Carlos Manuel Velázquez – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Anti-Gebrauchsanleitung für Drugstars http://superdemokraticos.com/laender/mexiko/anti-gebrauchsanleitung-fur-drugstars/ Fri, 12 Aug 2011 08:28:33 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=4837 Ich habe in „Narcos Blog“ gelesen, dass die Zetas (Drogenmafia aus Mexiko und Guatemala) den Sänger Facundo Cabral ermordet haben, um ihre Macht zu demonstrieren. Wie krass ist das denn! Was ist denn mit den Verbrechern in diesem Land hier los? Pablo Escobar entführte den Präsidenten von Kolumbien. Wer zum Teufel wird sich denn an diesen Sänger erinnern? Unsere Capos sind ein Produkt des lateinamerikanischen Booms. Ach, wie süss, wie niedlich, so goldig. Wie apokalyptisch sind unser Drugstars geworden. Was kommt jetzt?

Die Nation bricht auseinander. Aber niemand interessiert sich für meine Meinung zu diesem erschütterten Dasein des Landes. Die Journalisten befragen mich über mein Privatleben. Wer ist dein persönlicher Lieblings-Narco? Wirst du eines Tages einen Narco-Roman schreiben? In den letzten beiden Wochen wurden mir zwei entscheidende Fragen gestellen. Die erste: Wie definierst du dich, als Schriftsteller des Nordens oder als Schriftsteller der Gewalt? Aus dem Stand antwortete ich: Keine Sympathie mit dem Teufel. Und die zweite: Wie lange, denkst du, kannst du deine Karriere weiterverfolgen ohne das Thema des Narcotráfico, des Drogenhandels, zu erwähnen? Ich glaube nicht, dass ich zur Vermehrung des literarischen Mülls beitragen muss, um ein Mann zu werden.

In letzter Zeit trinke ich alleine. Zuhause. Ich geh nicht mehr in Bars. Ich bin ein Magnet für Schießereien. Vor ein paar Wochen wurde ein Einkaufszentrum bei mir um die Ecke eröffnet. Es war also schon eröffnet. Eines Nachmittags, als ich einkaufen ging, traf ich auf ein polizeiliches Einsatzkommando. Einer der Erzengel von irgendeinem der Kartelle, die sich hier das Territorium streitig machen, hinterließ als kleines Souvenir ein paar frisch abgehackte Köpfe. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal behaupten würde, aber die Welt des Tony Soprano ist wesentlich sicherer. In so einer kleinen Stadt wie meiner ist es lediglich eine Frage der Zeit, dass dich eine Tragödie erwischt.

Vor einigen Jahren wurde „El Tanga“, ein Junge aus dem Viertel, ermordet. Er war sechzehn und knallte sich Teufelszeug rein.Torreón, das zu Coahuila gehört, liegt genau neben Gómez Palacio, im Staat Durango. Beide Städte sind eine Nachbildung von Springfield und Shelbyville. Es gibt einen exzessiven Konkurrenzkampf zwischen den beiden. Aber die mächtigsten Feindseligkeiten liefern sie sich durch die Kartelle. Torreón ist das Gebiet von „Los Z“ und von Gómez Palacio, der zu Chapo Guzmán gehört. „El Tanga“ ging zu Gómez Palacio, um Ware zu kaufen, und sie haben ihn erschossen. Auf seinem Rücken hinterließen sie eine Botschaft. „Das wird jedem Arschloch passieren, das aus Torreón kommt.“ Die Mode unter den Capos ist es wohl, sich gegenseitig auf dem Markt zu zerstören.

Chapo Guzmán lebte eine Weile in Torreón. In einem Viertel, das als „Casa del Cerro“, Hügelhaus, bekannt ist. Desse alte Bauweise ist auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückzuführen und dient als Museum. Auf der Rückseite, der Verlängerung, der als „Cerro de las Noas“, als Noahs Hügel, bekannt ist, zog sich Joaquín Guzmán Loera für einen gewissen Zeitraum zurück, um danach nach Durango und im Anschluss nach Frankreich zu reisen. Zu dieser Zeit dachte man, dass der Krieg um das Gebiet zu Ende sein würde, und man warf „Los Z“ aus der Stadt. Aber jegliche Spekulation war sinnlos. Erst letzte Woche verübten sie ein Attentat auf den Polizeichef der Stadt. Zwei Tage später warfen sie Granaten gegen das Ministerium für Öffentliche Sicherheit.

