuellen in der Gesellschaft nach. Geheule, Beschimpfungen, heimliche Küsse, gefallene Menschen. Alles in Schwarz und Gelb. Niemals zuvor habe ich soviel kollektive Hysterie gesehen.

Wenn die Welt ein Dorf wäre und dieses Dorf hieße Iowa City, würden lediglich zwei Klassen von Menschen auf dieser Welt existieren. Die wilden Fußball-Bestien und die Intellektuellen. Iowa City ist der Sitz des Iowa Writers‘ Workshop, des Iowa Playwrights‘ Workshop, des Iowa Summer Writing Festival, des Non-fiction Writing Program und des International Writing Program. Auch wenn Iowa City nicht den Weltrekord in literarischen Programmen hält, wurde es dennoch von der UNESCO zur Weltliteraturstadt erklärt.

Ich bin in dem International Writing Program, als „resident writer“ mit 36 weiteren Autoren aus aller Welt: Menschen aus Australien, Neuseeland, aus West-und aus Ost-Europa, aus Irland und Schottland, aus dem Mittleren und dem Fernen Osten, aus Afrika und Lateinamerika. Dichter, Dramaturgen, Romanautoren, nicht-fiktionale Autoren, Verfasser von Kurzgeschichten. Aber in Wahrheit sind 37 Schriftsteller in Iowa City eigentlich nichts. In Iowa City ist jeder ein Schriftsteller. Jeder, der kein Fußball-Wilder ist.

Der Barmann, der uns im FoxHead bedient, ist Dichter, die Freundin der Frau, die ich eben kennengelernt habe und die in der Bar auf einen Mann wartet, ist Literaturkritikerin, eine, die ich gerade erst kennengelernt habe, die in der Bar auf einen Mann wartet, ist Englischprofessorin und der Mann, auf den sie wartet, ist Schriftsteller. Romanautor aus dem Writers‘ Workshop. Angehender Romanautor, besser gesagt. Der Typ kommt. Cordjacke mit Flicken auf den Ellbogen und Büchern unter dem Arm. Nachdem er uns die Hand gegeben hatte und wir unsere Namen genannt hatten, folgte das hier:

–Ach, du bist also Schriftstellerin, wie alt bist du denn?

–39.

–Wie viele Bücher hast du schon herausgebracht?

–Drei.

Maria lacht über diese Geschichte. Maria ist die Argentinierin aus dem International Writing Program. Sie sagte zu mir, ich hätte ihm die Gegenfrage stellen sollen: Und, Alter, wie lang ist deiner? Schau dir die doch an, sagt sie auf einen Passanten zeigend, schau sie dir doch an. Der Passant trägt Bücher unter seinem Arm, eine Zigarre und eine Baskenmütze. Schau dir die Verkleideten doch an. Das Lachen der Argentinierin sprudelt nur so aus ihr heraus und ist ansteckend.

Ich ging lieber, um mit Brandon zu reden. Brandons Arbeit ist es, die Schule zu putzen. Er ist die erste Person in Iowa City, die ich kenne, die kein Schriftsteller ist. Na ja, obwohl er manchmal sagt, dass es ihm gefallen würde oder das es ihm gefallen hätte oder es ihm unter Umständen doch zugesagt hätte zu schreiben. Ich wechsle dann das Thema. Brandon, lass uns raus gehen.

Draußen vor dem FoxHeart trifft man immer auf die Raucher des International Writing Programs. Und auf alles mögliche. Der Südafrikaner beschimpft eine wilde Fußball-Bestie, die schimpfend vorbeiging. Der Philippine liegt auf dem Boden, weil er zu viel Whiskey getrunken hat, er, der eigentlich nur Bier trinkt. Die Deutsche gibt Kampfschreie von sich, während sie Karateschläge verteilt. Ein Paar, weiter weg, in der Kälte, gibt sich den Kuss, den sie sich nicht geben sollten und den die anderen Leute nicht sehen sollte.

In Iowa City gibt es nur am Samstag Spiele und die wilden Fußball-Bestien dösen die Woche über. Und wir, ja wir schreiben auch, nehmen an Diskussionsrunden teil und halten Lesungen. FoxHead hat Montags Ruhetag, oder war es Sonntag?

