Sabine Scho – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Facebook ist mein Ground Control http://superdemokraticos.com/themen/neue-welt-im-netz/facebook-ist-mein-ground-control/ http://superdemokraticos.com/themen/neue-welt-im-netz/facebook-ist-mein-ground-control/#comments Mon, 07 Nov 2011 08:56:53 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=5506 Ich bin eine Blind-Userin. Ich will nichts von den Gefahren des gläsernen Menschen wissen, sobald ich mich bloggend, postend oder sonst wie im Netz bewege. Ich bin eine Autorin, die eh jeden schriftlichen Ausdruck, den sie tätigt, als nicht völlig zu ihrem Selbst gehörig betrachten kann, sondern immer schon als das, was sie betreibt, um von sich weg zu kommen, um Distanz zu nehmen, um ihr Selbst einmal von außen betrachten zu können, in Formalin, oder unter dem Elektronenmikroskop. Mit Befremden wie völliger Naivität schlage ich daher jede Warnung in den Wind, vornehmlich von Kollegen, die mich dazu bewegen wollen, sich doch um Privatsphäre wie Berufsethos willen auf solchen Plattformen nicht rumzutreiben, und, wenn schon, immer bedeckt zu halten mit jeglicher Äußerung, die eines Tages, sobald sie eben schriftlich im Netz festgehalten wurde, doch zwangsläufig gegen einen verwandt werden könne, ja, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlachtet, verhökert und in letzter Konsequenz gegen einen selbst gerichtet wird.

Dass es dafür meist überhaupt keiner eigenen Äußerung bedarf, sondern, dass schon Josef K. einfach nur verleumdet werden musste, um ihm den Prozess zu machen und dass sich ein Grund immer finden lässt und immer gefunden wurde in der Menschheitsgeschichte, wollte man sich unliebsamer Personen wie ganzer Völker entledigen, scheint dabei irrelevant. Nein, man ist, wenn schon, seines eigenen Unglückes Schmied gewesen und das mittels Blogs und Facebook um so mehr, so viel steht fest. Man möge doch bitte nicht so bereitwillig und nichtssagend über sich Auskunft erteilen. Wenngleich jede Nichtigkeit eines Andy Warhols mit Interesse und Neugier gern gelesen wurde und dem Nöler aus Vechta, Rolf Dieter Brinkmann, bis heute noch jeder zweite Autor bereitwillig durch falsch verrechnetes Flaschenpfand, Künstlerlandverschickung und Rom, Blicke nachstiefelt. So viel spießige Künstlerlarmoyanz wurde selten danach wieder verfasst. Vielleicht habe ich es auch immer schon als einen Akt des Trotzes wie der Befreiung gesehen, Schnüfflern zuvor zu kommen und den nichtssagenden Nebenäußerungen nicht weniger Bedeutung beigemessen, als den vielsagenden Werken, auch wenn man nicht Warhola heißt und sich über falsch verrechnetes Pfand trotzdem nie so wird echauffieren können wie Rolf Dieter Brinkmann es konnte. Ich bin die Queen des Nebenschauplatzes, immer schon gewesen, und eine glühende Befürworterin der Ablenkung. So gesehen kam mir Facebook entgegen, aber ich trat ihm aus einem profan erscheinenden, doch mir einzig wichtigem Grund bei. Ich wollte Kontakt zu jemandem, zu dem ich eigentlich nicht wusste, wie ich Kontakt wiederherstellen und halten sollte, es gab erst mal keine Schnittmenge zwischen uns, die mir irgendwie groß genug schien, um beiläufig Kontakt zu halten. Und manchmal ist es ja durchaus so, dass man Houston sein Anliegen nicht wirklich vermitteln kann. Facebook war die Ground Control, die da Teilhabe möglich machte und Einblicke gewährt. Viel mehr hab ich eigentlich nicht von Facebook gewollt, und ob ich mehr bekommen habe? Ja, schon, aber darauf kams mir gar nicht an. Natürlich habe ich dann auch alle Facebookuserfehler gemacht, die man machen kann, alle meinem Beruf irgendwie Assoziierte befreundet, die anfragten, und bis heute nicht so wirklich den Ordnungssinn aufgebracht, Listen anzulegen und in liebsam und unliebsam getrennt. Allerdings bin ich mit Freundschaftsanfragen vorsichtiger geworden, nicht zu vorsichtig, denn, wie sagte es ein guter Freund aus dem richtig echten Leben, den ich viel zu selten sehe, wie ich meine Freunde, seit ich zu oft in Sao Paulo lebe, eh zu selten sehe: No risk, no fun. Und mir scheint, ab und an muss man seine Freiheit etwas in Gefahr bringen, um sie lustvoll zu spüren. Vorsicht allein war nie der beste Freund der Freiheit, das gilt wohl auch für Facebook, allen berechtigten Bundestagsdebatten zum Trotz.