Die Ermordung von Facundo Cabral ist keine besonders wichtige Folge innerhalb der lateinamerikanischen Telenovela. Ein abgedroschener Trick, die Alten windelweich zu prügeln. Wie einfach es schlussendlich ist, sich auf einen dieser Idioten zu stürzen. Die Leute bauen Scheiße. Wir sollten mit Subjekten, die keine Erektionen mehr haben, nachsichtig sein. Ich würde vorschlagen, dass die Kartelle, wenn sie schon ihre Hierarchien beweisen müssen, nicht noch mehr Menschen vernichten sollten. Wir sind im Kurs tief gefallen. Um ihre Unterschiede deutlich zu machen, sollten sie die Qualität der Drogen verbessern. Damit wir nur puren Stoff konsumieren. Das wäre hundertmal schrecklicher als den alten Scheißkerl zu erschießen. Dieser Krieg ist eine Farce. Verdammt, wir müssen so viele Tote rechtfertigen. Ihr Herren des Narco, bitte, reicht uns eine hilfreiche Hand.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Eine Auftakt- und Abschiedsnacht http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/eine-auftakt-und-abschiedsnacht/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/eine-auftakt-und-abschiedsnacht/#comments Fri, 22 Oct 2010 11:27:32 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3071 Ich werde die Geschichte eines Sängers erzählen: mein Leben als Superdemokrat ist eine Episode von Californication. Ich lebe, als gäbe es keinen Almanach. Als ich anfing für das Blog zu schreiben, war mein Herz eine Postkarte aus Idaho. Im Laufe der Zeit ist mir der Vergnügungspark kaputt gegangen: mein Laptop in den Arsch gegangen. HP kidnappte ihn für mehrere Wochen. Und das verspätete Einreichen der Texte machte meine Übersetzerin verrückt und auch Rery, die die Chefin spielen musste und mir drohte: Eh, Früchtchen, wenn du nicht spurst, wird es keine Transvestis mehr für dich geben, wenn du nach Berlin kommst. In dem Moment klingelten die Alarmglocken. Ich schrieb mehr oder weniger ein paar Texte, die sie lahm fand, aber andere gefielen ihr dann doch. Auch wenn sie meinen Punktstand auf der Anzeigetafel manchmal nach unten korrigierte, kann ich bezeugen, dass es unentschieden steht. Abgesehen von meinem achtstündigen Bürojob fraßen mich die Abgabetermine für die Berichte für das Stipendium, was ich bekomme, um den Erzählband Bekenntnisse eines Verkäufers von frittiertem Hühnchen zu schreiben, regelrecht auf. Des weiteren sei hinzugefügt, dass ich in diesem Zeitraum einen Umzug durchlitt. Mein Schreibtisch blieb in der alten Wohnung und es war sehr unbequem, an einem Tischchen zu schreiben, an dem ich mich so verrenken musste, als würde ich die ganze Zeit Jauche aus einer tiefen Grube empor holen. Und als Sahnehäubchen gab es dann auch noch die Korrekturfahnen meines neuen Buches La marana negra de la literatura rosa (Die schwarze Sau der rosa Literatur) zur Durchsicht, welches, morgen, Donnerstag erscheint. Und weil auch nie ein Extra fehlt, war Anfang Oktober Fernando Vallejo in meiner Stadt zu Besuch, um einen Vortrag zu halten, und ich war der Verantwortliche der ganzen Sache.

Vallejo betrat Coahuila und alles lief aus dem Ruder. Während dessen war ich damit beschäftigt, die Fragen eines chilenischen Mädel für ein Buch über das Romanfestival in Barcelona, wo ich mich gerade befinde, zu beantworten. Die Nacht, in der Fernando den Norden besuchte, ging ich mit ein paar Freunden in ein Café und um 9 Uhr abends betraten vier Typen den Laden und exekutierten eine Person. Wir hörten die Schüsse und schmissen uns zu Boden. Neben mir lag Edgar, mein super brother. Ich fragte ihn, ob er o. k. wäre und ich erhielt keine Antwort. Ich finde keine Worte, um die Leere zu beschreiben, die sich in mir ausbreitete. Zu meinem Glück hatte er sich mit einer Flasche geschnitten und obwohl er wie wahnsinnig blutete, hatte ihn keine verirrte Kugel getroffen.

All das passierte in den Monaten, in denen ich das Angebot annahm, Teil der Belegschaft der Superdemokraten zu sein.

Barcelona, Spanien, 10. Oktober 2010

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Der Blues der Globalität http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/der-blues-der-globalitat/ http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/der-blues-der-globalitat/#comments Tue, 05 Oct 2010 15:00:39 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2394 Ich bin zwanghaft obsessiv. So wie ein Kokainabhängiger den halben Tag damit beschäftigt ist, Kokain zu besorgen, zu kaufen, mitgehen zu lassen, so investiere ich dieselbe Zeit in das Herunterladen von Musik. Ich habe furchtbare Entzugserscheinungen. Ich erleide die Beklemmungen eines Sammlers, komme nicht zur Ruhe, bis ich nicht die komplette Plattensammlung von Bands, die sonst niemanden mehr interessieren, herunter geladen habe. Fügen wir dem soeben Genannten hinzu, dass ich auch noch Originale sammle. Es gibt Alben, die mir den Schlaf rauben. Ich begnüge mich nicht mit der Musik. Ich brauche das booklet: das art, also: die Legende. So unwahrscheinlich diese auch sein mag.

Ich erinnere mich daran, wie die CD in meine Stadt kam (1989). Ich bekam Schaum vorm Mund, als ich Delicate Sound of Thunder von Pink Floyd im Schaufenster des Musikgeschäfts liegen sah. Zugegeben, das Format war mir egal, ich wollte den Inhalt. Ich war konservativ und penibel. Und ich blieb das eine Zeit lang, bis mir die Möglichkeit, gratis Musik aus dem Netz zu ziehen, den Komfort und Musik zum Abheben offenbarte (comfort y música para volar ist der Titel eines Albums der argentinischen Rockband Soda Stereo, Anm. d. Ü.). Um den spanischen Philosophen Eugenio Trías zu paraphrasieren: Es gibt keinen mächtigeren König, kein mächtigeres Gesetz, keinen mächtigeren Gott als das verfluchte Internet. Ich erinnere mich an den Kampf zwischen Apokalyptikern und Integrierten, der durch das Debüt der compact disc ausgelöst wurde. Die Puritaner hielten zur LP, die Avantgardisten zur neuen Erfindung. Es wurden unzählige Apologien und Diskreditierungen verfasst. Ich kaufte mir die Kassette, ich liebte es, mix tapes zu machen (vielleicht sind sie schuld an meiner schriftstellerischen Ader), ich war 11 Jahre alt, ich ging in die 6. Klasse, und ich hatte nicht das Geld, mir eine Stereoanlage mit CD-Spieler zu kaufen.