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Gedichte für die Guerilla http://superdemokraticos.com/themen/gewalt/gedichte-fur-die-guerilla/ Wed, 24 Aug 2011 15:07:39 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=4956 Erst Freude, dann Ungewissheit, dann Angst. Als ich die E-Mail vom Goethe-Institut bekomme, dass sie mich zum Poesiefestival nach Medellín einladen, freue ich mich bis zum Umherkugeln. Dann werde ich ungewiss: Kolumbien. Dann habe ich Angst: Kolumbien. Die Vergangenheit ragt Kolumbien voraus wie ein riesiger Schatten. Pechschwarz vor Düsternis. Meine Oma hat auch Angst. Ich sage: „Oma, das ist nicht jetzt nicht mehr so gefährlich.“ Das glaube ich mir nur halb. Meine Oma glaubt mir, wenn ich ihren Gesichtsausdruck richtig deute, in etwa dreiviertel.

Und dann stehe ich im Nebel meines Jet-Lags inmitten der Lobby des Hotel Gran in Medellín, alle Ängste sind weg und der stellvertretende Festivalleiter umarmt mich ausgiebig und aufrichtig. Am nächsten Tag, nachdem ein Großteil des Jetlags im Hotelbett geblieben ist, sehe ich dann ganz deutlich, was der Dichter Hans Magnus Enzensberger meinte, als er in einem Artikel für die Zeitschrift „Du“ schrieb: Das Wunder von Medellín.

Das Festival Internacional de Poesia de Medellín ist wohl das besonderste aller Poesiefestivals und eine kleines Wunder. Und das liegt hauptsächlich an seiner Geschichte. Als der Dichter Fernando Rendón das Festival 1991 gründete, war die „Violencia“, die Kolumbianische Spirale der Gewalt an einem Punkt, an dem man dachte, sie könne sich nicht noch enger drehen. Die Gründung war ein Akt der Verzweiflung und Befreiung. Man hätte aufgeben können oder sich dagegen stellen. Fernando stellte sich dagegen, nein vielmehr stellte er die Poesie dagegen. Als viele ihre Häuser schon ab der Dämmerung nicht mehr verließen, veranstaltete er Lesungen, immer umsonst, oft draußen und überall in der Stadt und um die Stadt herum, selbst an den Orten, an denen zuvor noch Bombenanschläge stattgefunden hatten. Man las öffentlich und ausgeliefert. Tatsächlich passierte nichts und das spendete Unmengen Hoffnung. Inzwischen ist die Gewalt fast nur noch ein Mythos.

Zwischen den rund 90 Autoren aus 50 Ländern liegt eine ganz besondere Atmosphäre man ist hier mehr Familie und Freund als Kollege. Das Publikum in Medellín ist dann noch so ein Geschenk, dessen ich mich kaum würdig fühle. Das Glühen der Dankbarkeit in den Augen gegenüber dem Gefühl, dass ich doch eigentlich gar nicht viel gegeben habe, für das man dankbar sein könnte, nur ein paar kaum übersetzbare Gedichte mit einer spanischen Einleitung.

Es scheint ruhig geworden zu sein in Medellín. Fast nie fühle ich mich unsicher. Ich gehe auch öfter nachts raus in Begleitung einiger Kolumbianer. Wir sitzen an einem Brunnen und trinken Bier. Man erklärt mir: Die Kartelle hätten die Bezirke unter sich aufgeteilt. Solange sich daran nichts ändere, werde es ruhig bleiben.
Doch der Frieden war nicht umsonst. Der Kolumbianische Frieden hat gekostet und kostet noch immer. Das spürt man immer mal wieder. Die Zahlen der in diesem Jahr vom Militär Erschossenen schwanken je nachdem, wen ich frage. Doch am meisten beängstigt mich die seltsame Verbindung von Militär und Religion, die man Kolumbien ab und an finden kann.

Einmal schwemmt der Wind Scheppern und Klingeln wie Marschmusik durch meine Balkontür. Es zieht mich auf die Straße und zwei Blocks weiter finde ich eine riesige Parade. Da sind Soldaten und Heiligenstatuen und eine beachtlich große Marschkapelle spielt „Sound of Silence“. Fast alle Zuschauer schwenken Jesus-Fahnen. Es sei etwas wie der Tag des heiligen Herz Jesu erklärt man mir, und ich grusele mich.

Auf der Autobahn nach Bogotá steht ein Schild. Es zeigt einen LKW, über dem Maria schwebt und ein vollbewaffneter Kampfhelikopter. „Wir schützen sie.“ Ich grusele mich noch mehr.

In der Hotelbar kursiert unter den Poeten eine Geschichte: Vor acht Jahren ist ein Bus mit Poeten aufgebrochen zu einer Lesung im Umland Medellíns. Kaum außerhalb der Stadt wurde der Bus gestoppt. Guerillas mit Maschinenpistolen stiegen ein. Die Poeten zitterten vor Angst. Als die Guerillas das sahen, begannen sie zu sprechen: „Keine Angst, wir tun euch nichts. Wir haben nur von diesem Festival gehört und wollten auch einmal Gedichte hören.“ Die Poeten trugen vor, die Guerillas lauschten und dankten und ließen den Bus seines Weges ziehen. Ganz egal, ob die Geschichte stimmt oder nicht, hat man doch das Gefühl, dass sie stimmen könnte, weil hier in Medellín die Schönheit der Poesie über den Konflikten steht und sie kurzfristig außer Kraft setzt. Die Geschichte könnte tatsächlich stimmen. Und das ist schon unglaublich viel.