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Ontbijtjes http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/ontbijtjes/ Thu, 21 Oct 2010 13:23:05 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2671

29a Bienal SP © Sabine Scho

Zurück am Schreibtisch in São Paulo, den Blick auf die Sendemasten der Avenida Paulista gerichtet, der Verkehr rauscht, Kinos in Laufnähe, den Ibirapuerapark mit der Biennale vor der Tür. Ein privilegiertes Leben und doch ein wenig lost in Translation und im falschen Film, aber, was solls, was schadet schon das Wandern, wenn Romulo Froes nicht weniger schön als David Bowie Lieder von einer jedweden Odyssee zwischen Bangkok und Calgary zu komponieren weiß.

Ich kann eigentlich nur Melancholie, was soll ich auch anderes zu Wege bringen, wenn mich einsame Langstreckenläufer oder frühe zu Bett Gänger, oder eigenschaftslose Männer, die sich ein Jahr Urlaub von ihrem Leben nehmen, also kurz gesagt, Protagonisten, die nichts beherzt angehen, sondern sich treiben lassen, für sich einnehmen?

Müßiggänger, erdacht von Menschen, die wohl alles andere als das waren, sondern unermüdlich an abgelehnten Habilitationen schrieben, mit der immer wieder enttäuschten Hoffnung auf Arbeit, die endlich mal ein angemessenes Auskommen hätte gewähren können, und die ihrer Berliner Kindheit nachsannen: Wie sie dem Fischotter zusahen, der im Dunkel des Teichs verschwand, wie sie in der Dämmerung dem verhaltenen Knall beim Entzünden der Gaslaterne lauschten, wie sie das Telefon und damit die Geschäftigkeit der Kontrakte machenden Welt in ihre Verstecke einbrachen sahen, wie sie ihren Blick immer rückwärts richteten und ein Sturm vom Paradies sie mit dem Rücken in die Zukunft blies.

Und nicht viel mehr wünsche ich mir von Dichtern heute, als dass sie wie Wolfgang Herrndorf schreiben: „Mein Blick war von Anfang an auf die Vergangenheit gerichtet. Als in Garstedt das Strohdachhaus abbrannte, als meine Mutter mir die Buchstaben erklärte, als ich Wachsmalstifte zur Einschulung bekam und als ich in der Voliere die Fasanenfedern fand, immer dachte ich zurück, und immer wollte ich Stillstand, und fast jeden Morgen hoffte ich, die schöne Dämmerung würde sich noch einmal wiederholen.”

Es ist die Knipserin in mir, die sich diesen Stillstand wünscht, einen freeze frame, die nach einem Eishockeyspiel, wie der Kupferstecher die Radierung von der Platte, die Zufallsgrafik der Kufen vom Eisfeld nehmen möchte und darin Sieg und Niederlage nicht anders deuten könnte, als ein Falkner die Himmelsspur seines Raubvogels. Bilder, aus denen die Motive längst entschwunden sind. Vielleicht, weil ich mich noch nie zur rechten Zeit am rechten Ort wähnte und mich nie wirklich nah genug heran wagte, um mit Robert Capa sagen zu wollen: If your photographs aren’t good enough, you are not close enough.

Ich war immer erst zur Stelle, wenn das Konzert schon begonnen hatte und die Party schon abgefrühstückt war. Vielleicht daher auch der Wunsch, die Welt wie ein Ontbijtje zu lesen, ein Barockstilleben, dass mehr noch von einem Zuspätkommen als einer Stellvertretung der Menschen erzählt, und vielleicht auch daher die Melancholie, die ihre autosentimentalen Geschichten nie aus der Gegenwart schöpft, sondern etwa aus einem Regentag in einem Hamburger Fahrradladen, in dem sie einmal selbstvergessen stand, um sich ein Bild zu machen für ihr Album:

tagessieger

ich sah euch alle wanken a. rimbaud

contre la morte im wiegetritt
im frühjahr vielleicht
durch den rahmen bläst es
gischt und schaum in dolden
wenn winde gehen, segeln
fallen die treidler zurück
können nicht mehr folgen
treiben auf den planken
ihrer leicht gebauten räder
gemartert wie an bunten pfählen
gejohle um sich her, kurbeln
wie verrückt, mit nach innen
verlegten zügen, ein sehnen-
relief aus gliedern, und einem
geharnischten blick

ihr treibgut bin ich
verkapselte strapaze
pochen in den schläfen
reißen in den beinen
ich trete auf der stelle
die bilder lernen laufen
praxinoscoper reigen
ohne ende, die ankunft
auf die schnelle
muss enttäuschen
die knie schmerzen
schweißperlenbildend
schweigend, der narr in gelb
der den weg zum sieger kürt

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Cagey Area http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/cagey-area/ Tue, 28 Sep 2010 14:50:08 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2232

Las Vegas - MGM © Sabine Scho

Wie man aus der Wohnung, wo einer haust, und aus dem Stadtviertel, das er bewohnt, sich ein Bild von seiner Natur und Wesensart macht, hielt ich es mit den Tieren des Zoologischen Gartens.
(Walter Benjamin)

Zoologische Gärten sind Schnittstellen, die von dem Leben der eigenen mit der je anderen Art zeugen. Ihre Gestaltung spiegelt das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die ihren Platz in der Evolution immer wieder neu definiert.