LP und Kassette wurden zu Geliebten des Vergessens und die CD übernahm die Herrschaft. Es stellte sich jedoch das selbe Problem wie mit den vorherigen Formaten ein. Manche CDs waren nirgends zu bekommen. So verging ein Jahrzehnt. Dann erhielten wir Zugang zum Gottvater Internet und unser Status veränderte sich, erst dank der Einkäufe über das Internet. Eine Zeit lang war ich ein gefundenes Fressen für Amazon, Ebay, Volver, etc. Ich bin es immer noch, aber weniger.

Dann fing ich an, Musik gratis herunter zu laden. Wie viele gemischte Gefühle, wie viel Befriedigung und wie viele Desillusionen hat mir diese Aktivität beschert. Nicht wenige befürchteten, im Gefängnis zu landen, wie es in den USA unter Berufung auf die Verletzung des Urheberrechts geschah. Aber, wie Cerati betont, ist nicht alle Musik im Internet. Ich bekomme heutzutage andauernd Migräne, weil ich nicht all die Musik, die ich suche, im Netz finde. Obwohl ich unter anderem von den Seiten Taringa, Bolachas, Emule, Isohunt Musik herunterlade, finde ich nicht alles, was ich haben möchte, wie beispielsweise: Alben der chilenischen Band namens Ex.

Es ist effektiv, von Seiten Musik herunter zu laden, die eine Link-Sammlung haben, aber da auf diesen Seiten viele Links nicht mehr funktionieren, muss ich auf die Musiksammlungen anderer Computer zurückgreifen. Seit Monaten bete ich dafür, dass ein Benutzer, der ein Album von Wilco besitzt, ins Netz geht. Aber San Juditas (der Heilige kleine Judas) erweist mir bisher kein Wunder. Gibt es den Heiligen Internet? Jeden Tag denke ich darüber nach, warum sich dieser verflixte Typ nicht mal mit dem Internet verbindet?  Was macht er? Geht er mit Frauen ins Bett? Ist er deshalb so beschäftigt? Aufgrund seines Benutzernamens weiß ich, dass er in Chicago wohnt. Ich schicke ihm über die download-Seite Nachrichten, aber er antwortet nicht. Ich kann nicht umhin, mir sein Leben auszumalen. Ich öffne Seiten, Foren, Blogs, die Anhaltspunkte über seine Email verraten. Ich erschaffe die Stadt anhand von Google Earth so wie James Joyce mit seinem Buch Dublin erschuf, ich spähe ihm nach, ich hab ihn scheißen sehen, aber ich hab nicht erlebt, dass er sich an seinen Computer setzt und ihn lange genug anlässt, um ein Album herunter zu laden. Und so geht es mir mit Typen von der ganzen Welt.

Jeden Morgen erwache ich mit einem einzigen Gedanken im Kopf. Eine Sitzung der Anonymen Alkoholiker aufzusuchen, mich mit einer Zigarette und einem Kaffee in der Hand auf die Tribüne zu begeben und zu sagen: Guten Abend, mein Name ist Carlos Velázquez und ich bin süchtig nach dem Herunterladen von Musik.

Übersetzung: Anne Becker

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Zeit, zum Globalichiater zu gehen http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/zeit-zum-globalichiater-zu-gehen/ Fri, 24 Sep 2010 15:55:07 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2179 Ich war nie ein globalisierungsfeindlicher Jugendlicher. Ich fand immer, dass die Globalisierung ein Mythos ist: die Globalisierung verstanden als eine einzige Nation. Das one & only Argument dieser Theorie ist das Internet. Das globale Netz infiziert die letzten Ecken der suave patria, des lieblichen Vaterlands (bekanntes mexikanisches Gedicht, Anm. d.Ü.). Ein polarisierender Effekt. Die wahrhaftige Globalisierung gäbe es dann, wenn die Ranch den ganzen Planeten übersähen würde. Wenn das Lokale und der Globus eine wirkungsträchtige Verbindung eingehen, haben wir es mit einem einfachen kulturellen Austausch zu tun. Dieser Austausch ereignet sich immer auf individueller Basis, fast nie kollektiv. Wo ist also das Globalisierende?

Es ist der Globalisierung wie auch den Unabhängigkeitskriegen oder Revolutionen eigen, von einem Projekt der Nation getragen zu werden. Die Globalisierung ist das Projekt einer gescheiterten Nation. Vielleicht ist die einzig mögliche Globalisierung die Globalisierung der Sprache. Nicht die Verknüpfung eines Netzes mit einem weiteren, sondern die Globalisierung eines Codes, der just vom Internet verbreitet wird. Ich war nie ein Verteidiger der Sprache. William Burroughs schlug vor, mit dem gesamten rationalen Denken Schluss zu machen. Die Globalisierung der Sprache könnte von einem Symbolsystem diktiert werden, das gar nichts mehr mit der menschlichen Vernunft zu tun hat.

Wie jede Neuinvasion der Technologie ist die Globalisierung unter anderem dazu gut, der Paranoia Nahrung zu geben. Ich schätze mal, dass die Globalisierung bei der Sprache anfangen und dazu führen wird, dass wir uns in außerirdische Wesen verwandeln. Es folgt meine Version, das, was meine Paranoia auf der Basis der vereinheitlichten Sprache erfunden hat.