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Verseuchende Politik http://superdemokraticos.com/themen/miteinander/verseuchende-politik/ http://superdemokraticos.com/themen/miteinander/verseuchende-politik/#comments Fri, 29 Jul 2011 18:00:58 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=4653

"Verseuchende Politik". Gemälde des kolumbianischen Künstlers Juan Jose Barrera.

Wer über die Politik in Kolumbien spricht, tut das so, als diagnostizere er einen bösartigen, gefährlichen und fortgeschrittenen Krebs, der sich Stück für Stück in das Innerste der Gesellschaft frisst. Dieser löst die starke und wachsende Unstimmigkeit ab, zu der sich Kolumbianer aus unterschiedlichen finanziellen Schichten, verschiedener Religionen und Kulturen bekennen, die wir heute „die Linke“ nennen. Kolumbien intellektuell, wirtschaftlich und politisch zu bereichern, ist wesentlich wichtiger als diese kurzsichtige und bequeme Vision, die uns täglich von den Massenmedien vorgegaukelt wird, die ruchlos, fetischistisch und hungrig getrieben von der puren Sensationsgeilheit sind. Währenddessen ist der Dschungel voll mit Rebellen und falscher Gerechtigkeitsliebenden, deren Verstand und Körper von Dioxid-Partikeln aus verseuchender Politik und nicht von reinem Sauerstoff zersetzt wird. Diese machen ihr egoistisches und eigennütziges Ideal zum Ideal von uns allen und zwingen uns dazu, die Karten in einem schmutzigen Spiel aufzunehmen, das wir nicht spielen wollen.

In den marxistisch-leninistischen Fußstapfen des Castro-Guevaraismuses bildeten sich in Kolumbien 1964 die „FARC“ („Farsantes, Antisociales, Resentidos y Corruptos“, dt.: (Frömmler, Antisoziale, Rachsüchtige und Korrupte) unter ihrem Anführer Pedro Antonio Marín alias Tirofijo (dt.: „Sicherer Schuss“) und weiteren Befehlshabern wie Mono Jojoy, Raúl Reyes, Alfonso Cano, usw. Die marxistisch-leninistische Bewegung FARC („Farsantes, Antisociales, Resentidos y Corruptos“, dt.: Frömmler, Antisoziale, Rachsüchtige und Korrupte) operiert in Kolumbien, wie ich eben erwähnte, von besagter Zeit an bis in die heutigen Tage und wird von mehreren westlichen Ländern, von der EU und der UNO als terroristische Organisation eingestuft.

Ihre Aktivitäten bestehen aus Guerrillakrieg und dem „regulären, konventionellen“ Kampf, wie man es hier nennt. Sie nennen ihren Kampf tatsächlich so, obwohl man nicht verstehen kann, was daran konventionell sein soll, wahllos unschuldige Menschen zu töten, Bomben zu legen, jemanden jahrelang an einer Stahl-Kette gefesselt zu halten oder seine Geiseln in Schwefelsäure zu baden – nur um einige ihrer Bonbons zu erwähnen. Dazu kommt der Mord an nicht ganz so unschuldigen Regierungsmitgliedern und Militärs, die Vertreibung der Bauern in städtische Gebiete, die mit der Anpflanzung von Kartoffeln und Zwiebeln rein gar nichts zu tun haben, die Zerstörung der urbanen Infrastruktur und politisch motivierte Geiselnahmen und Ermordungen. In Kolumbien findet der soziale Protest nur in einem sehr eingeschränkten Maß statt, denn jegliche Art der politisch nicht konformen Aktivitäten und des Widerstandes wird mit Terrorismus, Kommunismus, der Guerilla, dem sozialistischen Teufel und den Atheisten, mit falschem „Politisieren“, dem niederträchtigen und intriganten Einmischen in die Politik, mit Wiki-Leads oder mit dem „Karussell der Verträge“ in Zusammenhang gebracht. Unter seinen zahlreichen terroristischen Attentaten ist dieser intellektuelle Block das, was ich eine „intellektuelle Blockade“ nennen würde.