Beim Besuch eines Zoos verlangt es uns heute längst nicht mehr nach einem Abbild symbolischer Ordnung, wie sie noch die Menagerie Ludwigs XIV. verkörperte. Dessen Baumeister Louis Le Vau ordnete die Gehege in sogenannten Logen an. Der absolutistischen Herrschaftsidee entsprechend, richtete er diese konzentrisch zum Betrachterstandpunkt des Sonnenkönigs aus.
Gerechte Hege erbaut uns heute mehr als gebaute Hegemonie. Nicht positivistischer Bildungshunger treibt uns, eher schon suchen wir in den Landschaftskulissen nach Reservaten der Sehnsucht. So hat sich das Projekt Zoo gleichsam invertiert: Künstlich bauen wir en détail wieder auf, was wir en gros zerstören.
Große Freigelände ersetzen einzelne Gehegebauten und versammeln Lebensgemeinschaften unterschiedlichster Klimazonen.

Dabei ist der Freigeländegedanke gar nicht so neu, wenn man sich an Carl Hagenbeck und seine Utopie eines Zoos ohne Gitter erinnert, die er in Stellingen bei Hamburg 1907 verwirklichte. Hagenbeck, der als Fischhändler in St. Pauli begann, als Tierhändler sein Geld verdiente, der mit seinen berühmtberüchtigten Völkerschauen sowie seinem Zirkus und den portablen Panoramen durch die ganze Welt tourte, hatte schon früh begriffen, worauf es beim Unterhaltungsunternehmen Zoo im 20. Jahrhundert ankam: paradiesische Verhältnisse.

Doch was sich scheinbar kohärent zu einem Bild fügt, fängt mit einem Felskettenimitat der Hochgebirge an und endet in einem japanischen Garten, ganz nach dem Vorbild eines Landschaftspasticcios.

Im Zoo existieren keine fließenden Übergänge, Regenwälder finden sich direkt neben pinguinalen Tierkühlhäusern mit Gletscherambiente, vom maritimen Streichelbecken geht es über eine Doppelschwingtür in die Trockenwüste, die, den Tagesablauf der nachtaktiven Wüstenbewohner umkehrend, zur Besuchszeit in mittägliche Dunkelheit getaucht ist.
Und nicht nur zieht der Zoo seine Grenzen zwischen Mensch und Tier, zumeist zieht er sie auch zwischen den Tieren, denn Freßfeindschaften stören doch letztlich sehr die Vorstellung vom Zooparadies, das keine Kampfarena – wie einst im antiken Rom – sein soll.

Menagerien sind theatralische Orte, nicht minder als es Theater, Kirchen, Tempel, Arenen oder Mausoleen sind. Einen definierten Parcours, kalkulierte Perspektiven, Sichtachsen, Aussichtsplattformen, all das berücksichtigt man bis heute auch bei der Ausstellungsarchitektur Zoo.

Mit den ersten Menagerien hat man schon praktiziert, was erst viel später auf den Begriff gebracht werden sollte: Globalisierung. Exotische Tiere waren immer auch Gastgeschenke der Kaiser und Könige und dienten der Repräsentation.
Repräsentationssinn beweist man indes auch heute wieder, wenn sich MGM eine kleine Population seines Symboltiers hält, hinter Glas, in den Casinohallen eines Hotels in Las Vegas.

Der Zoo bleibt ein gerissenes Gelände, gleichermaßen zerrissen wie raffiniert reißerisch. Kulisse einer Menschensehnsucht, eingebettet in eine Urbanität, die er vergessen machen soll, obgleich sie ihn erst ermöglicht.

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Zeichen und Wunden http://superdemokraticos.com/themen/burger/zeichen-und-wunden/ Mon, 13 Sep 2010 12:23:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1831

Kuh vor Kritzelei, São Paulo © Sabine Scho

2007 zeigte der italienische Künstler Francesco Jodice auf der Kunstbiennale São Paulo seine Sicht der Megametropole mit Aussagen der Citytellers. Er sprach mit Helikopterpiloten, die in den engen Luftkorridoren der Stadt manövrieren müssen, weil illegales Bauen einmal nicht die Favelas meint, sondern die unzählig überzähligen Landeplätze, genauso wie die Hochhäuser selbst, die oft höher in den Himmel ragen als erlaubt und dennoch – wohl nicht selten gegen Bestechung – die baubehördliche Abnahme erhalten haben.