Jahr 3000 (oder früher): Die menschliche Gattung hat ihre Art der Kommunikation modifiziert. Die Zunge wurde von den Emoticons des msn ersetzt. Alle Welt versteht sich anhand dieser Symbole. Es nicht mehr nötig, eine andere Sprache zu erlernen, um nach Kopenhagen oder Singapur zu reisen. Wie in der Fernsehwerbung ist das Geruchsorgan beliebig austauschbar. Dann wird die Luft so dick, dass es unmöglich ist, mehr als zwei Meter weit zu gucken; der Smog beerdigt das Konzept der Landschaft. Wir pflanzen uns durchsichtige Augenlider ein, verdunkelten Scheiben gleich, die uns die Nachtsicht wie bei Programmen von animal planet ermöglichen. Wir modifizieren unseren Körper so sehr, dass wir aussehen wie Kinder von Jaime Mausan. Dann taucht ein Raumschiff auf, eine Fliegende Untertasse oder ein U.F.O., wie ihr wollt, und verbindet sich mit dem gesamten Netz. Es verschickt eine Nachricht: Der Planet Erde wird explodieren. Wir verlassen die Erde in einer großen, intergalaktischen Arche Noah. Wir leben in entfernten Galaxien, auf dem Mond und auch gleich um die Ecke der Erde. Wir erfinden die Zeitmaschine, um ins 20. Jahrhundert zu reisen und versenden Zeichen in einer Sprache, die niemand versteht. Wir wollen uns selber warnen, dass wir in der Zukunft aliens sein werden. Dass wir der Zähmung der globalisierten Sprache Einhalt gebieten müssen. Dass wir es nie schaffen werden, uns zu verständigen. Die Sprache, die wir selbst erfunden haben, können unsere Vorfahren nicht verstehen.

In dem Moment, in dem die Vorstellung von planetarischen Nationalitäten einmal verinnerlicht wurde, entsteht auf einem Planten ein Projekt, dass sich vornimmt, das Wesen des Lateinamerikaners, Entschuldigung, den lateinamerikanischen alien zu ergründen. Sie heißen Die intergalaktischen Superdemokraten, Los superdemokráticos intergalácticos. Schriftsteller des Weltraums werden in ihrem Posteingang darauf warten, eine Einladung zur Mitarbeit in diesem Forum zu erhalten.

Übersetzung: Anne Becker

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The city smells like defrosting chicken http://superdemokraticos.com/themen/burger/the-city-smells-like-defrosting-chicken/ Thu, 16 Sep 2010 10:03:54 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2030 How a city smells. Stinks Detroit like Automobile Industry? Is bacon Sweet Home Chicago’s aroma? When I was a kid, my city smelled like fried chicken. Not like fatty ins-and-outs’ tacos, burritos, lunch lunch lunch. My gran ciudad stinked like Pollo Santos. KFC’s invasion and Church’s Chicken was still not our emotions’ html code. The best fried chicken was made by shaken housewives, doddery grandmothers and, of course, Pollo Santos.

That chicken was cathedralical. Breaded with religious devotion. I’ve only seen in the movies such well-made chicken, or in magazines or TV commercials. But I won’t fall. I know it’s a fake. Props. Bloody photoshopped chicken. Worst of all: I have become a fried-chicken junkie. For a time I frequented a clandestine fried-chicken business. It really looked like a crummy place. Fried-chicken’s whole industry is a mafia. I don’t know how did they learn about it, but they blew that tiny chicken window.

My favourite actions: walking along some streets crowded with factories, stepping into the bus station’s main avenue, and visiting the Pollo Santos subsidiary placed in front of the Alameda. I never order anything. I just place myself in a table to read a book, or to observe fried-chicken shop assistants. I wasn’t a common high-school student. My friends worked at Domino’s Pizza or at Pizza Hut. I worked at Pollo Santos.

During my work schedule, I saw how hundreds of men became broken-hearted. The best place to get rid off by a woman is a fried-chicken vender. Hurts less than a cinema or a restaurant. You can always find relief in the golden crust built around a freshly fried chicken breast.

Box stars and wrestlers paid visits to Pollo Santos. I was a pariah. I smelled like fried chicken. No matter how often I took a bath: I couldn’t get rid of that aroma. I was a wrestling fanatic. They let me always into the changing room because of the extra portions I always gave to a referee. I knew big wrestlers without their mask. I felt important. I was proud to live in this city. Afterwards, Coronel Sanders invaded us and fried-chicken venders got multiplied. I shredded, I recall. I saw how MixUp ruled over all other little discotheques. I thought, the same would happen to Pollo Santos. But their secret recipe and their crispichicken are still there.

I know this city is a city, because of the garbage in the streets, its stray dogs and the transvestites at the corners. But I am also aware, if Pollo Santos perishes, KFC’s venders won’t be enough to make me feel like a citizen. Luckily, Pollo Santos still rules. It’s hard to believe how much chicken is sold. I don’t really think any US’ city can compete with our fried-chicken fanaticism. So much chicken, that the air smells no longer like fried-chicken. The whole city smells like defrosting chicken. Chicken destined to the deep fryer. Flavor Flav would be happy here. The most important thing here to everyone: fried chicken.

When somebody crosses through the industrial part of the city, no matter if on foot or by car, it’s mandatory to cover your nose: the smell of defrosting chicken is unbearable. Stinks like a chicken’s vulva, they say. It’s so familiar to me, that when I travel I miss that bloody smell. I come frequently back to Pollo Santos. To KFC too, despite urban legends that assure chicken has been injected with vinegar. And I do visit Church’s Chicken, I can’t know in which place I’m going to find my one true love. Maybe my dream girl will be there, biting a breaded fried-chicken wing in a plastic bucket.