Die früher sogenannten „Guerilleros“ haben 40 % des illegalen Anbaus in Kolumbien, aus dem Drogen hergestellt werden, in ihrer Macht. (Wären wir in den USA, wäre das von Vorteil: mehr Devisen und der Konsum würde im eigenen Land stattfinden). Das trägt in entscheidender Form zur Rechtskräftigkeit dieser narco-terroristischen Organisationen bei, was sich negativ auf die Umwelt, die agrarische Entwicklung des Landes, die Stabilität der Lage in dem Gebiet und auf die Entwicklung des Drogenhandels auf internationaler Ebene auswirkt, genau wie weitere verbrecherische Aktivitäten und falsche Poesie, und ihnen wird bei ihren Genossen in Ecuador, Kuba, Venezuela und einigen kleinen Bastionen in Europa Schutz geboten.

Von einer Erschütterung fallen wir in die nächste. Es gibt nichts Erschütternderes als die französische Kampagne, um Ingrid Betancourt aus der Geiselhaft zu befreien. Eine ignorante Regierung, die sich unwissend gegenüber der schuldhaften Arroganz stellte und die Warnung, die der Politiker Andrés Pastrana während seiner Amtszeit vorbrachte, nicht ernst nahm, brachte eine weitere Politikasterin in diese bemitleidenswerte Situation. Ebenso erschütternd war die emotionsgeladene Welle von Mails, mit der die Freilassung von Emilio, dem unehelichen Sohn einer Journalistin und einem Guerrillero, gefordert wurde.

Ja, es stimmt, in Kolumbien lassen die Erschütterungen nicht nach. Das Schlimme daran ist, dass hier alles erschütternd wird und sich trotzdem nichts bewegt. Die Ereignisse in Kolumbien der letzten Wochen können aus Sicht der Menschenrechte als widerlich, aus der Perspektive der internationalen Beziehungen als außergewöhnlich und aus einem militärischen Blickwinkel als theatralisch bezeichnet werden. Aber schwierigerweise sind wir vom politischen Standpunkt aus gesehen wieder dabei eine mitreißende Saison zu absolvieren. Senatoren, Minister, Sekretäre, Vizeminister … von was genau? Von der Landwirtschaft, von der Daseinsversorgung, von Baustellen in der Stadt, von der Regierung, alle kommen sie wegen Korruption und Veruntreuung ins Gefängnis … es scheint, als würde der Deckel des verfaulten Kochtopf der politischen Regierung dieses Landes endlich aufgehen, ein Deckel, der über Jahre lang den Topf gut dicht geschlossen hielt. Nein, was sage ich: Die Politik reicht nicht aus das Gesehene zu beschreiben. Man müsste an einer Art arroganten Erzählung über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Ehrlichkeit und Korruption, teilnehmen. Es ist definitiv nicht einfach, in Kolumbien zu leben – mit dem lokalen Krieg und dem bewaffneten Konflikt –, aber hinter diesem schwarzen Panorama verstecken sich die rechtschaffenden Frauen und Männer, die ununterbrochen für den Frieden arbeiten und kämpfen. Ein intimes Bild, weit weg von den Politikern und Guerrilleros, von den Bomben und den Entführungen, dort nehmen normale Frauen wie du und ich, wie die Heldin von Sophokles in der griechischen Tragödie, den unaufhörlichen Kampf auf sich, um ihre Familien aus dem Theater der Gewalt herauszuhalten und die Rechte wieder einzufordern, die ihnen von den in Macht Gekleideten entrissen wurden. Und auch wenn es ironisch und paradox klingen mag: Das Leben und Zusammenleben in Kolumbien ist eine der bereichernsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Wenn man vom Ausland in dieses so andere Land kommt, ist es oft so, wie die internationalen Medien sagen, es ist das „gefährlichste“. Ich aber würde sagen, dass die Durchschaubarkeit dieser Nachrichten nicht so deutlich ist – wie meine Oma sagen würde: „Der Tiger ist gar nicht so wie er dargestellt wird“ – dass man hier Harmonie, Sorglosigkeit und Frieden atmet, auch wenn viele daran zweifeln.

Vertrauen und etwas, das man in anderen Ländern nur schwer findet: Solidarität von allen Menschen, die strahlend mit einem ehrlichen Lächeln ihre Familien, Freunde, besten Freundinnen und sogar Unbekannte empfangen. „Was kann ich Ihnen anbieten, Euer Gnaden?“, „Lassen Sie es sich sehr gut gehen“ und „Wie darf ich Ihnen helfen?“ sind ikonische Redewendungen dieses multikulturellen Landes, das so eine enorme Artenvielfalt hat, so reich an liebevollem und liebenswertem Zusammenleben miteinander ist. Wie manche so sagen: „Kolumbien, das einzige Risiko ist, dass du bleiben willst.“

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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