Die Catadores kommen zu Wort, die ihre Handkarren auf der Suche nach Recyclingmaterialen durch die besseren Wohnviertel asten, sich selbst als ihr Lasttier davor gespannt haben und wie ein Relikt aus der eigenen Führerscheinprüfung in meine Gegenwart ragen. Ach ja, der Mann mit dem Handkarren, der sich auf deutschen Straßen nie blicken ließ, musste man ihm nicht Vorfahrt gewähren? In São Paulo schafft er es allenfalls kurz die Blechlawinen hinter sich zu stauen, bis er von der Straße gehupt wird.

Man sieht, wie der unterbezahlte Polizist nach Dienstschluss aus der staatlichen Uniform in die private Sicherheitsdienstkluft wechselt und notfalls auch dann mit der Dienstwaffe exekutieren wird, nur eben nicht mehr im staatlichen Auftrag, was man der Kugel im Körper des Toten nicht ansehen wird. Und man erfährt von der Angst der Pixadores (Graffiti-Kritzler), wie sie von einem wie ihm gejagt werden, während sich die besser gestellten Paulistaner nicht nur hinter hohen Mauern verschanzen, sondern auch ihre Autos aufrüsten und panzern lassen. Angst ist ein guter Arbeitgeber.

1970 wohnte ein Prozent von São Paulos Bevölkerung in Favelas, heute sind es über zwanzig Prozent, bei einem gleichzeitigen Wohnungsleerstand, der ohne Probleme sämtliche Obdachlose der Stadt beherbergen könnte. Doch Zwischennutzungen sehen anders aus. Nach der Schließung sämtlicher Bingo- und Spielhallen, wegen Übervorteilung der Kunden, schaue ich von meinem Fenster im neunten Stock auf einen schon monatelang zum Verkauf stehenden Flachbau, in dem nun vor allem am Wochenende an einem grünen Tisch ein paar Damenhände Karten bis in die frühen Morgenstunden austeilen.

Das Zuteilen gleicht einem Glücksspiel, man bekommt verdeckt Karten und flunkert geschickt den Mitspielern Gewinnchancen vor. Einschüchterungsgebahren und ein Ass im Ärmel. Die Zeichen und Gaunerzinken lesen lernen, damit man nicht wie der Ochs vorm Berg, oder die Kuh vor der Pixaçao (Kritzelei) steht.

Es war Vilém Flusser, ein exilierter Wahlpaulistaner, der die Abwanderung der Dinge in die Informationen über sie und damit den spektralen Charakter einer undinglich gewordenen Umwelt beobachtet hat und Walter Benjamin, der einforderte, das nie Geschriebene lesen zu lernen. Und es sind die Pixadores von São Paulo, die die Dinge in Informationen wandeln.

Zugegeben, architektonische Schmucknarben sähen anders aus, aber darum geht es nicht, noch sind es Wunden.

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Weder noch http://superdemokraticos.com/themen/burger/weder-noch/ Mon, 30 Aug 2010 16:59:48 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1262 Es sind nur kleine Verschiebungen, es ist, als sei man sehr lange gerannt für einen Sieg, und die Chancen stehen nicht schlecht, und dann verlangsamt man seine Schritte, die Erde rotiert weiter, und man läuft mit einem Mal rückwärts. Das Ziel gerät aus den Augen, und man merkt, wie sehr man es schon während des Laufens eigentlich nicht mehr im Blick gehabt hat. Selbst der Schock über den Verlust der Motivation fällt so gering aus, dass man sich wundert.

Man hat sich vielleicht mit Bob Dylan bemüht, für immer jung zu bleiben, und nicht das physische Altern stünde dem im Weg, wohl aber die abnehmende Bereitschaft zur Investition in die eigene Renitenz und den Willen zum kompromisslosen Geniestreich.

Da steht er nun der Rohbau für all die genialen Gespenster, die man nicht verraten wollte, um den Preis der vorzeitigen Geistesvergreisung, wie es Adorno in der Dialektik der Aufklärung in dem Artikel Gezeichnet androhte, und wirkt gespenstischer als die guten Geister, um derentwillen man ihn hochzog.

Man sitzt vielleicht in einem der oberen Stockwerke und fröstelt, obgleich es warm ist, aber eine schützende Hülle fehlt, und man denkt an die Türme des Schweigens der Parsen, was einem davon zugetragen wurde, und die ihre Toten hier aufbahren könnten, damit sie die Geier holen und vielleicht ein Stück Himmel so zurückgewonnen wäre. Lieder fallen einem ein, von Zeiten, wo man verraten wurde, noch bevor man überhaupt selbst den Verrat an den Idealen begehen konnte.