Translation: Ralph del Valle

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Daydream Nation http://superdemokraticos.com/themen/burger/daydream-nation/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/daydream-nation/#comments Mon, 06 Sep 2010 09:13:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1716 Ich bin betrunken nach Hause gekommen / total verloren in Überlandbussen der Nordroute / oder in beichtgelben Taxis um drei Uhr morgens / mit Fahrern, die im Auftrag  des Heiligen Christophers  sterben werden / und ihr Zellchaos durch die cantinas des Zentrums  schleppen werden //  Ich führe ein Schriftstellerdasein / ich verkaufe frittiertes Hühnchen, um mir die nachtragenden und bitteren Snacks zu kaufen / die  samstags um 2 Uhr nachmittags in Chalio’s Bar serviert werden / Ich bin ein Exemplar der mexikanischen Gattung / ich war ein mexikanischer Junge / Ich werde ein mexikanischer Greis sein // Meine Idole waren Santo und Blue Demon (berühmte Wrestling- Kämpfer; A.d.Ü) / im Ring oder auf der Leinwand des Laguna Kinos / während ich meinen Softdrink der Marke Pep trank // Ich habe es auf 44 Star Wars-Figuren geschafft / meine Lieblingsfigur war Han Solo // Ich verkaufte Kaugummis in den Campo Alianza Bussen / um mir Sandwiches zu gönnen, riesige Avocado-Sandwiches / auf dem ärmsten Markt der Stadt // Ich hatte eine wirre Kindheit / nachmittags kaufte ich ein Liter San Matías Tequila / für meine Großmutter, die seit ihrem 17. Lebensjahr  Alkoholikerin war //  ich bin in dem Alianza Markt groß geworden / wo sie eine pozolería (pozole ist ein typische Suppe mit Mais und Schweinefleisch, A.d.Ü.) hatte / ihre Kundschaft waren die Suffköpfe aus der cantina El mar rojo (das rote Meer) // Ich habe mich in der Wüste verschanzt  / um Peyote zu essen / und ich habe mir zwei Coyotes auf den rechten Arm tätowiert // Ich bin per Anhalter durch das Land gereist / gezwungen mir das endlose Gelaber zugedröhnter Lastwagenfahrer anzuhören // Ich bin als Bulle im Zug nach Ciudad Júarez mitgefahren / ich war kurz davor, mir in der Sierra von Chihuahua den Kältetod zu holen // Ich habe mir Salmonellen eingfangen / weil ich mich auf die Bauchfleisch-Tacos an der Ecke Matamoros und Acuña eingelassen habe / ich bin an Thyphus erkrankt / weil ich um zwei morgens mit Don Lolo tortillones (Maisfladengericht A.d.Ü.) gegessen habe // Ich spaziere gerne durch Straßen voller stillgelegter Fabriken / über die langgestreckte Allee hinter dem zentralen Busbahnhof // Auch ich bin zu Fuß die Bahntrasse lang gelaufen // Ich habe auf brachliegenden Grundstücken mit Unbekannten Bier  getrunken / Ich habe die schlechtesten Baseballspiele der Geschichte im Revolución Stadium gesehen // Ich habe ansehen können wie zum ersten Mal seit vielen Menschenleben das ausgtrocknetet Flussbett des Nazas Fluss sich mit Wasser füllte / ich habe dies von dem riesigen Christus aus gesehen, der auf der Spitze des Noas Berges  steht  // Ich bin durch alle cantinas der Stadt gewandelt / Bars, Tabledance-Kneipen und Schwulenclubs // Einmal wohnte ich mit einer Frau zusammen // Ich bin zum Schwänzen in die Billardsalons unseres Viertels gegangen // Meine Jugend war Daydream Nation //  Ich habe die Musik aller Norteño Gruppen gehört, die sich vor die Gota de Uva (Weintropfen) stellten // Ich habe auf den Bänken des Alameda Parks geschlafen // Ich habe mich in cantinas geprügelt / Ich habe mich schwarz angezogen / und Schnulzen von Cucu Sánchez gesungen // Was für Augen, was für Beine, was für Körper haben die Frauen meiner Stadt / Was für cantinas / die Perches, die Reforma, die Filomena / der Aguila de Oro  (Goldadler) / die Versalles / den Chava Club / El otro Paraíso (Das andere Paradies) //  Ich habe ein fremdes Auto angefahren // Ich weiß, dass ich an Krebs sterben werde / und es ist mir egal // Ich habe all die in die Klotüren eingeritzten obszönen Geschichten auf dem Júarez Markt gelesen / Ich habe ein paar davon selber geschrieben / und habe gelernt, dass Mexiko kein Land ist, in dem man an Verstopfung leidet/  Ich entziffere die Kabel der Telegrafenmasten / die Masten bilden das Skelett der Stadt / die Ampeln die Arterien // Ich höre die Heimat in den cantinas / in jeder nicht geöffneten Flasche // Ich lese aus der Innenfläche meiner Hand wie jemand der einen Toten einbalsamiert / im Amphitheater des Universitätskrankenhaus // Und ich glaube noch an die Liebe im Dunkeln // Ich habe gelitten wegen einer magersüchtigen Liebschaft  // Ich bin ein Mexikaner // Ich habe weder Visum noch Pass // Ich führe ein Schriftstellerdasein // Ich schreibe mit den Schlüsseln der Stadt in der Hand // Und vielleicht werde ich nichts erreichen / noch nicht einmal Eintrittskarten fürs Kino / und auch keine Schlaftabletten // Und vielleicht werde ich nirgendwo ankommen // Aber wie alle / werde ich mir mein Recht bewahren zu verschwinden.

Übersetzung: Anne Becker

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Die Stadt riecht nach aufgetautem Hühnchen http://superdemokraticos.com/themen/burger/die-stadt-riecht-nach-aufgetautem-huhnchen/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/die-stadt-riecht-nach-aufgetautem-huhnchen/#comments Wed, 25 Aug 2010 14:56:39 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1229 Nach was riecht eine Stadt? Stinkt Detroit nach der Autoindustrie? Ist Schinken das Aroma von Sweet Home Chicago? Als ich klein war, roch meine Stadt nach frittiertem Hühnchen. Nicht nach Bauchfleisch-Tacos, nach Gorditas, Burritos, Lunch, Lunch, Lunch. Meine big city roch nach Pollo Santos (Santos Hühnchen). Die Invasion von KFC und Church`s Chicken hatte sich noch nicht in das html unserer Emotionen verwandelt. Das beste frittierte Hühnchen wurde von aus der Rolle fallenden Hausfrauen, senilen Omas und natürlich von Pollo Santos zubereitet.

Jenes Hühnchen war kathedralisch. Mit religiöser Devotion paniert. Ein so gut zubereitetes Huhn habe ich sonst nur in Filmen, Zeitschriften und in der Fernsehwerbung gesehen. Aber ich geh dem nicht auf den Leim. Ich weiß, dass es sich um einen fake handelt. Requisitenkammer. Verflixtes mit Photoshop bearbeitetes Hühnchen. Das Blödste an all dem ist, dass ich zu einem Frittiertes Hühnchen-Junkie geworden bin. Eine Zeit lang ging ich immer zu einem geheimen Hähnchenimbiss. Er glich einer wahrhaftigen Absteige. Die Brathähnchen-Großindustrie war eine Mafia. Ich weiß nicht, wie sie da ran gekommen sind, aber sie haben jenen Imbiss platt gemacht.

Meine Lieblingsbetätigung ist es, in der Fabrikgegend herum zu laufen, die lange Allee hinter dem zentralen Busbahnhof entlang zu gehen und die Filiale von Pollo Santos aufzusuchen, die gegenüber des Alameda-Parks liegt. Ich bestelle nie etwas. Ich setze mich an einen Tisch und lese ein Buch oder beobachte die Brathähnchenverkäufer. Ich war kein durchschnittlicher Oberschüler. Meine Klassenkameraden waren Pizzajungen bei Dominos Pizza oder Pizza Hut. Ich arbeitete bei Pollo Santos.

Während meiner Schicht konnte ich mit ansehen, wie Hunderten von Männern das Herz gebrochen wurde. Der beste Ort, um von einer Frau verlassen zu werden, ist ein Hühnchenimbiss. Es schmerzt weniger als in einem Kinosaal oder in einem Restaurant. Du kannst in der brauen Kruste einer frisch frittierten Hähnchenbrust Trost finden.

Boxstars und Lucha Libre-Kämpfer kehrten bei Pollo Santos ein. Ich war ein Stinktier. Roch nach frittiertem Hühnchen. Es war egal, wie oft ich mich duschte, ich wurde dieses Aroma nicht los. Ich war ein Lucha Libre-Fan. Dank der Extraportionen, die ich einem Schiedsrichter servierte, wurde ich bis in die Umkleidekabinen vorgelassen. Ich lernte große Lucha Libre-Kämpfer ohne Maske kennen. Ich fühlte mich wichtig. Ich war stolz, in dieser Stadt zu leben.

Später kam die Invasion von Coronel Sanders und die Hühnchenimbisse vervielfachten sich. Ich erinnere mich daran, dass ich zitterte. Ich sah zu, wie Mix up (große Musikhandelkette, Anm. d. Ü.) all die kleinen Plattenläden in den Ruin trieb. Ich dachte, dass mit Pollo Santos das gleiche passieren würde. Aber das Geheimrezept und crujipollo (krosses Hühnchen) haben ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ich weiß, dass diese Stadt dank des Mülls auf den Straßen, der herumstreunenden Hunde und der Transvestiten an den Straßenecken eine Stadt ist. Aber ich weiß auch, dass, falls Pollo Santos fällt, die KFC Kette nicht ausreicht, um mich als Bürger zu fühlen. Zu meinem Glück gibt Pollo Santos nicht auf. Es ist unglaublich, wie viel frittiertes Huhn hier verkauft wird. Die Stadt riecht nach auftauendem Hühnchen. Hühnchen, das für die Friteuse bestimmt ist. Flavor Flav wäre glücklich in dieser Stadt. Hier ist für alle das frittierte Hühnchen das Wichtigste.

Immer wenn jemand zu Fuß oder mit dem Auto die Industriezone der Stadt durchquert, hält er sich wegen des unerträglichen Gestanks nach auftauendem Hühnchen die Nase zu. Wir sagen, es stinkt nach Hennenmuschi. Mir ist dieser verfluchte Geruch so vertraut, dass ich ihn vermisse, wenn ich auf Reisen bin. Ich gehe regelmäßig zu Pollo Santos. Auch zu KFC, trotz all der Legenden, dass dort das Hühnchen mit Essig aufgespritzt sei. Und ich kehre bei Church’s Chicken ein, man weiß nie, in welchem Laden man die Liebe seines Lebens treffen wird. Es ist möglich, dass die Frau meiner Träume vor einem Teller mit paniertem Brathähnchen sitzt und in einen Schenkel beißt.

Übersetzung: Anne Becker

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Suchend wie jedes Gespenst: nach einem Körper http://superdemokraticos.com/themen/koerper/ich-suche-das-was-jedes-gespenst-ein-korper/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/ich-suche-das-was-jedes-gespenst-ein-korper/#comments Tue, 10 Aug 2010 07:05:03 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=645

Der Körper ist ein Tyrann. Eine Falle, eine verdammte Falle. Er zwingt uns, von einer gewissen Musik Abschied zu nehmen. Manche brauen leichte Musik, wir brauen norteñische Musik (Musik aus Nordmexiko, Anm.d.Ü.). Von Tijuana bis Tamaulipas ist der Narcocorrido Gesetz. Nichts befreit uns von diesem Anathema. Alles hat mit der traditionellen Akkordeonmusik und dem bajo sexto (zwölfsaitige Bassgitarre) angefangen. Monterrey, Nuevo León, gilt als die Welthauptstadt der norteñischen Musik. Der Corrido, der norteñische Bolero, die Polka und der Shotiz repräsentierten den Körper des alten Norteño. Heute verkörpert der Narcocorrido den Postnorteño.