Lieder des Wanderns, der Unstetigkeit, Georg Kreislers Weder noch. Lieder für das und aus dem Exil: „Man muss nur wissen, man hat niemals ein Zuhause / Und dass man niemals ein Zuhause haben wird / Und dass man, wenn man einmal sagt: Ich geh’nach Hause / Sich höchstwahrscheinlich in der Ausdrucksweise irrt.“

“GEZEICHNET

Im Alter von 40 Jahren pflegen Menschen eine seltsame Erfahrung zu machen. Sie entdecken, daß die meisten derer, mit denen sie aufgewachsen sind und Kontakt behielten, Störungen der Gewohnheiten und des Bewußtseins zeigen. Einer läßt in der Arbeit so nach, daß sein Geschäft verkommt, einer zerstört seine Ehe, ohne daß die Schuld bei der Frau läge, einer begeht Unterschlagungen. Aber auch die, bei denen einschneidende Ereignisse nicht eintreten, tragen Anzeichen von Dekomposition. Die Unterhaltung mit ihnen wird schal, bramarbasierend, faselig. Während der Alternde früher auch von den anderen geistigen Elan empfing, erfährt er sich jetzt als den einzigen fast, der freiwillig ein sachliches Interesse zeigt.

Zu Beginn ist er geneigt, die Entwicklung seiner Altersgenossen als widrigen Zufall anzusehen. Gerade sie haben sich zum Schlechten verändert. Vielleicht liegt es an der Generation und ihrem besonderen äußeren Schicksal. Schließlich entdeckt er, daß die Erfahrung ihm vertraut ist, nur aus einem anderen Aspekt: dem der Jugend gegenüber den Erwachsenen. War er damals nicht überzeugt, daß bei diesem und jenem Lehrer, den Onkeln und Tanten, Freunden der Eltern, später bei den Professoren der Universität oder dem Chef des Lehrlings etwas nicht stimmte! Sei es, daß sie einen lächerlichen verrückten Zug aufwiesen, sei es, daß ihre Gegenwart besonders öde, lästig, enttäuschend war.

Damals machte er sich keine Gedanken, nahm die Inferiorität der Erwachsenen einfach als Naturtatsache hin. Jetzt wird ihm bestätigt: unter den gegebenen Verhältnissen führt der Vollzug der bloßen Existenz bei Erhaltung einzelner Fertigkeiten, technischer oder intellektueller, schon im Mannesalter zum Kretinismus. Auch die Weltmännischen sind nicht ausgenommen. Es ist, als ob die Menschen zur Strafe dafür, daß sie die Hoffnungen ihrer Jugend verraten und sich in der Welt einleben, mit frühzeitigem Verfall geschlagen würden.” (Adorno, Dialektik der Aufklärung)

Nur möchte ich mit Kreisler antworten: “Meinen Sie, das ist schlimm? / Meinen Sie, das ist gut? / Weder noch, glauben Sie mir! // Meinen Sie, man kriegt Angst? / Meinen Sie, man kriegt Mut? / Weder noch, glauben Sie mir! // Man muss nur denken: „Na, was schadet schon das Wandern?“ / Und man darf weder sich noch and’ren Leuten grollen / Denn man muss wissen: Man ist ganz so wie die Andern / Nur dass die Andern grade das nicht wissen wollen.”

Und am allerwenigstens wollte man das je selbst wissen, als man wie Colin kurz vorm Ziel abbremste, unter Befeuerungsrufen und der Hoffnung auf einen Sieg, der schon in der Jugend nicht zum Ideal eines Selbstentwurfs gehörte, und für den man dennoch nicht aufhört zu trainieren.

Es ist, als ob die Menschen zur Strafe dafür, dass sie Ideale haben, mit unaufhörlicher Unrast geschlagen würden und so für Unheil sorgen, das ja bekanntlich daher rührt, dass sie nicht still in ihrer Kammer sitzen können.

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Goliaths Körper http://superdemokraticos.com/themen/koerper/goliaths-korper/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/goliaths-korper/#comments Mon, 16 Aug 2010 15:06:43 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=738

São Paulo © Sabine Scho

„die stadt ist der mund / raum“ eröffnete der viel zu früh verstorbene Dichter Thomas Kling eines seiner bekanntesten Gedichte.
Die Stadt ist der Körper, ihr Mund: Sprachlabor.

Mit manhattan mundraum fand ich 1996 die Gosche, die alles in den Mund nahm. Da schlug sich jemand nicht die Goldzähne aus dem Großraumgebiss und ging für tanzen, da hielt sich einer ans Amalgam – „fühl ich mein mund / raum, morsche palisadn, du“ – die Quecksilberlegierung, mit der Gold und Silber erst gewonnen werden muss: „geschmolzener und / wieder aufgeschmo- / lzner text.“

Da pulte einer die halbverdauten Residuen schlecht ausgeleuchteter Mundräume wieder hervor: „hautpartikel die von / den lippn, den furchn sich lösn, wie / palimpsest. wie eßpapier.“

Wenn Kunst das zeigt, was noch wenige gesehen haben – wie es Robert Musil formuliert hat – dann zeigte Thomas Kling diese „unsaubere seite“, den „gebrauchsschleim“ als Wortjäger und Verssteller, der wusste, wie man den Sprachkörper kirrt und präpariert.