Ich kann mir keinen Blondschopf und auch keinen Japaner dabei vorstellen, wie er im Takt des Duranguito sein Tanzbein schwingt. Welche Taxonomie, wenn nicht die norteñische, verlangt eine Gruppe wie Exterminador (Ausrotter) oder Los Tucanes de Tijuana (Die Tukane von Tijuana). Der kubanische Körper verlangt Son, der Körper eines Chilango (Bewohner von Mexiko Stadt, Anm.d.Ü.) Salsa, der norteñische Taconazo. Es ist wohl bekannt, dass in Coahuila, Sonora, Durango, Chihuahua, Tamaulipas, Nuevo Leon, Baja California Sur und Baja California Norte einem nichts wertvoller erscheint, als mit Freunden durch die Wüste zu fahren, mit einem halben Liter Tecate-Bier zwischen den Eiern und im Autoradio eine CD von Los cadetes de Linares (Die Kadetten von Linares).

Ich kann mir für meinen Körper keine anderen Geschichten vorstellen als jene, die in den norteñischen Liedern erzählt werden: Geschichten von Pferdedieben, Pistoleros und Drogenhändlern. Die griechische Tragödie sieht klein aus in meinen Levi’s 559 36x 30. Wie sollte ich nicht diesen verwegenen und triebgesteuerten Körper, der die Spelunken mag, zur Schau stellen, wenn die Musik von El viejo Paulino (Der alte Paulino) mein täglich Brot ist. Meine Physiognomie kommt nicht auf andere Rhythmen, sie ist nicht gemacht für andere Stile.

Cowboyhut, Gürtel, Pfauenstiefel, Jeans, Wrangler-Hemd und die Musik von Los Tigres del Norte (Die Tiger des Nordens) könnten die vorschriftsgemäße Tracht des Norteño bilden; aber diese Körper stoßen in anderen Landstrichen kaum auf Wohlgefallen. Wir sind alle, von dem größten Stiernacken bis zum größten Spacken, eine Gruppe von Gespenstern, die in der norteñischen Musik ihr Fleisch und Blut findet.

Übersetzung: Anne Becker

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Die wunderbare, kurze Hepatitis von Litoscar Vzz http://superdemokraticos.com/themen/koerper/die-wunderbare-kurze-hepatitis-von-litoscar-vzz/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/die-wunderbare-kurze-hepatitis-von-litoscar-vzz/#comments Fri, 23 Jul 2010 06:40:23 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=514 Die wahre Bedeutung der Intimität entdeckte ich eines Nachts, auf meinem Bett liegend, während ich an das Mädchen dachte, in das ich verliebt war, eine kleine Schickse aus Monterrey, die einen weinroten Fiat fuhr. Jahr: 2004. Musik: A ghost is born. Wilco waren zum Soundtrack meiner Momente der Einsamkeit geworden. Diagnose: Hepatitis B. Ich musste das Bett hüten: Wie eine Schwangere, der eine Fehlgeburt droht. Ich versuchte Glamourama von Bret Easton Ellis zu lesen, aber es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren. Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich mir diese verdammte Krankheit eingefangen hatte. Fährten? Drei.

Die erste: Jene caguama (1-Liter-Bierflasche in Mexiko), die wir auf der Brache von einem zum nächsten durchreichten. Jemand fragte nach einem Glas. Die Crew, markig, verspottete ihn als frisch gepelltes Weichei. Und wenn wir uns mit irgendeinem Scheiß gegenseitig anstecken?, insistierte er. Der dickste Typ von allen stieß hervor: Wer eine Abwehr hat, packt’s, wer nicht, ist jetzt schon am Arsch. Ich war sehr kränklich unterwegs. In Sachen Gesundheit war ich schon immer schwach auf der Brust, so wie „Laurence Harvey wurde schwach auf der Brust / in Servidumbre Humana / […] im Anblick von Kim Novaks Schönheit“ (Saúl Rosales dixit). Ich misstraue der caguama, weil einer der Drugos – so lautet unser Spitzname – blasser aussah als das Cover der Gelben Seiten.

Die zweite: Die Tacos mit suadero-Fleisch in La Joya. Eine Zeit lang ging die Paranoia um, dass jede Zwiebel in meiner Stadt mit Hepatitis verseucht war. Die Nachricht von San Agustín: Das Feuer purifiziert alles: stellte sich als falsch heraus. In meiner Freizeit, wenn ich gerade nicht, recht erfolglos, versuchte, an der Tastatur meines Computers zu glänzen, litt ich an Tacosucht. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich alle Taquerías meiner Stadt kenne. In manchen kann ich sogar anschreiben. Ich verdächtige die Tacos, weil die Portion, die ich mit extra viel Zwiebeln und Chili-Soße verschlang, den Beginn meines Debakels markierte.