Man spricht vom Wein, dass er Körper hat, man kennt die Festkörperphysik, den Baukörper, das Stahlskelett.

São Paulos mächtig angeschlagener Ballungskörper, Betonmafia, concrete poetry, Höllenatem, pulsierender Verkehr, Resonanzkörper, der Scherenschleifer mit dem unverwechselbaren Pfeifton, der Gaswagen mit der kleinen Melodie, die Stadt spricht, sie schnarrt, schnalzt, ächzt, quietscht, man erwartet eigentlich jeden Augenblick, dass sie sich aus ihren vielfältigen Verankerungen löst und einen mit sich fort trägt. Ich siedele auf einem trunkenen Riesen und schwanke. Immer wenn er Luft holt, gerate ich in Schieflage. Atmet er aus, stürze ich die steilen Straßen herab. Die Avenida Paulista, die Knopfleiste seines stramm gespannten Hemds.

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Davids Schamhaarlöckchen http://superdemokraticos.com/themen/koerper/davids-schamhaarlockchen/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/davids-schamhaarlockchen/#comments Fri, 30 Jul 2010 11:11:17 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=551

São Paulo © Matthias Holtmann

Als die Wollweberzunft Michelangelo beauftragte, den David zu hauen, aus einem Riesenblock Carrara-Marmor, vor dem Jahrzehnte zuvor Agostino de Duccio ebenso wie Antonio Rosselino vergeblich die Meißel streckten, vielleicht hat er da vergessen müssen, dass eigentlich eine Frau in dem Stein steckte?

Meine Kunstlehrerin behauptete, Michelangelo habe Zeit seines Lebens keine Frau nackt gesehen, beschaue man sich einmal die Brüste an den athletischen Körpern der Medicigrabmale Lorenzos und Guilianos. Für ausgeschlossen halte ich das nicht. Ich habe ja auch, gut 460 Jahre später, bis zur Vollendung meines fünfzehnten Lebensjahres, keinen beschnittenen Mann gesehen, und konnte mir dann auf einen beschnittenen Penis keinen anderen Reim machen, als dass es eben von Natur aus solche und solche geben müsse, wobei solche eben eher selten waren, oder eben nacktbaden in der westdeutschen Provinz Mitte der Achtziger für beschnittene Jungs eher unüblich. Hätte ich also einen beschnittenen Penis nur nach Erzählungen der jüdischen Gemeinde oder aus eigener Vorstellungskraft meißeln sollen, hätte der vermutlich noch sehr viel naturferner ausgesehen, als die Brüste des Michelangelo Buonarrotis, die, in ihrer natürlichen Form, aller Wahrscheinlichkeit nach in der Renaissance wohl noch nicht am lebenden Subjekt beschnitten oder aufgepolstert wurden, wie in São Paulo heute gang und gäbe.

Auffällig am David, Michelangelo hatte offensichtlich ein Faible für Schamhaarlöckchen, vielleicht den auftraggebenden Wollwebern geschuldet?

In Anbetracht der Tatsache, dass sich heute beinahe jede/r als rasiert anpreist, scheinen mir in Marmor gehauene Schamhaarlöckchen geradezu revolutionär.

Das Natürliche als das Artifizielle. Einseitiger Biologismus wird dabei von einem Hang des Menschen, sich selbstschöpfend gegen ihn zu wenden, noch jedes Mal verunmöglicht. Der natürlichste Drang scheint also der zu sein, sich unter den gegebenen Voraussetzungen selbst erfinden zu wollen und dem Gegebenen nicht mehr Einflussnahme als dem selbst Hinzuerfundenen einzuräumen.

Und David, David hat gezeigt, man kann auch einen Goliath besiegen, wenn man nicht nach seinen Regeln kämpft. Und wenn ein David fünf Meter misst und aus Marmor ist, bleibt er, egal an welchem Platz auf der Welt, ein Sinnbild für die Freiheit der Bürger, egal ob Mann oder Frau.

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Der Eisberg vor der Titanic http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-eisberg-vor-der-titanic/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-eisberg-vor-der-titanic/#comments Fri, 16 Jul 2010 18:12:58 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=462 Geschichte ist ein Synonym für den Respekt vor den Verdiensten anderer, wie auch der Appell, an ihre Unverdienste doch bitte nicht weiter anzuknüpfen und die an ihr weitgehend Unbeteiligten doch bitte nicht weiter aufzuknüpfen.

Geschichte ist ein Spekulationsobjekt, man gelangt nur hinein durch Besetzung.

Geschichte, das ist sowohl der Schnee von Gestern als auch Das Erdbeben in Chili. Petrefakt und Inklusie. Ruine und Reiterstandbild.

Geschichte ist ein Donnerwort für Blitzgneißer. Listen. Zahlen. Zeitleisten. Geschichte, das hieß, sich permanent versegeln und alles nach Orten und Menschen benennen, die es schon gibt. Eigentlich eine sehr einfallslose Disziplin.