Und drittens (und letztens): Die sexuelle Anziehung, die die kleine D verströmte. Ich lernte sie über das Internet kennen. Bis zu D hatte ich nie an diesen Schwindel der einsamen Menschen geglaubt. Ich zog zwei Wochen zu ihr. So sah unsere Routine aus: Sie stand um 9 Uhr morgens auf und zog ab zur Arbeit. Ich wachte gegen 5 Uhr nachmittags auf, wenn sie von der Arbeit zurückkam. Wir wälzten uns auf dem Teppich und fingen um 7 Uhr mit dem Biertrinken an. Sie leerte nur ein miserables Gläschen; was sie am meisten mochte, war Gras. Sie bewahrte eine Tüte mit zwei Kilo Gras in ihrem Kühlschrank auf. Ich stand da nie drauf, weshalb ich mich einfach neben sie setzte und ihr dabei zuguckte, wie sie ihren Joint baute. Wir wälzten uns noch einmal, und dann ging sie schlafen, da sie am nächsten Morgen zur Arbeit musste. Ich blieb die ganze Nacht lang wach, bis ich die 12 Liter Bier ausgetrunken hatte. D muss mich ein bisschen für einen Alkoholiker gehalten haben, aber nein. Ich habe Bier nie als Alkohol eingestuft. Jeden Tag versorgte mich D mit Bier. Kein einziges Mal hat sie mir etwas zu essen mitgebracht. Auch wenn ich Bier für ein Lebensmittel halte, ist doch manchmal eine Kartoffel nicht schlecht.

Während wir yorch zulegten, erzählte mir D von den Orgien, an denen sie teilgenommen hatte. Sie würden sich vor Lachen in die Hose machen, wenn Sie sie sehen würden. Sie war das unerheblichste kleine Ding der Welt, ohne Brüste und ohne Hintern und ein bisschen hässlich. Aber im Bett, kein mami blue, sie bewegte sich wie eine Cyborg-Sirene. Ich flüchtete aus Ds Wohnung, weil ich sehr viel Gewicht verlor. Ich habe immer ein Kondom benutzt, aber ich verdächtige D wegen ihrer promisken Rauscheskapaden, die sie mitbrachte. Und weil ich in jenem Lebensabschnitt am meisten kränkelte.

Da stand ich nun, ein Teil der Crew, am Boden, dabei, abzuleiten, wer verdammt mich so nieder gestreckt hatte. Du kannst die caguama mit deinen Blutsbrothers teilen, du kannst dem infektiösesten Tacoverkäufer der Stadt vertrauen, und du kannst nach dem Sex die pitoreskesten Geständnisse deiner Liebhaberinnen hören „Als ich klein war, hat mich mein Stiefvater betatscht, aber ich mochte das“, aber nicht die Leibspeise, nicht das Essen, nicht die fleischliche Lust verkörpern die Intimität wirklich. Es ist egal, wie viele Male du siehst, wie diese Frau sich vor dir auszieht, wie viele Male du mit ihr ins Bett gehst: Sie gibt dir gar nichts von sich. Die einzige, wahrhaftige Intimität liegt in der Beschädigung, die unabsichtlich zugefügt wird. Von Herzen gerne hätte ich in jener Nacht den Verantwortlichen meiner Bettlägrigkeit geküsst.

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Übersetzung: Anne Becker

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Der Corrido des Weißen Pferds http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-corrido-des-weisen-pferds/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/der-corrido-des-weisen-pferds/#comments Sun, 11 Jul 2010 06:39:54 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=450 Der Satz von Alfredo Jiménez „Ich ging mit Ziel gen Norden / nachdem ich Guadalajara verließ“ hat mich schon immer beunruhigt. Das Lied, aus dem er stammt, heißt „Der Corrido des Weißen Pferds“ (Corrido ist eine besondere Liedform in Mexiko, Anm.d.Ü.). Das Bild, das aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts stammt, beschreibt die Rundreise eines Chryslers, Modell 57. „Der Corrido des Weißen Pferds“ ist eine Art On the road-Lied. José Alfredo fährt – wie ein Jack Kerouac – mit einem Chrysler statt mit einem klapprigen Dodge Richtung Norden. Beide Werke stammen aus der selben Epoche. Die Verbindung, die zwischen der Beat Generation und den populären mexikanischen Liedermachern besteht,  hat mich immer umgetrieben. Ich denke an Javier Solís als unseren lokalen Gregory Corso. Wenn die Geschichte mich etwas gelehrt hat, dann, dass sich absolut jedes Volk aus Fußbällen, verbitterten Geliebten und moralischen Lektionen zusammensetzt.

Jenes weiße Pferd, auf das sich José Alfredo bezieht, ist die Geschichte. Wenn ich irgendetwas von der Geschichte gelernt habe, dann, dass die einzige Lösung für unsere Konflikte im Himmelreich der Musik zu finden ist. In diesem Sinne ist die Geschichte das Wichtigste in meinem Leben. Es ist wahr: Die Geschichte kann man in Toten, in Kriegen, in Aufständen messen. Aber sie wird immer ungenau aufgezeichnet werden. Allein mittels der Musik ist es möglich, den Puls der Geschichte zu spüren. Wenn wir an die Geschichte denken, rufen wir zuerst unseren persönlichen soundtrack ab, noch bevor irgendein Erinnerungsbild entstehen kann. Niemand erinnert sich an so viele Daten wie an Lieder.

Immer wenn ich den „Corrido des Weißen Pferds“ höre, denke ich nur an zwei Dinge: Frauen und Fußball. Ich will sagen: Ich lasse die Geschichte und meine Geschichte Revue passieren. Nach zwei Ehen (wie Fogwill sagt: Ich trenne mich nicht, ich werde rausgeworfen) ist mein einziges Anliegen, mir ein paar Beistelltische zu kaufen (oder sie selbst bauen, wie mir jemand nahelegte), um vor dem Fernseher zu essen. Währenddessen stelle ich mir vor, dass das weiße Pferd die mexikanische Fußballmannschaft ist, die, nachdem sie eines sonntags Guadalajara verließ, von Argentinien vernichtet wurde, das wiederum von Deutschland vernichtet wurde, das wiederum von Spanien vernichtet wurde, und mit ihr auch meine Geschichte der Weltmeisterschaft in Südafrika 2010.

Übersetzung: Anne Becker

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