Geschichte, das ist Steins Kulturfahrplan, mittlerweile so sehr Geschichte wie in Zeiten von Suchmaschinen Kulturfahrpläne.

Geschichte macht sich meist bemerkbar wie der Eisberg bei der Titanic. Aber schön ist es dann doch, zumindest der Ursache seines nunmehr nicht mehr zu verhindernden Kenterns noch für ein paar Minuten gewahr zu werden.

Geschichte fand eigentlich schon immer ohne mich statt, und warum sollte ich mich für etwas interessieren, was mich zwar garantiert umbringt, aber sich einen Dreck um meine Existenz geschert haben wird.

Geschichte ist leider nicht zukunftsfähig und das Futur II halte ich nicht erst seit Christa Wolf für ein fehlgeleitetes Zeitempfinden der sonst eher lebensfrohen Gattung Mensch. Vielleicht mag ich darum Städte, die sich so rasend schnell verändern. In ihnen ist alles schon, bevor es Geschichte werden kann, Geschichte. So schnell vorbei wie eine Kurzgeschichte und so zerstörerisch wie sieben Achtel all dessen, was Geschichtsbücher nie verzeichnen werden, zum Beispiel den Tod eines Räubers am 1. Juli 2010 in Sampas Gartenstadt Jardims. Bewaffnet mit einer Spielzeugpistole, erschossen von einem bedrohten Autofahrer, in der Straße, in der man eine Shooting Szene für die Telenovela Uma Rosa com Amor – Eine Rose mit Liebe – drehte. Verblutet unter dem Verdacht der Fiktion. Ironie der Geschichte, Geschichte der Ironie: Liebesgrüße aus São Paulo, oder man stirbt nur zweimal.

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Das Jahr des Ameisenbären http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/das-jahr-des-ameisenbaren/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/das-jahr-des-ameisenbaren/#comments Sat, 03 Jul 2010 22:30:07 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=398 2006, das Jahr des Ameisenbären, ich ziehe aus einem arschharten Winter, in dem mein Geburtsort das erste Mal in den BBC-Nachrichten Erwähnung findet, weil unter den Schneemassen reihenweise die Strommasten umknicken und meine Mutter und ihr Hund in Ochtrup ohne Notstrom beinahe erfroren wären, von Hamburg nach São Paulo.

Ein Mafiaboss im Gefängnis mit großer Nase verhängt Ausgangssperre, wegen anstehender Verlegung und Nicht-WM-schauen-Dürfens, und ganz Sampa hält sich dran. Lula gewinnt in zweiter Runde gegen Alckmin die Wiederwahl zum Präsidenten. Lula, von dem die Putzfrauen São Paulos nichts erwarten als Streiks. Unter Marcola, dem Großnäsigen, brannten die Busse, unter Lula fuhren sie kaum, was liegt da näher, als sich auf die Fortbewegung aus eigener Kraft zu besinnen.

Kassab, seit 2006 Bürgermeister von São Paulo, Nunkassab – nunca sabe – niemand kann es wissen,  eine beliebte Formel für jemanden, der gleich mal ein Großwerbeverbot mit der Cidade Limpa (Saubere-Stadt-Kampagne) einführte und die schönsten Unterwäschemodels Brasiliens abhängen ließ, von denen sich nun nichts mehr sagen läßt, außer, dass Adriana Lima ja eh nicht für brasilianische Unterwäsche modelt, genau. Also, Nunkassab erdachte eine Sonntagsradfahrstrecke, die Serra, derzeitiger Präsidentschaftsanwärter und Gouverneur des Staates São Paulo, jüngst mit nicht ordnungsgemäß getragenem Helm eröffnete.

Eine politischere Handlung läßt sich in São Paulo kaum denken, wo die Zebrastreifen sonst nur die Stellen markieren, wo man tot gefahren wird und die schlimmste Guerilla mit Autoteilen dealt, die man vermutlich besser zerstoßen und schnupfen, statt in Autos einbauen sollte.

Also, diese wunderbare Ciclofaixa (Radfahrstrecke), auf der man sich sonntags zwischen 7 und 14 Uhr gut gesichert hinter Trilliarden von Absperrhütchen, an denen Niemandkanneswissen oder größere Nasen, wenn sie ein bisschen geschickt wären, gleich mitverdienen könnten, drahteselselig durch die Stadt bewegt, die sonst nur gepanzertes Blech bevorzugt, ist, ich bin mir sicher, ein unbedachter Akt der Anstiftung zur Konsumverweigerung.

Was, wenn nun selbst der betuchteste Paulista Sonntag für Sonntag einfach Rad fährt von 7 bis 14 Uhr? Er wird seine teuren Sportclubbeiträge nicht mehr entrichten, kein Shoppingcenter mehr vor 14 Uhr aufsuchen und vermutlich auch nicht danach; da zu erschöpft von den Eindrücken einer Stadt, in der er nun nicht mehr nur zu parken hat.

São Paulo 2010, wir schreiben das Jahr des großen Gumminupsis, Ameisenbären üben Slalom; deutsche Landsknechte und Salpetersieder sind längst wieder daheim und erfroren, statt von Tupinambá verspeist worden; Unterwäsche gibt es inzwischen unisex; die Bemühung, eine Population von Zebras anzusiedeln, muss noch immer als gescheitert betrachtet werden, da Putzfrauen gegen Streifen sind; Ölvorkommen kommen in noch ungeahnten Mengen vor; Regen überflutet den Nordosten; Nasen werden immer noch gern operiert, Kokain wird unterdessen über Zahnspangen verrieben; WM schaut man auch im Knast und Brasilien wird mit 2:1 Weltmeister gegen Dingenskirchen. Die Welt wird noch brasilianischer werden und in Folge dessen nichts anderes als schön, bunt und rattenscharf, und Gott bleibt rund wie der Arsch von Adriana Lima, sagt die BBC.

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Ich habe jedes Facebookquiz beantwortet http://superdemokraticos.com/poetologie/ich-habe-jedes-facebookquiz-beantwortet/ http://superdemokraticos.com/poetologie/ich-habe-jedes-facebookquiz-beantwortet/#comments Wed, 16 Jun 2010 16:24:39 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=173 Ich heiße Sabine Scho und wurde am 1. September 1970 in Ochtrup – einer Kleinstadt nahe Holland – geboren, habe den Kindergarten nicht gemocht und die Grundschule ohne Probleme bewältigt. Das Abi habe ich in der Regelschulzeit geschafft und hätte damit auch irgendwas Zugangsbeschränktes studieren können, stattdessen aber schrieb ich mich für Philosophie und Germanistik in der nächstbesten Uni ein, weil mich die Kunstakademie nicht wollte und man die Philosophie und die Germanistik nicht gefragt hat, ob sie mich will.

Wollte ich je Dichterin werden? Nie. Tja, vermutlich bin ich es auch gar nicht geworden, aber einige Gedichte gelangen scheinbar, denn man gab mir Preise dafür, wenn auch eher milde dotierte oder halbierte, und Stipendien, wenn auch sagenhaft tolle, aber zu wenige. Ich fand immer, dass andere nicht unbedingt besser schreiben als ich, aber die anderen sind meist viel fleißiger, das gebe ich gerne zu.

Meine Mutter frug meine Grundschullehrerin mal, ob wir eigentlich nie Hausaufgaben auf hätten, die Lehrerin fiel völlig von der Rolle, natürlich hätten wir, „aber ich sehe unsere Sabine nie welche machen“; nicht schön, wenn man so in die Pfanne gehauen wird, aber ich kann mich nicht daran erinnern, mangels fehlender Hausaufgaben in der Schule je aufgefallen zu sein, habe nur komplett vergessen, wie ich das anstellte. Inzwischen, befürchte ich, ist es schon aufgefallen, dass ich meine Hausaufgaben manchmal nicht gemacht habe, sonst hätte man mich bestimmt für jedes der nicht geschriebenen Bücher bepreist. So hält man leider weiter stur daran fest, die zu belohnen, die auch noch Bücher schreiben. Etwas ungerecht finde ich das schon, wo ich mich doch als überhaupt nicht untätig empfinde. Und, immerhin, zwei Bücher gibt es auch von mir bei kookbooks, Album und farben, sie sind schön wie nix, gut geschrieben und mit Bildern, was will man mehr.

Der Dämon der Selbstüberraschung ist mein ständiger Begleiter, wenngleich mich nichts mehr quält, als mit neuen Amateurstudien zu dilettieren, lieber würde ich mich ans Klavier setzen und einfach gut Klavier und nur Klavier spielen können. Aber, ich kann kein Klavier spielen und leider ist es völlig egal, welchen Buchstaben ich auf der Tastatur anschlage, klingt alles ähnlich. Üben soll helfen. Seit es Blogs gibt, wird viel geübt und viel dilettiert, das kommt mir sehr entgegen, ich muss es nicht Arbeit nennen und habe trotzdem etwas gemacht. Ich kann auch stundenlang nur Synonyme suchen und habe bereits jedes Facebookquiz beantwortet. Alles in allem bin ich ein eher uneffizienter Mensch, der sich und seine Zeit gern verschwendet. Dass ich nicht tagein tagaus World of Warcraft spiele, liegt nur daran, dass ich es nicht kann, und dass ich heute in São Paulo und Berlin lebe, liegt daran, dass ich es kann, was wiederum an einem fabelhaften Menschen liegt, der alles das kann, was ich nicht kann, und das ist enorm viel, darum beschäftigt man ihn gern, und ich muss mich selbst beschäftigen, das aber gelingt mir manchmal auch nicht so schlecht. Weil mich São Paulo nicht beschäftigt, beschäftige ich mich in São Paulo, womit, wird man hier noch lesen und sehen. Bom divertimento!

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